Sherlock Holmes: 40+ Krimis in einem Buch. Arthur Conan Doyle
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Читать онлайн книгу Sherlock Holmes: 40+ Krimis in einem Buch - Arthur Conan Doyle страница 61
»Der Arzt, Doktor Sommerton, war ein flotter, junger Bursche, und die andern Offiziere pflegten abends in seiner Wohnung zusammenzukommen und Karten zu spielen. Die Apotheke, in der ich meine Arzeneien bereitete, stieß an das Wohnzimmer; durch ein kleines Fenster sah man hinein. Oft, wenn mir einsam zu Mute war, löschte ich die Lampe in der Apotheke aus, und konnte dann das Gespräch hören und dem Kartenspiel, an dem kleinen Fenster stehend, zusehen. Das machte mir Vergnügen; denn ich spielte selbst gerne Karten. Die Spieler waren Major Scholto, Hauptmann Morstan und Leutnant Bromby Brown, die das Kommando über die eingeborenen Truppen hatten, ferner der Doktor selbst und zwei oder drei Gefängnisbeamte; eine sehr gemütliche, kleine Gesellschaft. Etwas fiel mir aber dabei auf: nämlich die Offiziere verloren immer und die Zivilisten gewannen. Das soll durchaus nicht heißen, daß irgend etwas Ungehöriges geschah; ich erwähne nur die Thatsache. Die alten Gefängnisinspektoren hatten, seit sie in den Andamanen waren, wenig anderes gethan, als Karten gespielt, und ›Uebung macht den Meister‹. Die andern aber spielten nur zum Zeitvertreib, und warfen ihre Karten gleichgültig hin, wie es gerade kam. Einen Abend nach dem andern standen die Offiziere als ärmere Leute vom Spieltisch auf und je ärmer sie wurden, desto begieriger waren sie auf das Spiel. Major Scholto erging es am schlimmsten. Er pflegte zuerst in Banknoten und Gold zu zahlen, aber bald stellte er Wechsel aus, und zwar auf große Summen. Manchmal gewann er eine Weile, wie um ihm Mut zu machen, und dann kehrte das Glück sich wieder mehr als je gegen ihn. Den ganzen Tag irrte er umher, finster wie eine Gewitterwolke und legte sich weit mehr aufs Trinken, als ihm gut war.
»Eines Abends verlor er noch mehr als sonst. Ich saß gerade in meiner Hütte, als er mit Hauptmann Morstan auf dem Wege nach ihrem Quartier daherkam. Die beiden waren Busenfreunde und unzertrennlich. Der Major schien ganz rasend über seine Verluste.
»›Es ist aus mit mir, Morstan,‹ sagte er. ›Ich muß den Abschied nehmen; ich bin zu Grunde gerichtet.‹
»›Unsinn, alter Kamerad,‹ sagte der andere, ihm auf die Schulter klopfend. ›Ich habe auch einen bösen Hieb bekommen, aber –‹
»Das war alles, was ich hören konnte; aber es ging mir im Kopf herum.
»Ein paar Tage später schlenderte Major Scholto an der Bucht entlang. Da nahm ich die Gelegenheit wahr, ihn anzureden.
»›Ich möchte Sie um Ihren Rat ersuchen, Herr Major,‹ sagte ich.
»›Was giebt’s, Small?‹ fragte er, die Zigarre aus dem Munde nehmend.
»›Ich wollte Sie etwas fragen, Herr Major. Wer ist wohl die richtige Person, an die ein versteckter Schatz übergeben werden sollte? Ich weiß, wo eine halbe Million verborgen liegt, und da ich selbst keinen Gebrauch davon machen kann, so dachte ich, es wäre eigentlich das beste, den Schatz der betreffenden Behörde zu übergeben; es wäre doch möglich, daß man mir meine Strafzeit dafür abkürzt.‹
»›Eine halbe Million, Small?‹ – stieß er mit offenem Munde hervor. Dabei sah er mich scharf an, ob das mein Ernst sein könnte.
