Leni Behrendt Staffel 4 – Liebesroman. Leni Behrendt
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Es war an einem sonnigen Tag im Oktober, als Lenore ohne ihre treue Begleiterin den Wiesenpfad hinauf zum Friedberg stieg. Denn Ilga fühlte sich nicht wohl, klagte über Kopf- und Halsschmerzen.
»Ausgerechnet heute muß das sein«, sagte Lenore. »Wo Ralf doch Geburtstag hat und ich ihm anstandshalber gratulieren muß.«
»Anstandshalber ist gut«, lachte Gertraude, dabei mit der Tochter einen verschmitzten Blick wechselnd. »Also, sei anständig und bemühe dich zum Friedberg hinauf.«
»Muß das wirklich sein, Tante Gertraude?«
»Und wie das sein muß, mein Herzchen. Geh schon vor, in einer Stunde komme ich nach.«
»Warum kommst du eigentlich nicht mit mir?«
»Weil ich noch etwas Dringendes zu erledigen habe. Nun hopp, ab mit dir, sonst werde ich böse!«
So blieb denn Lenore nichts anderes übrig, als sich allein auf den Weg zu machen.
Im Friedberger Herrenhaus fand sie bereits eine ganz fidele Gesellschaft vor, bestehend aus dem schönen Hausherrn, der Hausdame und Ralf. Man schien wirklich schon ganz nett auf das Geburtstagskind angestoßen zu haben, wie die geleerten Champagnerflaschen bewiesen.
»Spät kommt sie, doch sie kommt!« sang der Besitzer all der Herrlichkeit ringsum mehr laut als schön, den Sektkelch der Eintretenden entgegenschwenkend. »Sei mir gegrüßt in diesen heiligen Hallen!«
»Onkelchen, du hast ja einen Schwips«, lachte Lenore, doch dieser sang stimmkräftig weiter: »Schier dreißig Jahre bist du alt, hast manchen Sturm erlebt!«
»Aber ich doch nicht!« lachte Lenore immer hellklingender. Es hörte sich an, als ob Frühlingsglöckchen den Lenz einläuten, und dabei war es doch Herbst.
»Wer spricht denn von dir, du herziges Kind? So sonnig du auch sein magst, aber mein Gesang gilt meinem dreißigjährigen sonnigen Sohn.«
»Ein sonniger Mann? Gräßlich!«
»Geschmackssache. Nun komme und sag dein Sprüchlein auf!«
Lenore tat’s. Wünschte dem Gatten viel Glück zu seinem dreißigsten Geburtstag und überreichte ihm einen Strauß leuchtender Georginen. Dann nahm sie in der Runde Platz und hatte gerade mit dem Gatten auf sein Wohl angestoßen, als der würdige Diener erschien und meldete: »Frau Rosalia Skörsen und Fräulein Tochter.«
Danach war es erst einmal bedrückend still. Doch dann sprach eine sonore Stimme gelassen: »Ich lasse bitten.«
Und schon rauschte Rosalia herein, und hinter ihr stöckelte Anka. Beide sehr elegant, sehr selbstbewußt. Beide gerührt bis zu Tränen.
»Ralf, mein lieber Junge!« breitete die Frau Mama die Arme aus.
Allein der »liebe Junge« sank nicht hinein, sondern sagte gelassen: »Darf ich vorstellen?«
Nachdem das geschehen war, ließ er die Glückwünsche geduldig über sich ergehen.
Und nun war es der Hausherr, der die Gäste Platz zu nehmen bat. Sie taten es mit dem größten Vergnügen, ließen die Blicke neugierig umherschweifen. Und was sie erfaßten, ließ ihre Augen kugelrund werden vor ehrfürchtigem Staunen.
Das war mal eine Pracht. Dieser Hollgart mußte ja Geld haben wie Heu. Da mußten sie wirklich zusehen, daß sie so viel wie möglich aus dieser fetten Pfründe profitierten. Also flötete Rosalia süß: »Wie schön Sie es hier haben, Herr Professor!«
»Der Titel kommt mir nicht zu, gnädige Frau.«
»Na, wem denn sonst? So ein berühmter Mann wie Sie? Na ja, der Titel kommt schon noch, muß ja kommen, bei so einer Kapazität. Meine Tochter und ich haben uns bereits ein wenig auf Ihrem Besitz umgesehen. Das reinste Paradies für leidende Menschen. Eine Kur hier würde bei mir und meiner Tochter Wunder wirken, denn unsere Nerven befinden sich in schauderhaftem Zustand.«
»Eine Kur hier ist aber sehr teuer, gnädige Frau.«
»Kann ich mir denken. Aber da mein Sohn hier Mitbesitzer ist …«
»Du irrst, Mama«, fiel der Sohn mit einer Stimme ein, die so klang, als wenn Eisschollen aneinanderklirrten. »Ich bin hier weiter nichts als ein Angestellter und beziehe nur Gehalt.«
Ach, wie wurde da Frau Rosalias Gesicht lang und immer länger.
Konsterniert fragte sie: »Wirklich, nur ein Angestellter? Aber mein Sohn, du hast doch Geld, deine Frau hat Geld. Da verstehe ich nicht …«
»Das können Sie auch gar nicht, gnädige Frau«, schaltete sich nun Reinhard ein. »Das Geld liegt hier als Kaution fest.«
»So was gibt’s ja gar nicht!«
»Und wie es das gibt! Schließlich sind es ja nur ein paar lumpige paar tausend Mark.«
»Wie – was? Ich hörte doch aber …«
»Man hört so viel, gnädige Frau.«
»So ist es dann etwa auch nicht wahr, daß meine Schwiegertochter geerbt hat?«
»Eine Lappalie, gnädige Frau. Aber wie ist es nun mit der Kur? Allerdings müßte ich um eine größere Vorauszahlung bitten.«
»Nein, danke. Wir müssen nun leider gehen. Komm, mein Kind!«
Ein gnädiges Kopfnicken, begleitet von einem sauren Lächeln. Und Frau Rosalia rauschte hinaus, zutiefst enttäuscht. Hinterher trippelte Anka wie ein begossenes Pudelchen.
Dunkel stieg Ralf das Blut ins Gesicht. Er schämte sich seiner Mutter.
»Mach dir nichts draus, mein Junge!« legte Reinhard ihm die Hand auf die Schulter. »Sei froh, daß du diese Gäste auf so leichte Art losgeworden bist. Die werden nicht wiederkommen. Und nun kümmere dich um deine Frau!« flüsterte er ihm zu. »Der Schreck wird sie endlich in deine Arme treiben. Nutze ihre Verstörtheit aus!«
Er ging in Begleitung der Hausdame hinaus, und Ralf sah erschrocken auf Lenore, die reglos im Sessel lehnte – todblaß, mit schreckgeweiteten Augen.
Als Ralf sich zu ihr neigte, kam Bewegung in sie. Die zitternden Hände krallten sich in seinen Ärmel, die Lippen bebten so sehr, daß sie kaum die Worte formen konnten: »Bitte, Ralf, bring mich nach dem Hollgarthof!«
»Aber warum denn, Lenore?«
»Weil sie wiederkommen werden, immer wieder. Ich kenn sie doch. Und ich habe vor ihnen doch so große Angst.«
»Aber, Kind, so werde doch endlich ruhig! Du zitterst ja an allen Gliedern.«
»Ist das vielleicht ein Wunder? Du kennst sie nicht.«
»Doch, Nore, ich kenne sie und werde nicht dulden, daß sie noch einmal herkommen.«
»Wie willst du das wohl anfangen? Die kleben zäh wie Pech, wenn sie etwas erreichen wollen. Du wirst