Gesammelte Werke von Dostojewski. Федор Достоевский

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Gesammelte Werke von Dostojewski - Федор Достоевский

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style="font-size:15px;">      »Was ist denn an meinem Lächeln Besonderes?«

      »Die frühere kindliche Naivität liegt allerdings noch darin; aber wenn du lächelst, so ist es, als ob du gleichzeitig einen heftigen Schmerz im Herzen empfändest. Du bist abgemagert, Natascha, und es sieht aus, als wäre dein Haar dichter geworden … Was hast du da für ein Kleid an? Ist das noch gemacht, als du bei ihnen warst?«

      »Wie lieb du mich hast, Wanja«, antwortete sie, mich freundlich anblickend. »Nun, und du? Was machst du jetzt? Wie steht es mit deiner Arbeit?«

      »Es hat sich nichts geändert; ich schreibe immer noch an meinem Roman; aber es geht schwer, es will nicht recht vom Fleck. Die Inspiration versagt. Ich könnte ja nun vielleicht auch ohne solche schreiben, und es würde doch etwas Interessantes herauskommen; aber es tut mir leid, die gute Idee zu verderben. Das ist eine von meinen Lieblingsideen. Aber zum Termin muß unbedingt etwas in die Zeitschrift. Ich habe schon daran gedacht, den Roman liegenzulassen und so schnell wie möglich eine Novelle auszudenken, so etwas Leichtes, Anmutiges, ganz und gar ohne trübe Tendenz … Ganz und gar … Alle Leser sollen dabei heiter und vergnügt werden! …«

      »Du armer Arbeitssklave! Und was macht Smith?«

      »Smith ist ja gestorben.«

      »Ist sein Geist nicht zu dir gekommen? Ich sage dir ganz im Ernst, Wanja, du bist krank, deine Nerven sind angegriffen, du hast immer solche phantastischen Vorstellungen. Als du mir erzähltest, du habest diese Wohnung gemietet, habe ich das alles an dir bemerkt. Wie ist es? Sagtest du nicht, die Wohnung sei feucht und häßlich?«

      »Ja. Es ist mir heute abend noch etwas begegnet … Aber ich werde es dir ein andermal erzählen.«

      Sie hörte nicht mehr, was ich sagte, und saß tief in Gedanken versunken da.

      »Ich begreife nicht, wie ich damals habe von ihnen weggehen können; ich muß im Fieber gewesen sein«, sagte sie endlich und sah mich mit einem Blick an, der deutlich zeigte, daß sie keine Erwiderung erwartete.

      Hätte ich in diesem Augenblick zu ihr gesprochen, so hätte sie mich gar nicht gehört.

      »Wanja«, sagte sie kaum hörbar, »ich habe dich in einer wichtigen Angelegenheit hergebeten.«

      »Was gibt es denn?«

      »Ich trenne mich von ihm.«

      »Hast du dich schon von ihm getrennt, oder willst du es erst tun?«

      »Ich muß diesem Zustand ein Ende machen. Ich habe dich hergebeten, um dir alles auszusprechen, was mich jetzt bedrückt und was ich dir bisher verheimlicht habe.«

      Dies war ihre gewöhnliche Einleitung, wenn sie sich anschickte, mir ihre geheimen Absichten anzuvertrauen, und fast immer ergab sich dann, daß ich all diese Geheimnisse schon längst aus ihrem eigenen Mund kannte.

      »Ach, Natascha, das habe ich ja schon tausendmal von dir gehört! Gewiß, ihr könnt nicht zusammenleben; eure Verbindung ist zu seltsam; ihr habt nichts Gemeinsames. Aber … wird auch deine Kraft dazu ausreichen?«

      »Früher hatte ich die Trennung nur in Aussicht genommen, Wanja; aber jetzt bin ich vollständig dazu entschlossen. Ich liebe ihn grenzenlos; aber dabei kommt es so heraus, daß ich seine schlimmste Feindin bin; ich zerstöre ihm seine Zukunft. Ich muß ihn befreien. Heiraten kann er mich nicht; er ist nicht imstande, etwas gegen den Willen seines Vaters zu tun. Ich will ihn auch nicht festhalten. Und darum freue ich mich sogar darüber, daß er sich in das Mädchen verliebt hat, das sein Vater ihm zur Frau geben möchte. Dadurch wird ihm die Trennung von mir erleichtert werden. Ich muß so handeln! Das ist meine Pflicht … Wenn ich ihn liebe, so muß ich für ihn alles zum Opfer bringen, muß ihm meine Liebe beweisen; das ist meine Pflicht! Nicht wahr?«

