Die bekanntesten Dramen und Lustspiele von Arthur Schnitzler. Артур Шницлер
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Читать онлайн книгу Die bekanntesten Dramen und Lustspiele von Arthur Schnitzler - Артур Шницлер страница 37
Johanna nickt lächelnd.
Sala. Schwebte sie für mich?
Johanna. Ich hab' Sie wohl gesehen, wie Sie hinter dem Vorhang standen.
Sala nach einer kleinen Pause. So werden Sie vor andern Menschen wahrscheinlich doch nie tanzen.
Johanna. Warum? . . . Ich hab' wohl schon. Und Sie haben mir auch damals zugesehen. Es ist freilich lange her. – Es war auf einer griechischen Insel. Viele Männer standen im Kreise um mich her – Sie waren unter ihnen – und ich war eine Sklavin aus Lydien.
Sala. Eine gefangene Prinzessin.
Johanna ernst. Glauben Sie nicht an solche Dinge?
Sala. Wenn Sie es wünschen – gewiß.
Johanna ernst bleibend. Sie sollten alles glauben, woran die andern nicht glauben können.
Sala. Wenn die Stunde dazu kommt, tu ich's wohl.
Johanna. Sehen Sie, – ich für meinen Teil kann mir alles andere eher vorstellen als dies, daß ich nun zum ersten Male auf der Welt sein sollte. Und es gibt Augenblicke, in denen ich mich ganz deutlich an allerlei erinnere.
Sala. Und solch ein Augenblick war damals?
Johanna. Ja, vor einem Jahre, als ich in einer mondhellen Sommernacht über eine Wiese tanzte. Es war gewiß nicht das erstemal, Herr von Sala. Nach einer kleinen Pause, plötzlich in anderm Tone. Wohin reisen Sie eigentlich?
Sala den Ton aufnehmend. Nach Baktrien, Fräulein Johanna.
Johanna. Wohin?
Sala. Nach Baktrien. Das ist ein sehr merkwürdiges Land, und das Merkwürdigste ist, daß es gar nicht mehr existiert. Ich schließe mich nämlich einer Gesellschaft an, die im November dahin abgeht. Sie haben vielleicht in der Zeitung davon gelesen.
Johanna. Nein.
Sala. Es handelt sich um Ausgrabungen an der Stätte, wo vermutlich das alte Ekbatana stand – vor etwa sechstausend Jahren. Das liegt noch vor Ihrer lydischen Zeit, wie Sie sehen.
Johanna. Wann sind Sie denn auf diese Idee gekommen?
Sala. Erst vor wenigen Tagen. Gesprächsweise sozusagen. Graf Ronsky, der Leiter der Sache, hat mir so große Lust dazu gemacht. Es gehörte nicht viel dazu; er kam einer alten Sehnsucht von mir entgegen. Lebhafter. Denken Sie nur, Fräulein Johanna: Mit eigenen Augen sehen, wie solch eine begrabene Stadt allmählich aus der Erde hervortaucht, Haus um Haus, Stein um Stein, Jahrhundert um Jahrhundert. Nein, es war mir nicht bestimmt, dahinzugehen, eh' mir dieser Wunsch erfüllt wird.
Johanna. Warum reden Sie denn vom Sterben?
Sala. Gibt es einen anständigen Menschen, der in irgend einer guten Stunde in tiefster Seele an etwas anderes denkt?
Johanna. Ihnen ist wohl nie ein Wunsch unerfüllt geblieben.
Sala. Keiner . . . ?
Johanna. Ich weiß, daß Sie auch viel Trauriges erlebt haben. Aber manchmal glaub' ich, Sie haben auch das ersehnt.
Sala. Ersehnt . . . ? Genossen, wenn es kam, da mögen Sie wohl recht haben.
Johanna. Wie gut versteh' ich das! Ein Dasein ohne Schmerzen wäre wohl so armselig wie ein Dasein ohne Glück. Pause. Wie lang ist's her?
