Mami Staffel 2 – Familienroman. Gisela Reutling
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So leicht lasse ich mich nicht unterkriegen! dachte Kati und beugte sich über die schmuddelige Lehne. »Ich möchte in die Caille Trinidad Nummer zwölf. Kennen Sie übrigens das Waisenhaus? Waren Sie da schon einmal drin?«
»Ach ja, Senora«, er lächelte melancholisch und gab Gas, »lange genug. Von meinem dritten bis zu meinem dreizehnten Lebensjahr!«
*
»Irgend etwas stimmt da nicht«, sagte Dona Dolores mit bebender Stimme, »ich habe es sofort gemerkt! Diese junge Deutsche kam mir verdächtig vor!«
»Und sie hat sich wirklich auf mich berufen?« fragte Herta Hersfeld zweifelnd.
»Ja, so wahr ich hier stehe! Es ist erst eine halbe Stunde her. Sie hatte diesen scharfen, kontrollierenden Blick, den sie durch den Türspalt ins Babyzimmer wandern ließ. Sie wissen ja, wie sehr ich mich vorsehen muß. Es gibt immer undurchsichtige Elemente, die sich an unsere Kinder heranmachen. Der Menschenhandel blüht nach wie vor, auch wenn einzelne Fälle nicht mehr bekannt werden.«
»Ich weiß, ich weiß«, murmelte Herta Hersfeld und angelte nach ihrer Kaffeetasse, »aber da die junge Frau sich so ungeschickt verhalten hat, besteht die Hoffnung, daß sie nicht viel kriminelles Potential besitzt. Trotzdem werde ich der Sache nachgehen, Dona Dolores. Sie können sich darauf verlassen.«
»Wie ich schon sagte«, wisperte Dona Dolores, »außer Ihnen hat sie die deutsche Schule erwähnt. Aber vielleicht weiß man dort auch nichts.«
Herta Hersfeld legte den Hörer auf, seufzte und warf einen Blick auf die goldenen Ziffern der kleinen alten Pendulen-Uhr, die unter ihrem Glassturz tickte.
Halb drei. Immer noch Siesta-Zeit in Montelindo.
Noch dazu war es Samstag, und jedem galt das Wochenende als heilig.
Aber Dona Dolores war ebenso hartnäckig wie mißtrauisch. Nicht zuletzt deshalb stand sie dem Waisenhaus seit zwanzig Jahren vor. Spätestens heute abend würde sie sich wieder melden mit der Frage, was die Leitung der deutschen Schule zu dem seltsamen Auftritt der jungen Frau in der Casa de Santa Monica geäußert hatte.
Herta Hersfeld stand auf, um die Kaffeemaschine noch einmal anzuwerfen, ein Gerät, das außer ihr und dem Botschafter kein Mensch in Montelindo besaß.
Auch die Tatsache, daß sie ein Apartment im ersten Stock eines Geschäftshauses bewohnte, war untypisch für eine Frau ihres Alters und ihres Standes. Normalerweise hätte sie in einer Villa mit Schwimmbad logieren und mindestens zwei Dienstboten beschäftigen müssen. Aber über all diese gesellschaftlichen Zwänge war Herta Hersfeld schon lange hinaus.
Der große Wohnraum, mit Antiquitäten und Erinnerungsstücken ausgestattet, diente ihr als Büro, die Terrasse mit üppig rankenden blühenden Pflanzen als Sitzplatz. Küche, Bad und Schlafzimmer lagen hinter einem bogenförmigen Durchgang.
Die Wohnung war leicht zu bewirtschaften, bedurfte außer einer Zugehfrau keines Personals und lag in unmittelbarer Nähe des großen Einkaufszentrums. Herta Hersfeld in ihrem fünfundfünfzigsten Jahr weinte dem verschachtelten Hanghaus mit seinen undurchdringlichen Gärten, das sie früher bewohnt hatte, keine Träne nach.
