Gesammelte Werke von Dostojewski. Федор Достоевский

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Gesammelte Werke von Dostojewski - Федор Достоевский

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wiederholen, liebe Mama: er ist noch sehr krank. Sehen Sie das denn nicht? Vielleicht haben gerade die Sorgen, die er sich um uns gemacht hat, seine Gesundheit zerrüttet. Man muß mit ihm Nachsicht haben und kann ihm vieles, vieles verzeihen.«

      »Aber du hast keine Nachsicht mit ihm gehabt!« unterbrach Pulcheria Alexandrowna sie hitzig und mit einer Art von Eifersucht. »Weißt du, Dunja, ich habe euch beide vorhin angesehen: du bist sein vollständiges Ebenbild, und noch nicht einmal so sehr im Gesicht als in der Seele; beide habt ihr so etwas Melancholisches, Finsteres und Aufbrausendes; beide seid ihr hochmütig und beide hochherzig … Das ist doch gar nicht denkbar, daß er ein Egoist sein sollte, Dunja, nicht wahr? … Aber wenn ich daran denke, was uns heute abend noch bevorsteht, dann wird mir himmelangst!«

      »Beunruhigen Sie sich nicht, Mama; es wird geschehen, was eben geschehen muß.«

      »Aber bedenke nur, Dunja, in welcher Lage wir jetzt sind! Was sollen wir anfangen, wenn Pjotr Petrowitsch sich von uns lossagt?« rief die arme Pulcheria Alexandrowna mit unüberlegter Offenheit.

      »Wenn er das wirklich tut, dann haben wir an ihm nichts verloren!« antwortete Dunja schroff und geringschätzig.

      »Wir haben ganz gut daran getan, daß wir jetzt weggegangen sind«, fuhr Pulcheria Alexandrowna, sie unterbrechend, hastig fort, um abzulenken. »Er hat einen eiligen Gang vor, um etwas zu besorgen; da mag er sich ein bißchen Bewegung machen und wenigstens ein bißchen Luft schöpfen, … bei ihm ist es ja schrecklich dumpf, … aber wo kann man wohl hier in Petersburg frische Luft atmen? Hier ist es auch auf den Straßen gerade wie in einem Zimmer, das nie gelüftet wird. Herrgott, was ist das nur für eine Stadt! … Halt, halt! Tritt auf die Seite, du wirst dich noch totquetschen lassen; da wird etwas getragen! Ein Klavier tragen sie, wahrhaftig, … wie sie sich durchdrängen … Vor diesem jungen Mädchen habe ich auch große Bange.«

      »Vor was für einem jungen Mädchen, Mama?«

      »Nun, ich meine diese Sofja Semjonowna, die eben zu Rodja kam …«

      »Warum haben Sie denn Bange vor der?«

      »Es ahnt mir so etwas, Dunja. Magst du es mir nun glauben oder nicht, gleich wie sie hereinkam, in demselben Augenblick dachte ich: ›Aha, da sitzt der Hauptknoten …‹«

      »Gar nichts sitzt da!« rief Dunja ärgerlich. »Was Sie auch immer für Ahnungen haben, Mama! Er ist erst seit gestern mit ihr bekannt, und als sie jetzt hereinkam, erkannte er sie nicht einmal sogleich.«

      »Na, du wirst ja sehen! … Sie beunruhigt mich; du wirst ja sehen, du wirst ja sehen! Und ich habe einen ordentlichen Schreck vor ihr bekommen: sie sah mich an und sah mich an; was hat sie für Augen; ich konnte kaum auf meinem Stuhle stillsitzen; erinnerst du dich, als er sie vorstellte? Und das kommt mir doch auch ganz merkwürdig vor: Pjotr Petrowitsch schreibt solche Dinge von ihr, und er stellt sie uns vor, und noch dazu dir! Also muß er sie doch wohl sehr gern haben!«

      »Was der nicht alles schreibt! Über uns ist doch auch allerlei geredet und geschrieben worden; haben Sie das vergessen? Und ich bin überzeugt, daß sie ein prächtiges Mädchen ist und daß das alles dummes Gerede ist.«

      »Gott gebe es!«

      »Und Pjotr Petrowitsch ist ein häßlicher Zwischenträger!« schloß Dunja kurz und bestimmt.

      Pulcheria Alexandrowna duckte sich unwillkürlich. Das Gespräch brach ab.

      »Hör mal, ich wollte dich da etwas fragen …«, begann Raskolnikow und führte Rasumichin zum Fenster.

      »Ich darf also an Katerina Iwanowna bestellen, daß Sie kommen werden …«, sagte Sonja schnell und wollte sich verabschieden.

