Gesammelte Werke. Джек Лондон
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Der unvermeidliche weiße Mann
Wolfsblut
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1
Alle Luken des Dampfers waren offen. Quietschende, kreischende und polternde Kräne tauchten mit spitzen Haken in seinen Bauch ein. Unablässig holten sie Kisten und Lasten der Goldgräber hervor und schwangen sie hinüber in offene Leichter, die zu beiden Seiten längs des Schiffes lagen. Tausend Menschen hasteten auf Deck umher und traten einander auf die Füße. Die Schauerleute waren im Streik, und die Passagiere mussten selbst ihre Ladung löschen. Es war keine Ordnung. Gruppenweise stritten sie sich um das Eigentumsrecht an bestimmten Lasten, die mit »Punkt 2« oder »Punkt 2 Strich« gezeichnet waren. Dann und wann kam es zu Schlägereien.
Der Erste Offizier ging durch das Tohuwabohu und machte ein heiteres Gesicht, als ginge ihn die ganze Sache nichts an.
»Goldgräber sind eine leicht verderbliche Fracht«, sagte er zu Frona Welse. »Sie zittern um jede Minute …«
»Und ich erst!« rief Frona. »Ich zittere auch um jede Minute. Da, schaun Sie da hinüber! Dort, wo der Fluss mündet, zwischen den Kiefern, sehen Sie das große Blockhaus? In dem bin ich geboren!«
»Dann allerdings, dann hätte ich auch Eile«, lachte er. »Also dann wollen wir Ihnen mal ein bisschen unter die Arme greifen.«
Sie war das einzige junge Mädchen an Bord, unter mehr als tausend Männern. Er lotste sie galant an die Reling, wo verzweifelte Passagiere standen und mit Schriftstücken winkten. Sie brüllten ihre Frachtzeichen und fluchten wie die Heiden.
»Der Proviantmeister sagt, entweder ist er schon verrückt geworden, oder er wird es augenblicklich«, erzählte der Erste Offizier, während er Fräulein Welse über die Laufplanke half.
»Dabei geht es bei uns noch ganz friedlich her. Sehen Sie da drüben den ›Stern von Bethlehem‹?«
Er zeigte auf einen Dampfer, der eine Meile entfernt vor Anker lag.
»Die Hälfte von den Passagieren da drüben hat Packpferde bestellt. Die wollen nach Skaguay und dem Weißen Pass. Dort soll es neue Goldfunde geben. In einem Jahr will jeder von ihnen Millionär sein. Ihre Pferde stehen am Strand und grasen friedlich, und die Leute kommen nicht vom Schiff weg. Da ist eine Art von Meuterei ausgebrochen.«
»He, Sie!« rief er einem Ruderboot zu, das sich vorsichtig am äußersten Rande des schwimmenden Wirrwarrs hielt.
Eine winzige Barkasse, die mit heroischem Mut an einer mächtigen Schute zerrte, versuchte, dem Ruderer den Weg abzuschneiden, aber der Mann legte sich einfach vor ihren Bug. Er bekam einen Stoß und fiel der Länge nach in sein Boot. Das Boot drehte sich und stoppte jetzt den ganzen Verkehr.
Eine paar lange Kanus, vollgeladen mit Waren, Goldgräbern und Indianern, drängten an ihm vorbei zum Strand und verhedderten sich ineinander. Als der Ruderer wieder auf die Füße kam, ließ er einen Hagel von Flüchen auf alle Kanuleute und Leichterschiffer niederfahren. Ein Mann auf dem Leichter beugte sich zu ihm hinüber und schwur, dass er nie einen armseligeren Sohn einer Hündin gesehen hätte, während die Weißen und Indianer in den Kanus in ein brüllendes Hohngelächter ausbrachen.
»Scher dich zum Satan!« rief einer aus dem Kanu, »hättest du lieber rudern gelernt!«
Die Faust des Ruderers krachte gegen das Kinn des anderen, der betäubt auf einen Warenstapel fiel. Er war damit aber noch nicht zufrieden. Weiß vor Wut, wollte er sich in das Kanu hinüberschwingen und weiter auf den Mann eindreschen, der behauptet hatte, er könnte nicht rudern. Ein Goldgräber im selben Kanu, der in all dem nur Zeitvergeudung sah, nestelte an seiner Revolvertasche, und man konnte große Dinge erwarten. Aber dann wurde dem Ruderer aus dem Kanu heraus ein Riemen über den Schädel geschlagen, sodass er für den Augenblick kampfunfähig war, das Kanu bekam seinen Weg wieder frei, und gerade als Mord und Totschlag unvermeidlich schienen, war die kleine Meinungsverschiedenheit plötzlich zu Ende.
Der Schiffsoffizier warf einen verstohlenen Blick auf das Mädchen … vielleicht wurde sie ohnmächtig, und er musste sie auffangen? Aber ihr Gesicht war voll vergnügter Spannung. Sie war noch hübscher geworden.
»Es ist mir ja lieb, dass der Revolver nicht geknallt hat«, sagte sie, »aber so was macht doch Spaß, finden Sie nicht?«
Inzwischen war der Ruderer wieder auf die Beine gekommen und legte sein Boot an die Schiffswand.