      »Aber du wirst ihn nicht dazu überreden können.«

      »Überreden werde ich ihn auch gar nicht. Ich werde mich gegen ihn ganz wie früher benehmen, selbst wenn er in diesem Augenblick hereintreten sollte. Aber ich muß ein Mittel finden, damit es ihm leicht wird, sich von mir ohne Gewissensbisse zu trennen. Das ist es, was mich quält, Wanja. Hilf mir! Kannst du mir nicht etwas raten?«

      »In solchen Fällen gibt es nur ein Mittel«, erwiderte ich. »Man muß ganz aufhören, den Betreffenden zu lieben, und statt seiner einen andern lieben. Aber schwerlich wird dieses Mittel hier verfangen. Du kennst ja doch seinen Charakter. Da ist er nun fünf Tage lang nicht zu dir gekommen; aber wenn du nun annimmst, daß er sich ganz von dir abgewandt habe, dann brauchst du ihm nur zu schreiben, daß du selbst dich von ihm lossagtest, und er wird sogleich zu dir gelaufen kommen.«

      »Warum kannst du ihn nicht leiden, Wanja?«

      »Ich?«

      »Ja, du, du! Du bist sein Feind, im geheimen und öffentlich! Du kannst von ihm nicht anders als gehässig reden. Ich habe tausendmal beobachtet, daß es dir das größte Vergnügen macht, ihn herabzusetzen und zu verleumden! Jawohl, zu verleumden; ich sage die Wahrheit!«

      »Und mir hast du das schon tausendmal gesagt. Hör auf damit, Natascha; lassen wir dieses Thema!«

      »Ich möchte gern in eine andere Wohnung ziehen«, begann sie nach einem kurzen Stillschweigen wieder. »Aber sei mir nicht böse, Wanja! …«

      »Was hat das für Nutzen? Er wird auch in eine andere Wohnung kommen. Böse bin ich dir wirklich nicht.«

      »Die Liebe ist stark; eine neue Liebe kann ihn fesseln. Wenn er auch zu mir zurückkommt, so tut er es doch vielleicht nur für einen Augenblick; was meinst du?«

      »Ich weiß es nicht, Natascha; bei ihm ist alles im höchsten Grad widerspruchsvoll: er möchte jene heiraten und dabei doch dich lieben. Er wäre fähig, das alles zugleich zu tun.«

      »Wenn ich bestimmt wüßte, daß er sie liebt, dann würde ich meinen Entschluß fassen … Wanja! Verbirg mir nichts! Weißt du etwas, was du mir nicht sagen willst?«

      Sie sah mich mit einem ängstlichen, forschenden Blick an.

      »Ich weiß nichts, liebe Freundin; ich gebe dir mein Ehrenwort, ich bin immer aufrichtig gegen dich gewesen. Übrigens noch eins: ich denke mir, vielleicht ist er in die Stieftochter der Gräfin gar nicht so stark verliebt, wie wir glauben. Es ist vielleicht nur so eine Schwärmerei …«

      »Glaubst du das, Wanja? O Gott, wenn ich das bestimmt wüßte! Ach, könnte ich ihn doch in diesem Augenblick sehen, ihn nur ansehen! Ich würde ihm alles vom Gesicht ablesen! Aber er ist nicht hier! Er ist nicht hier!«

      »Erwartest du ihn etwa, Natascha?«

      »Nein, er ist bei ihr; ich weiß es; ich habe mich erkundigt. Und wie gern würde ich auch sie sehen! … Hör einmal, Wanja, ich rede Unsinn, aber ist es denn wirklich ganz unmöglich, daß ich sie sehe, daß ich irgendwo mit ihr zusammenkomme? Was meinst du?«

      Sie wartete unruhig auf meine Antwort.

      »Sehen könntest du sie schon. Aber das bloße Sehen hat doch wenig Zweck.«

      »Auch wenn ich sie nur sähe, so würde mir das genügen; ich würde dann alles, was ich wissen wollte, selbst erraten. Hör einmal: ich bin ja so dumm geworden; ich gehe hier immer so auf und ab, ganz allein, ganz allein, und denke immer nach; meine Gedanken drehen sich wie im Wirbel umher; es ist ein schrecklicher Zustand! Ich habe mir gedacht, Wanja: könntest du nicht die Bekanntschaft dieser jungen Dame machen? Die Gräfin

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