Rache@. Antje Szillat
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Читать онлайн книгу Rache@ - Antje Szillat страница 5
„Ist es wieder dieser Ismael?“ Die Stimme der Apothekerin drohte wegzubrechen. Ihre Augen schimmerten verdächtig.
„Ismael und Ali! Ich dachte wirklich, er hat es dir erzählt. Marlene, das tut mir echt leid.“
„Unsinn ...“ Sie rang sichtbar nach den richtigen Worten. „Du kannst ja nichts dafür. Du beklaust und erpresst meinen Sohn ja schließlich nicht.“
„Und schlägst ...“, ergänzte Marcel.
„WAS? Sie haben ihn diesmal sogar geschlagen?“ Mit ihrer Beherrschung war es nun endgültig vorbei. „Das darf ja wohl nicht wahr sein! Diese verdammten Mistkerle! Und Johannes sagt nichts. Nicht ein Sterbenswörtchen. Lässt sich von denen traktieren und schweigt. Vor lauter Angst. Oh Gott, ich darf darüber gar nicht weiter nachdenken, was mein armer Junge durchmachen muss.“
Jetzt weinte sie – ganz offen und ohne sich dafür zu schämen. Marcel räusperte sich verlegen und erklärte ihr, dass er nun leider wieder zurück zu seiner Mutter müsse.
„Es tut mir wirklich leid. Grüß Johannes von mir und mach dir nicht so viele Sorgen. Das wird schon wieder.“
Dann standen sie wieder vor der Apotheke. Ben konnte nicht fassen, was sich soeben abgespielt hatte. Sie nahmen ihre Räder aus dem Ständer und schoben sie nebeneinander ein Stückchen den Fußweg entlang.
Als sie außer Sichtweite der Apotheke waren, schlug sich Marcel klatschend auf seine Oberschenkel und fing lauthals an zu lachen.
„Was war das?“ Ben hätte Marcel am liebsten geschüttelt, damit er endlich aufhörte zu lachen und ihm antwortete.
„Das war die nächste Dresche für Superarsch Johannes. Davon wird er mehrere Wochen was haben“, gluckste Marcel. „Jetzt nur noch schnell die richtige Info bei Schüler-Talk ins Netz gestellt und die Sache ist geritzt.“
Ben stand noch immer auf der Leitung.
„Spinnst du? Das ist doch alles erstunken und erlogen. Und das wird der seiner Mutter auch sagen. Dann bekommst du garantiert mächtigen Ärger mit dem. Du hast ihm ja sogar noch Grüße von dir bestellt. Bist du lebensmüde? Die machen dich doch alle!“ Bens Stimme überschlug sich fast vor Aufregung.
Marcel schaute Ben einen kurzen Moment nachdenklich an. Dann sagte er mit ernster Stimme: „Seine Mutter glaubt ihm kein Wort. Sie glaubt mir. Sie hat mir schon immer mehr geglaubt. Mach dir keine Sorgen. Ich kenne sie.“ Er holte tief Luft.
Ben nutzte die kurze Pause, um zu fragen: „Aber die Typen haben ihm doch nichts getan, oder? Was bringt das Ganze also?“
Marcel erklärte es ihm. „Johannes’ Mutter wird als erstes bei den Eltern von Ismael und Ali aufkreuzen. Das macht sie immer. Die bekommen dann tierischen Ärger mit ihren Alten, weil die angesehene Frau Apothekerin da war und gesagt hat, ihre Söhne hätten den armen Johannes vermöbelt. Johannes kriegt dafür bei nächster Gelegenheit von denen ordentlich was aufs Maul. Außerdem wird sie gleich morgen in die Schule rennen und Frau Schnuppe-Keller, das ist Johannes’ Klassenlehrerin, die Hölle heiß machen. Die wird sich dann Ismael und Ali schnappen und mit denen zum Rektor rennen. Da gibt es dann den nächsten fetten Anschiss ... und die nächste saftige Abreibung für Johannes, den Arsch. Den Rest besorgt die Gerüchteküche im Netz bei Schüler-Talk. Ganz easy. So läuft das!“
Marcel wirkte sichtlich zufrieden mit sich und seinem Plan. Aber Ben war nicht überzeugt. Nervös fuhr er sich mit der Zungenspitze über die Lippen und versuchte seine Gedanken und das, was Marcel ihm gerade gesagt hatte, zu sortieren.
