Gesammelte Werke. Aristoteles
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80.Aristoteles scheint sagen zu wollen, nach dem Obigen könne es nicht schwer fallen, eine förmliche Definition des Mutes zu geben. Daher dürfte es auch nicht angehen, den Anfang des 3. Absatzes dieses Kapitels: έστι μὲν ου̃ν η ανδρεία τοιου̃τον τι zu übersetzen: »das ist also das Wesen des Mutes«.
81.Mit Mäßigkeit geben wir σωφροσύνη wieder; vgl. oben II. Buch, 7. Kapitel, Anm. 48; wobei wir uns freilich der Inkongruenz der Begriffe wohl bewußt sind. Unter unvernünftigem Seelenteil ist nach I, 13 das sinnliche Strebevermögen zu verstehen, das im Menschen der Vernunft gehorchen soll und so an der Tugend teil haben kann. Die Mäßigkeit kommt gegenüber den Dingen zur Geltung, die das menschliche Leben erhalten, sei es das individuelle, sei es das der Gattung, also gegenüber dem, was der Ernährung und Fortpflanzung dient; der Mut seinerseits zeigt sich gegenüber den Dingen, die das Leben mit Zerstörung bedrohen. Man bemerke aber, daß beide, Mäßigkeit und Mut, es mit solchen suchenden und fliehenden Strebungen zu tun haben, die uns mit den unvernünftigen Tieren gemeinsam sind. Denn auch bei ihnen findet sich der Zug zur Befriedigung des Nahrungs- und Geschlechtstriebes und die Flucht vor dem Tode. Daher ist speziell gesagt, daß Mäßigkeit und Mut die Tugenden des unvernünftigen Seelenteils sind; sie sind es nicht blos mit Rücksicht auf die Affekte, die ja immer die Beteiligung der Sinnlichkeit voraussetzen, sie sind es auch mit Rücksicht auf deren Gegenstände, die auch die Tiere berühren. Gibt es doch Affekte, deren Gegenstände die Tiere nicht berühren, z. B. Ehrgeiz und Habsucht.
82.Aristoteles sagt: »jeder von diesen beiden (auf die mit den Bezeichnungen Ehrgeiz und Wißbegierde hingewiesen worden) freut sich.« – Wenn es heißt, daß von Ehre und Wissenszunahme nicht der Leib, sondern der Geist oder vielmehr das Denkvermögen, die διάνοια, affiziert wird, πάσχει, so ist das so zu verstehen, daß die Ehre und die Wissenschaft vom Verstande, der leidend sein Objekt aufnimmt, erfaßt werden, nicht so, als ob die freudige Erregung über empfangene Ehre oder neu erlangtes Wissen nicht auch sinnlich wäre. Jede Gemütsbewegung setzt die Tätigkeit der ganzen strebenden Kraft im Menschen, der höheren und der niederen, voraus.
83.Das Gefühl sitzt nämlich auch im Schlunde, während der Geschmack nur in der Zunge sitzt.
84.Ilias, XXIV, 129.
85.Die bisher behandelten Tugenden des Mutes und der Mäßigkeit beziehen sich auf die Güter und Übel, die das menschliche Leben direkt erhalten oder zerstören. Die nun zu behandelnden Tugenden beziehen sich auf Güter und Übel zweiter Ordnung, die nicht in derselben Weise zum Leben notwendig sind oder es in Frage stellen, so die Freigebigkeit auf das Geld, das Ehrgefühl auf Ansehen und guten Namen, die Wahrhaftigkeit auf die Erhaltung von Treue und Glauben unter den Menschen.
86.Diese Restriktion geht auf den Mut, vgl. III, 12. Absatz 2.
87.Dieses Nehmen besonders im Unterschied von dem Verschwender.
88.Der Dichter Simonides war wegen seines Geizes berüchtigt. Vgl. Rhetorik II, 16: »Simonides antwortete auf die Frage, ob es besser sei, reich oder weise zu sein, reich; denn er sehe die Weisen in den Vorhöfen der Reichen verweilen.« Ein Philosoph hat freilich einmal auf den Hinweis, daß nicht umgekehrt die Reichen vor den Türen der Philosophen anzutreffen seien, gemeint, die Reichen wüßten nicht was ihnen fehlt, die Philosophen aber wohl.
89.Sie heißt griechisch μεγαλοπρέπεια, lateinisch magnificentia, von μέγας und πρέπειν, wie Aristoteles im 1. Absatz sagt: εν μεγέθει πρέπουσα δαπάνη. Sie ist wohl zu unterscheiden von dem Hochsinn, μεγαλοψυξία, von dem weiter unten gehandelt wird.
90.Worte des Odysseus an Antinous, Odyssee XVII, 419.
91.»Die Bewohner von Megara galten bei den Athenern als kleinstädtische Leute, ohne Geschmack und Sinn für das Angemessene. Die Ausrüstung des Chors in der Komödie sollte an und für sich schon bescheidener sein als die des Chors in der Tragödie. Unter der πάροδος ist wohl das erste Auftreten des Chors, nicht der Zugang, durch den er eintritt, zu verstehen, und πορφύρα ist eher auf die Purpurgewänder als auf purpurne Vorhänge zu deuten«; so Lasson.
92.Diese Tugend heißt griechisch μεγαλοψυχία, lat. magnanimitas. Man begegnet wohl der Auffassung, daß die hier von Ar. gegebene Darstellung des Magnanimus einen spezifisch heidnischen, unchristlichen Geist verrate. Der Magnanimus unseres Philosophen soll nichts von christlicher Demut, bescheidener Dankbarkeit, schlichter Unterwürfigkeit haben. Wir teilen diese Auffassung durchaus nicht. Auch die Behauptung, die vor kurzem in einer philosophischen Zeitschrift zu lesen war, Thomas von Aquino habe den aristotelischen Begriff des Magnanimus im christlichen Sinne verbessert, scheint mir verkehrt. Das Gegenteil dürfte der Fall sein. Man lese nur in dem reifsten Werke des Aquinaten, der theologischen Summa, die 129. Quästion der secunda secundae, besonders Artikel 3. Daß man für alles Gute, was man hat, Gott die Ehre geben muß, ist ja wahr, aber mit der Darstellung des Ar. auch gut vereinbar.
93.d. h. er hält sich für würdiger, als er ist; nicht aber (notwendig) für würdiger, als es der Hochgesinnte ist.
94.»Achill bei Homer (Ilias I, 394 ff.) will, daß seine Mutter Thetis dem Zeus die großen Dienste, die sie ihm geleistet und die er daselbst aufzählt (v. 395–407) ins Gedächtnis rufe, um ihn dadurch zu bewegen, ihres Sohnes verletzte Ehre zu rächen. Aber die klügere Mutter geht bei ihrer Zusammenkunft mit dem höchsten Gotte über diesen Punkt mit bescheidener Andeutung (Ilias I, 503) hinweg und legt das Hauptgewicht auf Zeus' Macht und Gerechtigkeit, die nicht zulassen würden, daß sie »allein verachtet unter den Göttinnen dastehe«. So Stahr, S. 134, Anm. 17.
95.Die Lacedämonier wandten sich an die Athener um Hilfe gegen Theben und beobachteten dabei das angegebene Verfahren.
96.Griechisch ακρόχολοι, von άκρος, extrem.
97.Gr. χαλεπός, daher χαλεπαίνω, ich zürne schwer oder heftig; lat. difficilis, asper.
98.Vgl. II. Buch, 9. Kapitel, Anm. 55.
99.Der