Mami Staffel 2 – Familienroman. Gisela Reutling
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Dann machten sie sich gemeinsam auf den Weg zu den kleinen Geschäften und dem großen Einkaufszentrum, wo es von Menschen wimmelte, dann überquerten sie die breite Straße, besuchten die schöne, kühle alte Kolonialkirche, in der gerade eine Taufe stattfand, und kehrten zurück in die vergleichsweise ruhige Umgebung der Wohnanlage mit den schmalen, von Araukarien gesäumten Wegen und den gepflegten Vordergärtchen.
Auf Anraten Serafinas hatten sie eine Tageszeitung gekauft, fast so dick wie ein Buch, mit vielen, leicht verschwommenen, bunten Bildern und unzähligen Anzeigen. Nichts, so erklärte Serafina, bringt einem Menschen die neue Heimat und die Umgangssprache so nahe wie die Tageszeitung. Noch effizienter erschien ihr das Fernsehprogramm, aber in Katis Behausung in der Caille Santa Trinidad Nummer 12 gab es aus unerfindlichen Gründen keinen Fernseher.
Nebenan, bei Don Christof, teilte Serafina ihrer neuen Schutzbefohlenen mit, könne sie, wenn sie wolle, sicher ab und zu wenigstens die Nachrichten sehen. Er nämlich habe sich einen Apparat gekauft, noch dazu einen tragbaren, der leicht überallhin mitzunehmen sei. Sogar an den Strand. Allerdings nicht auf einem Motorroller.
Aber manchmal verfüge Don Christof über ein Auto von der Botschaft. Sollte Kati etwas zu transportieren haben, würde er das sicher gern für sie erledigen.
Kati bedankte sich für die Information, hoffte jedoch zuversichtlich, ohne Don Christofs Hilfe auszukommen, jedenfalls vorläufig, und sah Serafina zu, die ein halbes Dutzend kleine grüne Bananen in einer großen Pfanne briet.
Sie schmeckten zuckersüß und waren so sättigend, daß Kati den Gemüseeintopf, der gleichzeitig fertig war, später in den Kühlschrank stellte für den nächsten Tag, den Sonntag, an dem Serafina frei hatte.
Abends um sechs Uhr landete ein Ping-Pong-Bällchen im Patio, das an die Happy Hour bei Nachbar Christof erinnerte, woraufhin sich Kati in einen langen Rock mit Bluse und Westchen warf und hinüberging. Sie fand ein kleines Grüppchen internationaler Jugend vor, bunte Vögel aus aller Herren Länder, die um acht Uhr abends loszogen zum Steak-Essen in einer Hazienda.
»Komm doch mit!« rief Christof.
Kati schüttelte entschieden den Kopf.
»Warum denn nicht?«
»Ich gehe doch nicht in ein Restaurant, wenn ich den ganzen Kühlschrank voll leckerer Sachen habe!«
Christof runzelte verdutzt die Stirn.
»Wenn du das so siehst, wirst du in Montelindo nie anderswo essen als zu Hause. Serafina wird dich immer mit allem versorgen! Sie ist eine Weltmeisterin im Kochen!«
Kati zuckte die Schultern, winkte der Gruppe zum Abschied zu und fiel im Hinausgehen fast über den Motorroller, der mitten im Wohnzimmer stand.
Höchste Zeit, daß ich hier wegkomme, dachte sie, ich bin ja schon leicht benebelt. Nach nur zwei Drinks! Aber die hatten es in sich! Meine Güte! Das scheint ja eine trinkfeste Bande zu sein! Im Vergleich dazu bin ich überhaupt nicht im Training!
In dieser Nacht schlief Kati so fest, daß sie weder die Rückkehr der feucht-fröhlichen Gesellschaft hörte noch die Klopfgeräusche an ihrer Wohnzimmerwand. Dafür war sie am Sonntagmorgen gegen acht Uhr so ausgeruht und munter, daß sie beschloß, in die Kirche zu gehen und eine Messe zu erleben. Anschließend, da alle Geschäfte offen waren, kaufte sie sich ein Eis, zwei kleine Brötchen und ein buntes Stirnband. Dann schlenderte sie gemächlich nach Hause.