Schließlich würgte er unsicher hervor: „Aber Johannes wird doch Ismael und Ali sagen, dass du das behauptet hast und nicht er. Dann fliegst du doch auf. Und seiner Mutter wird er doch auch sagen, dass du dir alles nur ausgedacht hast. Und seiner Klassenlehrerin auch. Mensch, Marcel, das ist doch totaler Schwachsinn, den du da verzapft hast. Und Schüler-Talk – was willst du damit denn bezwecken?“ Ben schüttelte fassungslos den Kopf. „Und außerdem“, fügte er etwas bestimmter als zuvor hinzu, „hat er doch genug Kumpels, die sich für ihn an dir rächen können.“
Ben wischte sich übers Gesicht und blieb einen Moment lang stumm. Die Augen fest auf die Spitzen seiner Turnschuhe gerichtet, zog er die Unterlippe zwischen die Zähne und kaute nervös darauf herum. Dann ließ er langsam den Blick wieder zu Marcel wandern und sagte leise: „Und an mir ...“
„Keiner wird dir was tun.“ Marcel klang todernst, als er das sagte. „Und mir schon gar nicht. Und Johannes wird schön sein Maul halten. Alles wird genauso sein, wie ich es dir gesagt habe.“ Damit war das Thema für ihn beendet.
Er schwang sich auf sein Rad und trat ordentlich in die Pedale. Ben sah ihm einen Moment schweigend nach, ehe er sich ebenfalls auf den Sattel schwang und ihm hinterherstrampelte.
Zwei Tage später traf Ben Johannes in der Fünf-Minuten-Pause vor dem Jungenklo. Sie waren ganz alleine auf dem Gang. Bens Herz schlug wie verrückt. Am liebsten wäre er weggerannt. Aber wohin? Außerdem hätte Johannes ihn sowieso eingeholt. Und wenn nicht jetzt, dann eben irgendwann anders. Ben war sich sicher, dass er Johannes und seiner Clique nicht entkommen konnte.
Johannes kam immer näher und Bens Beine drohten jeden Moment wegzubrechen. Dann stand er direkt vor ihm – und sah es ganz deutlich. Sein linkes Auge war ein bisschen zugeschwollen und leicht rot-bläulich verfärbt. Nicht besonders auffällig. Man musste schon genau hinsehen. Es hätte auch eine Bindehautentzündung oder etwas Ähnliches sein können. Die Faust, die ihn dort getroffen hatte, war scheinbar besonders in Schlägen geübt, die keine auffälligen Spuren hinterlassen durften.
„Was glotzt du so?“, herrschte er Ben an, der mit halb offenem Mund völlig erstarrt vor ihm stand. Dann war er auch schon im Jungenklo verschwunden. Ben rannte zurück in sein Klassenzimmer. Das Pinkelnmüssen war ihm plötzlich vergangen.
3. Kapitel
Beim Mittagessen in der Schulcafeteria – es war Pizza-Tag – setzte sich plötzlich ein junger dunkelhaariger Mann an Bens Tisch. Marcel war bereits seit mehreren Tagen nicht in der Schule aufgekreuzt, und auch heute Morgen hatte Ben wieder vergeblich auf ihn gewartet.
Dabei hatte er gestern am Telefon noch gemeint, dass er morgen wieder in die Schule gehen könnte. Seiner Mutter ginge es schon viel besser. Trotzdem war er nicht erschienen.
Ben hing seinen Gedanken nach und bemerkte erst gar nicht, dass der Mann an seinen Tisch getreten war und ihn ansprach.
„Hallo, jemand zu Hause?“, witzelte er.
Ben schreckte auf und sah in ein nett grinsendes Gesicht.
„Ist der Platz noch frei?“
„Was? Ähm – ja“, stotterte Ben verwirrt.
Wer war das? Und warum wollte er sich ausgerechnet an seinen Tisch setzen? Es waren