Goethes Briefe an Leipziger Freunde. Иоганн Вольфганг фон Гёте

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Goethes Briefe an Leipziger Freunde - Иоганн Вольфганг фон Гёте

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Stadt, „die zu sehr Antithese von Leipzig ist, um viel Annehmlichkeit für ihn zu haben.“ „Sie haben Recht, meine Freundin, daß ich jetzt für das gestraft werde, was ich gegen Leipzig gesündigt habe,“ heißt es in einem anderen Briefe; „mein jetziger Aufenthalt ist so unangenehm als mein Leipziger angenehm hätte sein können, wenn gewissen Leuten gelegen gewesen wäre, mir ihn angenehm zu machen.“ So urtheilte nicht nur der von dem Scheiden aus lieben und gewohnten Verhältnissen schmerzlich ergriffene Jüngling, der „draußen im Reich, in der Frankfurter Hungersnoth des guten Geschmacks“ die feinere, namentlich litterarische Bildung, den freien ungezwungenen Verkehr, besonders mit Frauen, wodurch Leipzig sich auszeichnete, gar sehr vermißte. Als später Goethe von Weimar aus in wiederholten Besuchen seine persönlichen Beziehungen zu Leipzig erneuete, schrieb er (December 1782) an Frau von Stein: „Seit 69, da ich von hier wegging, bin ich nie über ein paar Tage hier gewesen, auch habe ich nur meine alten Bekannten besucht und Leipzig war mir immer so eng wie jene ersten Jahre. Diesmal mache ich mich mit der Stadt auf meine neue Weise bekannt und es ist mir eine neue kleine Welt. — Ich wünschte, mich ein Vierteljahr hier aufhalten zu können, denn es steckt unglaublich viel hier beisammen. Die Leipziger sind als eine kleine moralische Republik anzusehen. Jeder steht für sich, hat einige Freunde und geht in seinem Wesen fort, kein Oberer giebt einen allgemeinen Ton an und jeder produzirt sein kleines Original, es sei nun verständig, gelehrt, albern oder abgeschmackt, thätig, gutherzig, trocken oder eigensinnig, und was der Qualitäten mehr sein mögen. Reichthum, Wissenschaft, Talente, Besitzthümer aller Art geben dem Ort eine Fülle, die ein Fremder, wenn er es versteht, sehr wohl genießen und nutzen kann. Er muß sich nur im Allgemeinen halten, und keinen Antheil an ihren Leidenschaften, Händeln, Vorliebe und Abscheu nehmen. Es leben hier einige Personen im Stillen, die, wenn ich so sagen darf, vom Schicksal in Pension gesetzt worden sind, von denen ich großen Vortheil ziehen würde, wenn es mir die Zeit erlaubte. Von dem allgemeinen Betragen gegen mich kann ich sehr zufrieden sein. Sie bezeigen mir den besten Willen und die größte Achtung, dagegen bin ich auch freundlich, aufmerksam, gesprächig und zuvorkommend gegen Jedermann.“ Und so ist Goethe nicht nur mit den in jenen Studienjahren ihm bekannt und vertraut gewordenen Personen in Verkehr geblieben, bis in die letzte Zeit haben Leipzigs bedeutende Männer — ich darf nur Gottfried Herrmann, Friedrich Rochlitz, Blümner nennen — ihm nahe gestanden. Freilich erging das Strafgericht der Xenien auch über Leipzig, und er fand auch wohl gelegentlich, daß bei Anwesenheit der Catalani sich die Leipziger absurd benahmen, und meinte, „es thäte Noth, daß man solchem verfluchtem Volke die Gaben Gottes in Spiritus aufhübe, damit sie solche, bei Gelegenheit vergleichen und eine der anderen unterordnen könnten;“[1] allein nicht lange vorher war er eifrig bemüht, die von Quandt hier aufgefundenen altdeutschen Gemälde, welche jetzt unser städtisches Museum schmücken, ihrem wahren Werth nach in weiteren Kreisen bekannt zu machen.[2] Überhaupt fühlt man leicht in so manchen kleinen Zügen die Theilnahme und Freude, mit welcher Goethe die Erinnerung an seinen Leipziger Aufenthalt wieder auffrischt und auf alles überträgt, was Leipzig angeht.