»›Gewiß, Herr – die Juwelen und Perlen liegen da, bereit für jedermann. Das Merkwürdigste dabei ist noch, daß der wirkliche Eigentümer ausgewiesen und geächtet ist, und kein Besitzrecht mehr geltend machen kann, so daß der Schatz dem gehört, welcher zuerst kommt.‹
»›Der Regierung, Small, der Regierung,‹ stammelte er. Aber es wollte ihm schwer über die Lippen, und mir war’s so gut wie gewiß, daß ich ihn in Händen hatte.
»›Sie meinen also, Herr Major, daß ich dem General-Gouverneur Anzeige machen sollte?‹ sagte ich ganz ruhig.
»›Vor allem müßt Ihr’s nicht übereilt thun, was Euch gereuen könnte, Small. Laßt mich erst das Nähere hören. Teilt mir den Sachverhalt mit.‹
»Ich erzählte ihm die ganze Geschichte mit kleinen Abänderungen, so daß er den Versteck nicht ausfindig machen konnte. Als ich fertig war, blieb er stockstill und stand in tiefen Gedanken da. Ich konnte am Zucken seiner Lippen sehen, wie es in ihm arbeitete.
»›Das ist eine sehr wichtige Sache, Small,‹ sagte er endlich. ›Ihr müßt nicht ein Wort davon gegen irgend jemand äußern; wir sprechen bald weiter davon.‹
»Zwei Abende nachher kamen er und sein Freund, Hauptmann Morstan, in der Stille der Nacht mit einer Laterne in meine Hütte.
»›Ich möchte, Small, daß Hauptmann Morstan hier die Geschichte aus Eurem eigenen Munde hörte,‹ sagte er.
»Ich wiederholte, was ich ihm berichtet hatte.
»›Mir klingt es nicht ganz unwahrscheinlich,‹ bemerkte er. ›Was meinst du, Morstan, soll man der Sache näher treten?‹
»Der Hauptmann nickte.
»›Hört einmal, Small,‹ sagte der Major, ›mein Freund hier und ich haben es miteinander besprochen und wir sind zu dem Schluß gekommen, daß Euer Geheimnis die Regierung im Grunde gar nichts angeht, sondern Eure Privatangelegenheit ist, bei der Ihr natürlich das Recht habt, nach Eurem Ermessen zu handeln. Die Frage ist nun, welchen Preis Ihr dafür verlangen würdet. Wir wären nicht abgeneigt, uns mit der Sache zu befassen, wenn wir über die Bedingungen einig werden können.‹ Er bemühte sich in kühlem, gleichgültigem Ton zu sprechen, aber seine Augen glänzten vor Aufregung und Begierde.
»›Je nun, was das anbetrifft, meine Herren,‹ erwiderte ich, äußerlich ruhig, aber innerlich nicht weniger erregt als sie, ›es giebt nur einen Vertrag, den ein Mann in meiner Lage machen kann. Ich verlange von Ihnen, daß Sie uns zur Freiheit verhelfen, meinen drei Kameraden und mir. Dann werden wir Sie in unsern Bund aufnehmen und Ihnen ein Fünftel zusprechen, das Sie unter sich teilen können.
»›Hm!‹ sagte er. ›Ein Fünftel! Das ist nicht sehr verlockend.‹
»›Es würden fünfzigtausend Pfund auf jeden von Ihnen kommen.‹
»›Aber wie sollen wir Euch frei machen? Es ist ein Ding der Unmöglichkeit, was Ihr verlangt.‹
»›Ganz und gar nicht,‹ erwiderte ich. ›Ich habe es mir bis auf die kleinsten Einzelheiten ausgedacht. Das einzige Hindernis unserer Flucht ist, daß wir kein passendes Boot für die Reise erlangen können und keinen Mundvorrat, der lange genug ausreicht. In Kalkutta oder Madras giebt es kleine Segelboote und Schaluppen in Menge, die sehr gut für unsern Zweck passen würden. Schaffen Sie uns ein Fahrzeug, wie wir es brauchen, hierher; lassen Sie uns bei Nacht an Bord gehen und setzen Sie uns irgendwo an der indischen Küste ab. Dann ist Ihr Teil des Vertrags erfüllt.‹
»›Wenn es sich nur um