Gesammelte Werke. Джек Лондон
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Das Trippeln auf städtischem Pflaster hatte ihre Füße nicht verdorben. Im Augenblick fand sie hier auf heimischem Strand die leichten, langen Wanderschritte wieder, die andere mit viel Mühe lernen müssen. Mehr als ein Goldgräber sah mit derselben Bewunderung wie Bishop auf ihre langen, elastischen Beine, aber die meisten blickten ihr ins Gesicht und freuten sich über den offenen, kameradschaftlichen Blick ihrer Augen. Wenn einer sie anlächelte, lächelte sie zurück, ermunternd, heiter, mitfühlend, je nachdem, aber immer kameradschaftlich.
Für sie schien die Zeit rückwärts gerollt, auf einmal war sie wieder in jenes Mittelalter zurückversetzt, in dem sie herangewachsen, in dem es keine Bahnen und Automobile, nur Karren und breite Bücken als Verkehrsmittel gab. Männer, denen man ansah, dass sie bisher nur mit der Aktenmappe unterm Arm spaziert waren, beugten sich unter schweren Lasten. Ihre Beine bewegten sich schwer und stolpernd, sie waren diese Anstrengung nicht gewöhnt, und ihre Gesichter perlten von Schweiß. Andere luden ihr Gepäck mit stillem Triumph auf vierrädrige Karren und schoben los, aber sie blieben stecken, wo der erste große Stein ihnen den Weg versperrte. Nach etlichem Kampf fügten sie sich dann den für Reisen in Alaska geltenden Grundsätzen, ließen den Karren stehen oder zogen ihn an den Strand zurück, um ihn zu einem fabelhaften Preis an die Chechaquos zu verkaufen, die noch später als sie gelandet waren. Neulinge wanderten mit zehnpfündigen Colt-Revolvern, Patronengürteln und Jagdmessern drauflos, aber bald merkten sie, wie unnütz diese Mordgepäckstücke waren. Revolver, Patronen und Messer garnierten ihre Spur.
Hier, an diesem Strand, den damals noch kein Strom goldgieriger Männer durchflutet hatte, war Frona Kind gewesen. Hier hatte sie im Grase gespielt und erschauernd gehört, wie das Echo ihre Stimme von Gletscher zu Gletscher trug und widerhallte. Über dieses Gras stapften jetzt zehntausend Männer rastlos hin und her. Zehntausend andere waren unterwegs über den Chilcoot. Abermals Zehntausend hatten die Pässe schon überwunden und marschierten zu dieser Stunde die Goldfelder an.
Die Dyea stürzte sich, wie in alten Tagen, rauschend und tosend ins Meer, aber an ihren Ufern quälten sich Männer in wogenden Reihen an Tauen und Riemen, schleppten schwer beladene Boote heran und löschten die Fracht.
Die Tür zu dem Laden, in dem einst Biberfänger oder Pelzhändler ihre bescheidenen Einkäufe gemacht hatten, war jetzt von einer lärmenden Schar von Kunden versperrt. Wo einst ein einsamer Brief Monate und Jahre darauf gewartet hatte, abgeholt zu werden, sah Frona jetzt die Post in Haufen liegen. Aufgeregte Leute schrien nach ihrer Korrespondenz. Auch die Waage vor der Theke war umlagert. Ein Indianer warf seinen Packen auf das Wiegebrett, ein weißer Beamter kritzelte das Gewicht in sein Notizbuch, ein neuer Packen flog heran, verschnürt und bereit, auf dem Rücken eines Mannes über den Chilcoot zu reisen.
Zu Fronas Zeiten war hin und wieder einmal das Gepäck eines Goldgräbers oder Händlers für sechs Cent das Kilo über den Chilcoot transportiert worden. Der Chechaquo, dessen Gepäck gerade abgewogen wurde, sah traurig in seine Brieftasche.
»Acht Cent«, bot er dem Indianer.
Großes Hohnlachen.
»Vierzig Cent«, verlangte die Rothaut.
Der Mann sah sich ängstlich um, mit tieftraurigem Gesicht. Er las das Mitgefühl in Fronas Augen und starrte sie an.
»Stellen Sie sich vor, Fräulein, drei Tonnen Gepäck hab’ ich und soll vierzig Dollar für hundert Pfund bezahlen! Das sind 2400 Dollar für dreißig Meilen!« schrie er ganz verzweifelt. »Was soll ich tun?«
Frona riet ihm: »Bezahlen Sie die vierzig Cent, sonst schmeißen sie Ihnen den ganzen Kram vor die Füße.«
Der Mann sagte: »Danke, Fräulein«, befolgte aber ihren Rat nicht, sondern fing wieder an zu handeln. Der erste Indianer trat vor und streifte sich, ohne ein Wort zu sagen, die Tragriemen ab. Als der Goldsucher sich eben entschlossen hatte nachzugeben, erhöhten die Lastträger ihren Preis auf 45 Cent. Er lächelte trüb und nahm auch diese Forderung an, aber in diesem Augenblick trat ein anderer Indianer zu der Gruppe, flüsterte ein paar Worte, und gleich darauf ertönte ein Hurra.
Im Handumdrehen hatten alle Indianer ihre Lasten abgeworfen und liefen davon, um die Nachricht zu verbreiten, von dieser Stunde an koste die Fracht nach dem Lindermannsee fünfzig Cent!
Über den Platz vor dem Hause gingen drei Männer, nach denen alle Gesichter sich drehten und alle Hälse sich reckten. Sie waren schlecht gekleidet, eigentlich zerlumpt. In einem zivilisierten Gemeinwesen hätte der Dorfpolizist ihre Papiere sehr genau angeschaut, denn er hätte sie für Vagabunden gehalten.
»Der Franzosen-Louis!« flüsterte ein Chechaquo seinem Kumpan zu. »Besitzt drei Eldorado-Claims in einem Block! Seine zehn Millionen ist der schwer!«
Der Franzosen-Louis hatte irgendwo unterwegs seinen Hut verloren und durch ein ausgefranstes seidenes Tuch ersetzt. Trotz seinen zehn Millionen trug er das Gepäck selbst auf seinem breiten Rücken.
»Der mit dem Bart ist der Stromschnellen-Bill, auch einer von den Eldorado-Königen.«
»Woher wissen Sie das?« fragte Frona misstrauisch.
»Woher ich das weiß? Ich weiß es eben, verstehen Sie, Fräulein! Wenn einer sein Bild alle fünf Minuten in sämtlichen Zeitungen hat, dann weiß man eben, wie er aussieht.«
»Wer ist der Dritte?« fragte sie. Ihr Berichterstatter stellte sich auf die Zehenspitzen.
»Den kenn’ ich nicht«, gestand er betrübt. Dann fragte er seinen Nebenmann.
»Du, der Magere, mit dem ausrasierten Vollbart, der mit dem Lappen ums Knie, wer ist das?«
In diesem Augenblick aber stieß Frona einen Freudenschrei aus und stürzte auf den Mann mit dem Vollbart zu.
»Matt! Mein lieber, alter Matt!«
Der Mann schüttelte ihr die Hand, aber sein Gesicht schien misstrauisch. Er hatte keine Ahnung, mit wem er sprach.
»Du