Goethes Briefe an Leipziger Freunde. Иоганн Вольфганг фон Гёте
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Freilich fesselte Käthchen, wie sie im vertrauten Kreise genannt wurde, oder, wie sie mit vollem Namen hieß, Anna Katharine ihn an das Haus. Sie war am 22. August 1746 geboren, drei Jahr älter als Goethe, ein hübsches Mädchen, von mittler Größe und schönem Wuchs, mit einem vollen, frischen Gesicht, braunen Augen, klug und aufgeweckt, heiteren, munteren Sinnes und von einfachem, warmem Gemüth. Sie gewann bald des Jünglings leidenschaftliche Liebe, der ihr (23. Jan. 1770) schreiben konnte: „Sie wissen, daß ich, so lange als ich Sie kenne, nur als ein Theil von Ihnen gelebt habe;“ und sie erwiederte dieselbe. Halstuch, Fächer und Schuhe, die er für sie malt, sind hier, wie später in Sesenheim und Weimar, seine Liebesgaben. Sie theilte das Interesse für Poesie, er las ihr vor, auch an seinen eigenen Dichtungen nahm sie Antheil; später meldet er ihr seine Lieder an, die immer noch nicht gedruckt seien. „Lassen Sie Petern ein's spielen, wenn Sie an mich denken wollen.“ Das ruhige Glück dieser gegenseitigen Neigung störte Goethes heftige Eifersucht, durch welche er ohne allen Grund sich und das arme Mädchen fortwährend quälte, und wie oft er es auch bereuete, doch immer von neuem leidenschaftliche Scenen herbeiführte, wodurch er sich das Herz der Geliebten entfremdete. „Heut vor einem Jahr,“ schreibt er am 26. Aug. 1769, „sah ich Sie zum letztenmal. Vor 3 Jahren hätte ich geschworen, es würde anders werden. O könnte ich die dritthalb Jahr zurück rufen. Käthgen ich schwöre es Ihnen, liebes Käthgen ich wollte gescheuter sein.“ Außer vielen andern Gedichten, welche später vernichtet wurden, schrieb er zur eigenen Buße 1768 das Schauspiel, „die Laune des Verliebten,“ in welcher durch die anmuthig zierliche Form, die oft zugespitzte und hie und da geschnitzelte Ausdrucksweise, welche jener Zeit angehört, wie das Schäfercostüm, die volle Wahrheit selbst erlebter Zustände und schwer durchkämpfter Leidenschaft durchleuchtet und heute noch ergreift.[14] Allein jene künstlerische Sühne mochte den Dichter freisprechen, die Neigung der Geliebten konnte sie ihm nicht wiedergeben, er mußte sehen, wie sie sich einem andern zuwandte.
Daß er bei seinem Weggehen die volle Liebe zu Käthchen und die Hoffnung sie einst zu besitzen mit sich fortnahm, ist aus seinen Briefen klar. Jene Bitte wurde erfüllt, Käthchen schrieb ihm, und sogleich antwortete er (1. Nov. 1768) seiner geliebtesten Freundin, die seine ganze Liebe, seine ganze Freundschaft hat, und in einem beigelegten Blatt verbessert er auf ihren Wunsch die orthographischen Fehler, welche sie in ihrem Brief gemacht hatte. Sie war in Sorgen gesetzt um seine Gesundheit, sofort beruhigt er (30 Dec. 1768) seine beste ängstliche Freundin, es gehe ihm besser, er hoffe reisen zu können; wenn er aber dennoch vor Ostern sterben sollte, wolle er sich einen Grabstein auf dem Leipziger Kirchhof verordnen, „dass ihr doch wenigstens alle Jahr am Johannes als meinen Namens Tag das Johannesmännchen und mein Denkmal besuchen möget.