Mami Bestseller Staffel 1 – Familienroman. Marianne Schwarz
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Sie schaute zu Annikas Mutter hinüber. »Das meine ich ernst, Gudrun. Ich würde Sie wirklich gern entlasten, wenn Sie mich brauchen können.«
»Danke, Frau Werth, das ist gut gemeint. Aber haben Sie denn nicht genug eigene Probleme? Ihre Schwangerschaft macht Fortschritte, später müssen Sie sich dann um Ihr eigenes Kind kümmern. Und haben Sie nicht auch gesagt, daß Sie berufstätig sind?«
»Ja«, nickte Dorothee versonnen, denn ihr war da gerade eine Idee gekommen. Eine verrückte Idee, wie sie selbst fand, aber diese Idee schien sich in ihrem Kopf festsetzen zu wollen. »Ja«, fuhr sie wie geistesabwesend fort, »ich mache Übersetzungen, freiberuflich, und ich denke daran, diese Arbeit auszuweiten, die Chancen sind gut.«
Dann sprach sie nicht weiter, spielte selbstvergessen mit dem weißen Hasen, den Annika auf ihrem Schoß zurückgelassen hatte, während sie selbst jetzt eifrig in ihrer großen Spielzeugkiste in der Ecke des Zimmers kramte.
»Mir ist da gerade ein Gedanke gekommen, Gudrun«, sagte Dorothee zögernd. »Ein vielleicht dummer Gedanke auf den ersten Blick, das gebe ich zu, aber trotzdem…« Sie sah die junge Frau offen an. »Sie sind mir sehr sympathisch, Gudrun. Sie waren es sofort, als ich in die Praxis kam. Das hat man wohl manchmal. Man spürt es, wenn man einen Menschen mag, auch wenn man ihn vielleicht noch nicht richtig kennt. Bei Ihnen ist es mir so ergangen. Und die kleine Annika – na, ihr fliegen bestimmt sofort alle Herzen zu. Aber wie ist es bei Ihnen, Gudrun? Mögen Sie mich leiden?«
»Welche Frage, Frau Werth.« Die junge Frau schien leicht verwirrt. Aber sie fuhr fort: »Das müssen Sie doch auch gespürt haben, daß Sie mir sympathisch sind. Und wie sehr ich mich jetzt über Ihren überraschenden und unerwarteten Besuch gefreut habe.«
»Ja, diesen Eindruck hatte ich tatsächlich«, nickte Dorothee. »Und dieser Eindruck hat wohl auch dazu beigetragen, daß eine solche Idee bei mir überhaupt auftauchen konnte.«
»Was ist das für eine Idee, Frau Werth? Sie machen mich neugierig. Hat das etwas mit mir und Annika zu tun? Wollen Sie darüber reden?«
»Ich denke schon. Sie ist noch völlig unausgegoren, diese Idee. Es wird daran herumgefeilt werden müssen, es wird auch das eine oder andere Problem auftauchen, aber ich denke… ja, wirklich, ich beginne mir vorzustellen, daß es eine gute Idee sein könnte. Vorausgesetzt, Sie erklären mich nicht von vornherein für mehr oder weniger verrückt.«
»Das würde ich doch nie tun, Frau Werth.«
»Na, warten wir es ab.« Dorothee atmete tief durch. »Und hören Sie zu. Sie haben ein Töchterchen. Ich werde auch bald eine kleine Tochter haben. Ja, der Doktor hat es mir verraten, es ist ein Mädchen. Wir sind zwei uneheliche Mütter, wobei Sie ja eigentlich auch meine Tochter sein könnten. Wir müssen beide für unser Kind sorgen. Finanzielle Probleme habe ich im Augenblick nicht, aber ich denke doch daran, mir eine eigene Existenz aufzubauen. Ein Übersetzungsbüro in größerem Stil schwebt mir da vor. Die sprachlichen Voraussetzungen dafür sind bei mir gegeben. Aber mein Kind will ich deswegen selbstverständlich nicht vernachlässigen. Über Ihre Schwierigkeiten haben wir ja bereits gesprochen, Gudrun. Wie wäre es nun – und jetzt kommt meine Idee – wenn wir unsere Schwierigkeiten gewissermaßen in einen Topf werfen würden und sie dann gemeinsam zu meistern versuchten? Annika hat den Anstoß zu diesem meinem Ideengebäude gegeben, und bis jetzt finde ich dieses Gebäude richtig gut. Nein, sagen Sie noch nichts, Gudrun, ich will den Faden noch weiter spinnen. Also, meine jetzige Wohnung ist absolut nicht geeignet für ein Kind. Ich habe schon geplant, mir etwas anderes zu suchen.
