Mami Staffel 2 – Familienroman. Gisela Reutling
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Читать онлайн книгу Mami Staffel 2 – Familienroman - Gisela Reutling страница 21
»Auf deine Verantwortung?« fragte Marlon gedehnt.
Seine Feigheit war geradezu abstoßend.
»Kein Problem«, antwortete Christof achselzuckend. Der Gedanke, man könne ihn wegen Kindesentführung anklagen, streifte ihn kurz und ließ ihn seltsam unbeteiligt. Marlon war kein Verlaß. Im Gegenteil. Um sich vor seinem Vater reinzuwaschen, würde er leugnen und Meineide schwören und notfalls den Zeugen der Anklage spielen.
Egal, dachte Christof, wenn ich nur endlich, endlich den Weg in diesen verfluchten Patio finde!
*
»Das war knapp«, sagte die alte Ärztin in der Notaufnahme des Städtischen Krankenhauses, »ich verstehe Sie nicht, junger Mann! Jeder Analphabet weiß, daß man ein kleines Kind nicht ungeschützt der Sonne und den Moskitos aussetzt. Sie dagegen haben eine gute Bildung genossen, und aus einer Wellblechhütte kommen Sie auch nicht. Ist das Ihr Kind?«
»Nein, Doctora.«
»Ist es Ihrer Obhut anvertraut worden?«
»Ja, sozusagen —«
»Ich werde den desolaten Zustand des Kindes schriftlich festhalten.«
»Ach ja, bitte.«
»Und einen Bericht anfertigen«, schloß die Ärztin grimmig, »Ihre Personalien haben Sie bei der Anmeldung angegeben?«
Christof nickte eifrig.
Je mehr Wirbel hier gemacht wurde, um so besser. Eine glaubwürdigere Zeugin als diese aufgebrachte Ärztin in der Notaufnahme des Krankenhauses konnte er sich nicht wünschen.
»Wir sind voll belegt«, bemerkte sie ärgerlich, »trotzdem muß das Kind mindestens drei Stunden hierbleiben, damit ich die Wirkung der Kalciumgaben abwarten kann. Mein Gott, konnten Sie denn nicht besser achtgeben! Nicht zum ersten Mal ist das passiert! Hier – sehen Sie die verschorften Kratzwunden am Hinterkopf? Dieses Kind wird nicht mehr lange in Ihrer Obhut sein!«
Christof verkniff sich jede Erklärung.
Solange er als der Übeltäter galt, würde Frau Doktor den Fall unnachsichtig ahnden. Ob sie es auch dann täte, wenn sie damit den Guzmans nahetreten müßte, schien ihm nicht ganz so sicher.
Erst brauche ich einen schriftlichen Bericht, dachte Christof, danach kann ich meine Karten offen auf den Tisch legen.
Drei Stunden später verließ er das Krankenhaus.
Miguel, dessen Köpfchen gesalbt und mit einem weißen Leinenhäubchen bedeckt war, lag mit weit offenen Äuglein in seiner rechten Armbeuge.
Die Dunkelheit sank, als sie in den Fond eines Taxis stiegen.
»Jetzt fahren wir zwei erst einmal nach Hause«, raunte Christof, »na, was hältst du davon?«
Das Kind musterte ihn mit grüblerischem Blick, als lausche es einem fernen Echo nach.
»Bei dem Streß, den du heute hattest«, fuhr Christof mitfühlend fort, »kann ich nicht erwarten, daß du mich wiedererkennst.«
Der Taxifahrer drehte sich um und warf seinem Fahrgast einen Blick voll milder Neugier zu.
»Ob der Kleine versteht, was Sie sagen, Senor?«
»Bestimmt nicht jedes Wort, aber vielleicht den Sinn.«
»Auch wahr«, stimmte der Fahrer bedächtig zu, »wenn wir nicht mit ihnen reden, wie sollten sie dann jemals lernen zu sprechen.«
In diesem Moment veränderte sich Miguels Ausdruck. Seine matten Züge belebten sich. Der Abglanz eines Lächelns erhellte sein Gesichtchen.
Christof mußte ein trockenes Schluchzen unterdrücken.
»Siehst du, so geht es immer«, flüsterte er, das Kind fest an sich drückend, »wenn ich traurig bin, habe ich trockene Augen, aber wenn ich mich ganz schrecklich freue, kommen mir regelmäßig die Tränen.«
In der Caille Trinidad stellte Kati gerade einen Korb mit Gemüse ab.
Sie wühlte in ihrer Tasche nach dem Schlüssel, ignorierte das ankommende Taxi und schloß die Haustür auf.
Es war schon nach sechs. Der Tag war lang und anstrengend gewesen. Außer dem Unterricht hatten die schulärztlichen Untersuchungen stattgefunden und etliche Elterngespräche.
Das Taxi hielt minutenlang und fuhr wieder ab.
»Hallo, Professora!« rief eine wohlbekannte Stimme. »Könntest du mir mal grade etwas abnehmen? Nur für ein paar Minuten.«
Kati schob den Korb ins Haus, drehte sich um und sah Christof mit einem Bündel über der Schulter auf sich zukommen.
Sie stand unschlüssig da, die Hände in die Hüften gestützt, stirnrunzelnd in die Dunkelheit starrend.
Plötzlich stieß sie einen unartikulierten Schrei aus, der Chico hinter einer Hecke hervorstürzen ließ.
»Miguel! Das ist ja mein Miguel! Um Gottes willen – was hat er denn? Ist er verletzt? Gib ihn mir bitte, Christof!«
»Ungern, äußerst ungern! Wir hatten uns gerade aneinander gewöhnt.«
Ganz kurz hielten sie sich umschlungen, alle drei, bis Kati den Kopf hob und einen gehetzten Blick in die Runde warf.
»Das ist doch nicht mit rechten Dingen zugegangen! Komm sofort ins Haus, damit uns niemand sieht!«
»Du meinst, ich hätte Miguel entführt?«
»Ja – nein – ich bin ganz durcheinander. Hauptsache, wir haben ihn wieder. Alls andere ist mir egal.«
Einträchtig ließen sie sich auf dem Sofa nieder.
Wie die heilige Familie, ging es Christof flüchtig durch den Sinn.
»Miguel«, flüsterte Kati, »mein armes Schätzchen! Du siehst ja ganz mitgenommen aus. Aber warte nur, das kriegen wir wieder hin. Alles wird gut, alles! Das verspreche ich dir.«
Still lag das Kind auf ihrem Schoß. Kein Schimmer des Erkennens lag in seinen tiefernsten großen Augen.
Mit brüchiger Stimme begann Kati ein Lied zu summen.
Ein Weihnachtslied. Kling Glöckchen, klingelingeling.
Da schien sich etwas zu regen.
Ein Händchen hob sich träumerisch. Ein Füßchen wippte zaghaft im Takt. Endlich, nach einer Ewigkeit von zehn Minuten, verklärte sich das kleine Gesicht zu einem Lächeln.
»Die Sonne geht auf«, murmelte Christof.
Kati legte ihre tränennasse Wange auf seine Schulter.
»Du hast ihn wiedergebracht. Das vergesse ich dir nie, und wenn ich hundert Jahre alt werde!«
»Großartig!