“ Einen Monat später (31. Jan. 1769) beklagt er sich bitter, daß er krank und elend und dazu ohne Nachricht von ihr sei. Das war begreiflich, denn Ende Mai gelangte an Horn, der im April von Leipzig zurückgekommen war, die Nachricht von Käthchens Verlobung mit dem Dr. Christ. Karl Kanne, welcher von Goethe selbst eingeführt im Schönkopfschen Hause wohnte,[15] als dessen Gattin sie 1810 (20. Mai) gestorben ist. Während Horn sofort als Schulmeister und Ludimagister einen scherzhaften Gratulationsbrief erläßt, schreibt Goethe am 1. Juni 1769 einen Brief, der Anfangs zwar ruhige Fassung, im weiteren Verlauf aber immer mehr eine gereizte Bitterkeit zeigt, die sich selbst gegen die Geliebte wendet, deren gewissen Verlust er so schwer ertragen kann. Wir erkennen deutlich die Laune des Verliebten in diesem Briefe, die sich in Äußerungen ausspricht wie „Das liebenswürdigste Herz ist das, welches am leichtesten liebt, aber das am leichtesten liebt vergißt auch am leichtesten,“ aber der Ausruf: „Es ist eine gräßliche Empfindung seine Liebe sterben zu sehen!“ zeigt uns, wie tief sein Gemüth ergriffen war. Nach Leipzig werde er nun nicht kommen, da der abgethane Liebhaber eine schlechte Figur als Freund spielen werde; es müsse ihr doch komisch vorkommen, wenn sie an alle die Liebhaber denke, die sie mit Freundschaft eingesalzen habe, wie man die Fische einsalze, wenn man fürchtet, daß sie verderben, doch solle sie die Correspondenz mit ihm nicht ganz abbrechen, da er für einen Pöckling doch immer noch artig genug sei. Auch in den folgenden Briefen spricht sich das schmerzliche Gefühl ihres Verlustes bald mit heftiger Leidenschaftlichkeit, bald in einer ruhig wehmüthigen Stimmung aus, in welcher er in der Ahnung, daß sie schon verheirathet sei, Abschied von ihr nimmt und sie bittet ihm nicht wieder zu antworten. „Es ist das eine traurige Bitte, meine Beste, meine Einzige von Ihrem ganzen Geschlecht, die ich nicht Freundinn nennen mag, denn das ist ein nicht bedeutender Tittul gegen das was ich fühle. Ich mag Ihre Hand nicht mehr sehen, so wenig als ich Ihre Stimme hören mögte, es ist mir leid genug dass meine Träume so geschäfftig sind. Kein Hochzeitgedicht kann ich Ihnen schicken, ich habe etliche für Sie gemacht aber entweder druckten sie meine Empfindung zu viel oder zu wenig aus.“ Allein sie antwortete ihm dennoch und meldete ihm, daß sie noch nicht verheirathet sei — die Hochzeit fand am 7. März 1770 Statt — und daß sie erwarte, er werde auch ferner schreiben, kurz sie setzte ihm den Kopf zurecht. Darauf erwiederte er denn auch (23. Jan. 1770), er werde ihr schreiben, weil sie es verlange. Dieser Brief ist in einem heitern Humor geschrieben, in dem man den Wiederschein ihrer Liebenswürdigkeit erkennt, aber nicht minder ein tief schmerzliches Gefühl über ihren Verlust. Er zeigt ihr an, daß er ruhig lebe und frisch und gesund und fleißig, denn er habe kein Mädgen im Kopf, und daß er nun nach Straßburg gehen werde; dort werde sich seine Adresse verändern wie die ihrige und es werde auf beide etwas vom Doktor kommen: „und am Ende wäre doch Fr. Doct. C. und Fr. Doct. G. ein herzlich kleiner Unterschied.“ Er schrieb nicht wieder, in Straßburg verdrängte Friederike die letzte schmerzliche Erinnerung und fesselte ihn ganz; aber als er sie eben hatte kennen lernen, da dachte er in der glücklichsten Stimmung an alle die ihn liebten „und auch sogar an Käthchen, von der ich doch weiß, daß sie sich nicht verläugnen wird, daß sie gegen meine Briefe sein wird, was sie gegen mich war.“ Und bei seinem ersten Besuch in Leipzig (1776) suchte er auch sogleich „sein erstes Mädgen“ auf. „Alles ist wie's war, nur ich bin anders“ schrieb er an Fr. v. Stein, „nur das ist geblieben, was die reinsten Verhältnisse zu mir hatte damals — Mais ce n'est plus Julie.“[16]