Sala. Was meinen Sie?
Johanna leise. Daß Frau von Sala gestorben ist.
Sala. Das ist sieben Jahre her, beinahe auf den Tag.
Johanna. Und Lilli . . . im selben Jahre?
Sala. Ja, Lilli starb im Monat drauf. Denken Sie noch manchmal an Lilli, Fräulein Johanna?
Johanna. Recht oft, Herr von Sala. Ich habe seither keine Freundin gehabt. Vor sich hin. Zu ihr müßte man jetzt auch »Fräulein« sagen. Sie war sehr schön. Sie hatte so dunkles blauschillerndes Haar wie Ihre Frau und so klare Augen wie Sie, Herr von Sala. Vor sich hin. »Nun gingt ihr beide, gingt ihr Hand in Hand, die dunkle Straße in ein lichtes Land . . .«
Sala. Was Sie für ein Gedächtnis haben, Johanna.
Johanna. Sieben Jahre ist das vorbei . . . wie sonderbar.
Sala. Warum sonderbar?
Johanna. Sie bauen sich ein Haus und graben versunkene Städte aus und schreiben seltsame Verse, – und Menschen, die Ihnen so viel gewesen sind, liegen schon seit sieben Jahren unter der Erde und verwesen, – und Sie sind beinahe noch jung. Wie unbegreiflich ist das alles!
Sala. Du, der da weiterlebt, laß ab zu weinen, sagt Omar Nameh, geboren zu Bagdad im Jahre 412 der mohammedanischen Zeitrechnung als Sohn eines Kesselflickers. Übrigens kenn' ich einen, der dreiundachtzig Jahre alt ist; er hat zwei Frauen begraben, sieben Kinder, von den Enkeln ganz zu geschweigen, und spielt Klavier in einem schäbigen Praterwirtshaus, während sich auf der Bühne Künstler und Künstlerinnen produzieren in Trikots und fliegenden Röckchen. Und neulich, als die armselige Produktion zu Ende war und man die Laternen auslöschte, spielte er rätselhafterweise auf dem gräulichen Klimperkasten unbeirrt weiter. Und da haben wir ihn eingeladen, Ronsky und ich, sich zu uns zu setzen, und haben mit ihm zu plaudern angefangen. Und nun erzählte er uns, daß das letzte Stück, das er da oben gespielt hatte, seine eigene Komposition war. Wir machten ihm natürlich unsere Komplimente. Und da leuchteten seine Augen, und mit seiner zittrigen Stimme fragte er uns: »Glauben Sie, meine Herren, wird mein Werk Erfolg haben?« Dreiundachtzig Jahre ist er alt und seine Karriere endet in einem kleinen Praterwirtshaus und sein Publikum sind Kindermädchen und Feldwebel, und seine Sehnsucht ist, – daß die ihm Beifall klatschen!
Dritte Szene
Johanna, Sala, Doktor Reumann .
Doktor Reumann. Guten Abend, Fräulein Johanna. Guten Abend, Herr von Sala. Reicht beiden die Hände. Wie befinden Sie sich?
Sala. Vorzüglich. Man ist Ihnen doch nicht verfallen, wenn man einmal die Ehre gehabt hat, Sie um Rat zu fragen!
Doktor Reumann. Daran hatt' ich selbst schon vergessen. Aber es gibt Leute, die sich dergleichen einbilden. – Mama ruht wohl ein wenig, Fräulein Johanna?
Johanna war durch das kurze Gespräch zwischen dem Arzt und Sala betroffen und betrachtete Sala aufmerksam. Sie wird wohl schon wach sein. Felix ist bei ihr.
Doktor Reumann. Felix . . . ? Man hat doch nicht etwa um ihn telegraphiert?
Johanna. Nein, soviel ich weiß. Wer hätte denn . . . ?
Doktor Reumann. Ich dachte nur. Ihr Papa ist manchmal so ängstlich.
Johanna. Da kommen