Wenn ich nun – nicht in der Stadt, ich möchte gern außerhalb Münchens wohnen – wenn ich da nun ein kleines, gemütliches Haus fände, wo auch genug Platz für mein geplantes Übersetzungsbüro wäre, und wenn wir dort gemeinsam einziehen würden. Sie, Gudrun, mit Annika, und ich mit meinem Kind. Wir könnten einen gemeinsamen Haushalt führen, würden unsere Zeit für die Betreuung der Kinder aufteilen, ich würde mich den Übersetzungen widmen, eventuell mit einer oder zwei Hilfskräften, je nachdem, wie sich die Sache entwickelt… und Sie, Gudrun, Sie könnten Ihr Medizinstudium wieder aufnehmen. Das Finanzielle bekämen wir schon geregelt. Ich sagte Ihnen ja schon, das ist nicht mein Problem. Na, was sagen Sie zu dieser Idee?«
Gudrun blieb erst ganz still. »Das ist wirklich eine atemberaubende Idee«, sagte sie schließlich, nachdem sie sich erst hatte räuspern müssen.
»Atemberaubend – ja«, wiederholte Dorothee. »Aber machbar. Wirklich machbar, Gudrun. Wenn wir es beide wollen.«
»Ich glaube nicht, daß ich nicht will«, sinnierte Gudrun leise. »Aber ich kann unmöglich Ihre finanzielle Hilfe in Anspruch nehmen. Daß ich nicht mehr studieren kann, damit habe ich mich ja schon längst abgefunden. Aber ich könnte vielleicht wieder arbeiten. Wieder als Sprechstundenhilfe. Dann könnte es vielleicht gehen. Aber nein, das ist unmöglich. Bei einem solchen Job habe ich meine festen Arbeitszeiten, Sie wären dann den ganzen Tag mit den Kindern allein, wie wollten Sie dann Ihre eigene Arbeit erledigen? Nein, das ist nicht zumutbar.«
»Als Studentin sind Sie freier, Gudrun. Natürlich müssen Sie auch dann viel arbeiten, wenn Sie etwas erreichen wollen, aber das können Sie zu einem großen Teil zu Hause und auch in den Abendstunden. Dann hätten wir beide mehr Freiheiten.«
»Ja, so gesehen ist das natürlich richtig, aber…«
»Wie gesagt, Gudrun, wir wollen nicht die finanzielle Frage in den Vordergrund stellen, das kriegen wir schon irgendwie noch geregelt.«
Unwillkürlich stand Dorothee auf, begann eine Wanderung durchs Zimmer. Das war eine Angewohnheit von ihr, das machte sie immer, wenn sie ganz konzentriert nachdachte. »Mir geht da noch etwas durch den Kopf, Gudrun«, sagte sie leise. »Das ist vielleicht ein ganz besonders ungeheuerlicher Gedanke, und ich wage kaum, ihn auszusprechen.«
»Nur zu«, ermunterte Gudrun. »Was sollte denn jetzt noch so Ungeheuerliches kommen?«
»Gut, ich will es sagen. Aber, und das müssen Sie mir bitte glauben, ich werde es Ihnen in keiner Weise verübeln, wenn Sie diesen Teil meiner Idee zurückweisen. Das alles ist ja überhaupt erst einmal nur ein Denkanstoß.«
Dorothee atmete noch einmal tief, schien noch einmal kurz nachzudenken, und sagte dann entschlossen: »Mein Problem habe ich Ihnen ja bereits eingestanden. Das Problem, das ich mit meinem Alter habe und damit, mich zu meiner späten Mutterschaft bekennen zu müssen. Irgendwann werde ich das wohl überwinden, aber ganz sicher nicht heute und morgen, und auch nicht bis zum Zeitpunkt der Geburt. Ich werde dieses Problem ernsthaft zu bekämpfen haben und weiß noch nicht wie. Und da ist mir nun diese andere Idee gekommen, gerade eben erst. Wenn wir einen gemeinsamen Haushalt führen würden, mit zwei Kindern, Sie sind die Mutter des älteren Mädchens, ich die Mutter des Säuglings… Wir würden irgendwo wohnen, wo man uns beide noch nicht kennt… und wenn wir dann einfach sagen würden, nur nach außen hin, verstehen Sie… daß Sie die Mutter beider Kinder sind, Gudrun… Das ist verrückt, ich weiß, mehr als verrückt, und ich weiß auch nicht, ob mir die Idee morgen noch gefallen wird… aber im Augenblick finde ich eine solche Vorstellung gar nicht schlecht.«
»Das würde aber auch einen Verzicht für Sie bedeuten, Frau Werth.«
»Nur nach außen hin, Gudrun, nur nach außen hin. Ich weiß ja, daß ich die Mutter bin, und Sie wissen es auch. Und bis meine Kleine Mama sagen kann, bin ich vielleicht vernünftig geworden. Ich hoffe es sehr. Aber im Augenblick… Sie haben noch gar nicht gesagt, daß Sie das als ungeheure Zumutung empfinden, Gudrun.«
»Nein, ich empfinde es