In ein bequemes weites Gewand aus braunem Leinen gekleidet, das ihre hagere Gestalt bis zu den Waden umhüllte und nur am Halsausschnitt eine schmale Stickereiborte aufwies, ging Herta, die Kaffeetasse in der Hand, ungeduldig vor ihrem Schreibtisch auf und ab. Ihr dichtes, erdbraunes Haar war kurz geschnitten, ihre bernsteinfarbenen Augen blickten von Zeit zu Zeit auf die Uhr.
Na endlich! Halb vier. Jetzt durfte man es wagen, die Knobels anzurufen, ohne allzu unhöflich zu erscheinen.
»Das kann nur unsere neue Junglehrerin gewesen sein«, meinte Erich Knobel bedächtig, nachdem ihm Herta den Sachverhalt erklärt hatte, »schade, daß meine Frau gerade beim Frisör ist. Sie könnte Ihnen genauer Auskunft geben. Wir haben schon versucht, Katharina von allen Aktivitäten abzubringen, die sie sich in den Kopf gesetzt hat – ohne Erfolg, wie ich nun festellen muß.«
»Katharina?«
»So heißt sie. Katharina Busch. Jung, idealistisch, frisch aus der Heimat importiert – sie kann sich mit den Gegebenheiten noch nicht abfinden. Aber sie wird es lernen, wie wir es alle gelernt haben. Keinesfalls steckt irgendeine unlautere Absicht hinter ihrem Besuch in der Casa de Santa Monica. Das kann ich Ihnen guten Gewissens versichern. Wollen Sie vielleicht selbst mit ihr sprechen?«
»Nicht unbedingt«, sagte Herta zögernd.
»Es könnte hilfreich sein, Frau Hersfeld.«
»Nun, da sie sich auf mich bezogen hat, ohne mich auch nur zu kennen, wäre es tatsächlich angebracht. Wer weiß, was sie sich noch einfallen läßt!«
Erich Knobel ließ ein unbehagliches Lachen hören.
»Also damit brauchen wir wohl nicht zu rechnen. Trotzdem will ich gern veranlassen, daß sie sich bei Ihnen meldet.«
»Das kann nicht schaden«, erwiderte Herta trocken, »ich wünsche Ihnen ein schönes Wochende, und grüßen Sie Ihre Frau von mir!«
Gegen sechs Uhr, als Herta Hersfeld das Haus verließ, um sich ein paar frische Tortillas an der Ecke zu kaufen, sah sie ein Mädchen in der Passage stehen und ein halbes Dutzend Klingelknöpfe studieren, die ohne Namensschilder in eine große, polierte Steinplatte eingelassen waren.
Herta ging hinüber zu dem offenen Öfchen, plauderte ein bißchen mit der Tortilla-Bäckerin, ließ sich einen kleinen Stapel der heißen Fladen einpacken und traf das Mädchen immer noch vor der geschlossenen Eingangstür in der Passage an.
Herta steckte den Schlüssel ins Schloß und hielt plötzlich inne, weil ihr ein Gedanke kam.
»Suchen Sie jemanden?« fragte sie auf Deutsch.
Das angespannte junge Gesicht strahlte auf vor Erleichterung.
»Ja – ich suche Dona Herta Hersfeld.«
»Sie haben sie gerade gefunden«, sagte Herta gelassen, »normalerweise empfange ich keine Besuche ohne vorherige telefonische Anmeldung.«
»Oh, das tut mir leid, ich hatte Herrn Knobel so verstanden, daß ich Sie sofort aufsuchen soll.«
»Aha. Sie sind also die junge Lehrerin, die sich im Waisenhaus auf mich berufen hat!«
»Ich bin Katharina Busch«, stammelte das Mädchen, das ein blaues, mit Sternen besätes Kleid trug, »Sie können mich gern Kati nennen!«
»Na, dann herein mit Ihnen«, sagte Herta und schloß endlich die Tür auf.
»Es stehen keine Namen an den Klingelschildern«, bemerkte das Mädchen verwirrt.
»Aus Sicherheitsgründen.«
»Und Briefkästen gibt es auch keine?«
»Nein, wir haben Postfächer.«
»Ich hätte Sie ja nie gefunden«, murmelte Kati, die steinerne Innentreppe hinauf stolpernd, »wenn Sie nicht zufällig gekommen wären!«
»Nein, gewiß nicht«,