      »Sogleich, Sofja Semjonowna! Wir haben keine Geheimnisse; Sie stören uns nicht. Ich möchte Ihnen gern noch ein paar Worte … Hör mal«, wandte er sich, ohne zu Ende zu sprechen, wieder an Rasumichin. »Du kennst doch diesen … na, wie heißt er gleich! … Porfirij Petrowitsch?«

      »Na und ob! Er ist ja ein Verwandter von mir. Weshalb fragst du denn?« fügte er neugierig hinzu.

      »Er hat doch jetzt diese Sache in Händen, … na, diese Mordsache, von der ihr gestern spracht?«

      »Ja, … nun?« Rasumichin riß die Augen weit auf.

      »Er hat die Verpfänder befragt; nun, es liegen von mir auch ein paar Pfänder da, nur so Kleinigkeiten; aber das eine ist ein Ring von meiner Schwester, den sie mir zum Andenken schenkte, als ich hierherzog, und dann die silberne Uhr meines Vaters. Es hat zusammen nur einen Wert von fünf bis sechs Rubel; aber für mich sind diese Gegenstände kostbar, als Andenken. Also, was soll ich jetzt tun? Ich möchte nicht, daß mir die Sachen verlorengehen, namentlich nicht die Uhr. Ich schwebte vorhin in der größten Angst, meine Mutter könnte die Uhr zu sehen wünschen, als von Dunjas Uhr die Rede war. Es ist das einzige Stück, das noch von meinem Vater übrig ist. Sie würde krank werden, wenn wir diese Uhr verlören. Wie die Weiber nun einmal sind! Also nun gib mir einen Rat, wie ich mich zu verhalten habe. Ich weiß, daß ich eigentlich auf dem Polizeibureau Anzeige machen müßte. Aber wäre es nicht besser, wenn ich mich an Porfirij persönlich wendete? Wie denkst du darüber? Ich möchte die Sache möglichst schnell erledigen. Du wirst sehen, daß meine Mutter mich noch vor dem Mittagessen danach fragt!«

      »Wende dich nicht an das Polizeibureau, sondern auf jeden Fall an Porfirij!« rief Rasumichin in lebhaftem Eifer. »Das freut mich aber! Da ist nichts weiter zu überlegen; wir können sofort hingehen; es sind nur ein paar Schritte; wir treffen ihn gewiß zu Hause!«

      »Mir recht! Gehen wir!«

      »Er wird sich sehr freuen, ganz außerordentlich wird er sich freuen, dich kennenzulernen! Ich habe ihm viel von dir erzählt, bei verschiedenen Gelegenheiten … Auch gestern habe ich von dir gesprochen. Gehen wir hin! Also du hast die alte Frau gekannt? So, so! … Das hat ja alles eine ganz ausgezeichnete Wendung genommen! … Ach ja … Sofja Iwanowna …«

      »Sofja Semjonowna«, verbesserte Raskolnikow. »Sofja Semjonowna, das ist mein Freund Rasumichin, ein sehr guter Mensch …«

      »Wenn Sie jetzt gehen müssen …«, begann Sonja; sie hatte Rasumichin gar nicht angesehen und war durch die Vorstellung noch schüchterner geworden.

      »Nun, dann wollen wir gehen!« sagte Raskolnikow entschlossen.

      »Ich komme heute noch einmal kurz zu Ihnen, Sofja Semjonowna; sagen Sie mir nur, wo Sie wohnen.«

      Er war nicht eigentlich verlegen, aber er tat eilig und vermied ihren Blick. Sonja gab ihm ihre Adresse und errötete dabei. Sie gingen alle drei gleichzeitig hinaus.

      »Schließt du denn nicht zu?« fragte Rasumichin, der hinter den beiden andern die Treppe hinabstieg.

      »Das tue ich nie! … Schon seit zwei Jahren will ich immer ein Schloß kaufen«, fügte er nachlässig hinzu. »Glücklich, wer nichts zu verschließen hat, nicht wahr?« wandte er sich lachend an Sonja.

      Auf der Straße blieben sie am Tor stehen.

      »Sie gehen nach rechts, Sofja Semjonowna? Dabei fällt mir ein: wie haben Sie es denn möglich gemacht, mich zu finden?« fragte er; aber es klang, als möchte er ihr etwas ganz anderes sagen. Er hätte gar zu gern noch einmal in ihre stillen, klaren Augen geblickt; aber es wollte ihm nicht so recht glücken …

      »Sie haben doch gestern unsrer Polenjka Ihre Adresse angegeben?«

      »Polenjka? Ach ja … Polenjka! Das

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