*
»Hallo, Professora!« rief eine krächzende Stimme aus dem Nachbarpatio.
Kati, die reglos an ihrem runden Eßtisch über der aufgeschlagenen Zeitung saß, hob unwillig den Kopf.
»Nur der Ordnung halber«, gab sie knapp zurück, »ich bin Grundschullehrerin, nichts weiter!«
»Egal. Hier werden alle Lehrer mit Professor angesprochen. Warum bist du denn so grantig, hm? Du hast doch gar keinen Grund dazu!«
»Woher willst du das wissen?«
»Weil du garantiert keinen Kater hast!«
»Du vielleicht?«
»Und ob! Ich habe mir gerade einen Tomatensaft mit Salz und Pfeffer gegönnt und einen heiligen Eid abgelegt!«
»Ach wirklich? Welchen denn?«
»Keinen Rum mehr zu kaufen, keine Cocktails mehr zu mischen und keine Happy Hour mehr zu veranstalten, zumindest keine, die länger als zwei Stunden dauert.«
»Ein löblicher Vorsatz! Wie oft hast du ihn schon gefaßt?«
»Mehrmals, ich gebe es zu, und meistens am Sonntag nach dem Aufwachen. Aber diesmal mache ich Ernst damit. Ehrlich. Sag mal, was treibst du eigentlich?«
»Ich lese die Zeitung.«
»Du hast nicht zufällig trockenes Brot im Haus?«
»Nur ein Brötchen und Toastbrot. Warum? Verträgt dein Magen nichts anderes?«
»Du sagst es.«
»Kommst du über die Mauer oder durch die Vordertür?«
»Frühsport steht heute nicht auf meinem Programm«, war die resignierte Antwort, »einen Klimmzug über die Zwei-Meter-Hürde würde ich auch gar nicht schaffen.«
»Schäm dich«, sagte Kati, stand auf und ging zur Vordertür.
Er trug pludrige bunte Baumwollhosen, ein ärmelloses rotes Shirt und ein Glas mit roter Flüssigkeit in der Hand.
»Aha, der Tomatensaft«, bemerkte Kati.
»Wenn ich ihn in deiner Gesellschaft trinken dürfte? Da schmeckt er zwar auch noch herb genug, aber so – ganz allein – kriege ich ihn überhaupt nicht runter«, murmelte Christof und schob sich durch die Tür.
Mit unverhüllter Neugier musterte er die winzigen Veränderungen, die Kati im Wohnzimmer vorgenommen hatte: eine dicke, blaue Kerze in einem Keramikleuchter stand auf der steinernen Fensterbank, zwei runde Kissen mit Sonnenmuster hellten das graue Sofa auf und eine kleine Fotosammlung in bunten Rahmen füllten das Ecktischchen.
»Du hast dich ja schon richtig häuslich eingerichtet«, stellte er anerkennend fest, »in zwei Tagen sieht es bei dir ja wirklich wohnlicher aus als bei mir nach zwei Jahren.«
»Ich brauche eben keinen Motorroller unterzubringen.«
»Richtig! Ich wünschte, ich hätte eine Garage! Wenn ich das Ding vor der Haustür abstelle, ist es binnen vierundzwanzig Stunden geklaut.«
»Na komm«, sagte Kati gnädig, »setz dich in mein Freiluft-Eßzimmer und iß ein trockenes Brötchen zu deinem schauderhaften Gemüsegebräu.«
Christof tat, wie ihm geheißen, schob die Zeitung beiseite und stellte sein Glas auf der blauen Tischdecke ab.
»Du kannst schon Spanisch lesen?«
»Mehr schlecht und recht. Serafina meint, es wäre eine