      Bei einer Feier, welche seinem hundertjährigen Geburtsfest gilt, werden wir vor allem uns Goethe in Leipzig vergegenwärtigen wollen. Dies Bild zeigt uns zwar nicht den Mann in seiner vollendeten Kraft, nicht den Dichterfürsten im vollen Glanze seines Ruhmes, sondern den strebenden Jüngling, der die ersten Schritte auf seiner langen Siegesbahn beginnt, allein es zeigt uns schon den ganzen Goethe. Was uns bei der Betrachtung Goethes mehr als alles andere mit Staunen erfüllt, das ist die wunderbare Einheit und Kraft seiner Natur, welche ihn jede Stufe menschlicher Entwickelung so ganz voll und rein durchleben und darstellen ließ. Wer nicht beim Greise das rasche Feuer der Jugend, beim Jüngling die erfahrene Weisheit des Alters erwartet, vom Manne nicht stürmischen Übermuth, vom Jüngling nicht besonnene Sicherheit fordert, wer unbefangen die Schranken erwägt, welche der menschlichen Natur in ihrer Ausbildung gesetzt sind: dem wird Goethe von der Jugend bis ins hohe Greisenalter als ein Typus naturgemäßer Entfaltung einer großen und reichen Menschennatur erscheinen. Wäre zu unserer Zeit im Volke noch die dichterische Kraft schöpferisch lebendig, gewiß wäre Goethe durch die Sage zu einem Bilde des deutschen Geistes in seinen edelsten Richtungen verklärt worden: jetzt hat der Dichter selbst uns mit seltener Unbefangenheit und Klarheit sein eigenes Abbild entworfen. Wäre es die Aufgabe des Redners, mit Goethes Meisterwerk einen Wettkampf einzugehen, wer möchte sie übernehmen? Allein vergessen wir nicht, daß der reife Mann seine Jugend schilderte, auf deren Streben und Irren er mit Gelassenheit zurücksah, und daß diese Schilderung den Stempel einer Ruhe trägt, nach welcher jene Zeit vergebens rang. Versuchen wir daher, aus den leider nur spärlichen Nachrichten, welche uns aus jener Zeit in unmittelbarer mündlicher und schriftlicher Überlieferung grade hier zu Gebote stehen, uns eine anschauliche Vorstellung der Personen und Verhältnisse zu bilden, unter denen Goethe hier gelebt hat, und welchen Einfluß sie auf ihn gewonnen haben. Auch das unbedeutendere, das für ihn selbst später das Interesse verloren haben mochte, wird in diesem Zusammenhang einige Aufmerksamkeit verdienen.

      Goethe befand sich, da er die Universität bezog, in einem eigenthümlichen Zwiespalt. Sein Vater sah zwar seine dichterischen und künstlerischen Beschäftigungen als einen wohlanständigen Zeitvertreib in Mußestunden mit Wohlgefallen und beförderte selbst, daß er sie gründlich trieb; als Hauptstudium aber hatte er für ihn die Jurisprudenz bestimmt und ihn selbst auf dieselbe vorbereitet. Der Sohn aber fühlte sich von der Rechtswissenschaft in keiner Weise angezogen; sich allein zum Dichter auszubilden kam ihm freilich nicht in den Sinn, seine Neigung führte ihn zu gründlicher Erforschung des Alterthums, und deshalb hatte er nach Göttingen zu gehen und in Heyne's und Michaelis Schule sich zu begeben gewünscht. Allein der Vater bestand auf Leipzig. Ihm, dem strengen, pedantisch abgemessenen Mann, von seinem Vorhaben zu sagen, wagte Goethe nicht; der erste Gebrauch, den er von seiner akademischen Freiheit machen wollte, sollte der sein, sich von der Jurisprudenz

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