Gesammelte Werke von Sir Arthur Conan Doyle: 52 Krimis & Historische Romane in einem Band. Arthur Conan Doyle

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Gesammelte Werke von Sir Arthur Conan Doyle: 52 Krimis & Historische Romane in einem Band - Arthur Conan Doyle

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sind’s, Watson!« sagte er. Er war in einem kläglichen Zustand der Nachwirkung des Giftes, und jeder Nerv an ihm zitterte.

      »Wieviel Uhr ist es denn, Watson?«

      »Bald elf.«

      »Und welchen Tag haben wir?«

      »Freitag, den 19. Juni.«

      »Gerechter Gott! Ich glaubte, es sei Mittwoch. Und es ist auch Mittwoch. Wie können Sie einen armen Kerl nur so erschrecken?« Mit diesen Worten begrub er sein Gesicht in den Händen und begann laut zu schluchzen.

      »Ich versichere Sie, daß es wirklich Freitag ist, Sie Mann des Jammers. Ihre Frau wartet nun seit zwei Tagen auf Sie. Sie sollten sich vor sich selber schämen!«

      »Das tue ich auch. Aber Sie täuschen sich, Watson, denn ich bin erst seit ein paar Stunden hier, drei – vier Pfeifen etwa – ich weiß nicht mehr, wie viele. Doch ich will mit Ihnen nach Hause gehen, denn ich möchte Käte, mein armes, liebes Kätchen, nicht ängstigen. Geben Sie mir Ihre Hand! Haben Sie einen Wagen hier?«

      »Ja, er wartet draußen.«

      »Dann will ich ihn benutzen. Doch, ich muß noch etwas schuldig sein. Sorgen Sie doch dafür, Watson. Ich bin ganz verwirrt und unfähig, mir selbst zu helfen.«

      Um der Einwirkung der abscheulichen, betäubenden Giftdämpfe zu entgehen, schritt ich mit angehaltenem Atem den schmalen Gang zwischen der Doppelreihe von Schläfern entlang und suchte nach dem Wirt. Als ich an der hageren Gestalt bei dem Kohlenbecken vorüberkam, fühlte ich mich am Rockschoß gezupft, und eine leise Stimme flüsterte mir zu: »Gehe an mir vorüber, und dann sieh dich nach mir um.« Diese Worte trafen mein Ohr ganz deutlich. Ich blickte auf. Sie konnten nur von dem Alten neben mir herrühren, und doch saß er so geistesabwesend, schlotterig und vom Alter gebeugt da wie zuvor; seine Opiumpfeife baumelte ihm zwischen den Knieen, als wäre sie eben den schlaffen Fingern entglitten. Ich ging zwei Schritte weiter und sah zurück. Und nun bedurfte ich meiner ganzen Selbstbeherrschung, um nicht einen Schrei maßlosen Erstaunens auszustoßen. Er hatte sich so umgewendet, daß ihn niemand außer mir sehen konnte. Seine Gestalt war voll geworden, die Runzeln waren verschwunden, die matten Augen hatten ihr Feuer wieder gewonnen – kurz, der Mann, der da am Feuer saß und sich an meiner Überraschung höchlich belustigte, war niemand anders als Sherlock Holmes. Er gab mir einen Wink, mich ihm zu nähern, und als er das Gesicht den andern wieder zuwandte, nahm es sofort wieder den Ausdruck schlaffen Alters an.

      »Holmes!« flüsterte ich, »wie kommst du nur in dieses Loch?«

      »So leise wie möglich«, antwortete er, »mein Gehör ist vorzüglich. Wenn du die Güte hättest, dich deines jammervollen Freundes dort zu entledigen, so wäre es mir sehr erwünscht, ein wenig mit dir zu plaudern.«

      »Draußen habe ich einen Wagen stehen.«

      »Dann schicke ihn doch nach Hause. Es ist keine Gefahr dabei, denn er fühlt sich zu schlaff und matt, um weiteres Unheil anzurichten. Auch möchte ich dir empfehlen, deine Frau durch den Fahrer wissen zu lassen, daß wir etwas zusammen vorhaben. Wenn du so lange draußen warten willst, so bin ich in fünf Minuten bei dir.«

      Sherlock Holmes etwas abzuschlagen, war äußerst schwierig, denn er trug seine Bitten stets mit der größten Ruhe und Entschiedenheit vor. Zudem hatte ich das Gefühl, daß, sobald Whitney im Wagen säße, auch meine Verpflichtung gegen ihn zu Ende sei; und was konnte ich mir eigentlich Besseres wünschen, als eines der wunderlichen Abenteuer mitmachen zu dürfen, wie sie meinem Freunde zum Lebensbedürfnis geworden waren? In wenigen Minuten war der Zettel an meine Frau geschrieben, Whitneys Rechnung bezahlt, er selbst in den Wagen gesetzt und durchs Dunkel der Nacht davongefahren.

      Kurz darauf stieg eine verkommene Gestalt aus der Opiumhöhle empor, und an meiner Seite schritt Sherlock Holmes. Zwei Straßenlängen weit schleppte er sich mühsam mit gebücktem Rücken und unsicherem Tritt vorwärts. Dann blickte er um sich, richtete sich auf und brach in ein herzliches Lachen aus.

      »Und nun Watson«, sagte er, »bildest du dir gewiß ein, daß nun auch noch das Opiumrauchen zu den Kokaineinspritzungen und all den andern kleinen Schwächen gekommen ist, die mir die schätzenswerte Bekanntschaft mit deiner medizinischen Erfahrung nebenbei eingetragen hat.«

      »Allerdings war ich überrascht, dich hier zu sehen.«

      »Und ich nicht minder dich …«

      »Ich suchte einen Freund.«

      »Und ich einen Feind.«

      »Einen Feind?«

      »Ja, einen meiner natürlichen Feinde, oder, daß ich es richtiger sage, meine natürliche Beute. Mit einem Wort, Watson, ich stecke eben in einer ganz merkwürdigen Geschichte und hatte gehofft, in dem unzusammenhängenden Geschwätz dieser Kerle einen Schlüssel zu finden, wie mir das schon mehrfach geglückt ist. Wäre ich jedoch in diesem Loche erkannt worden, so war’s um mich geschehen, denn ich habe es früher schon für meine Zwecke ausgebeutet, und der Malaie, der Schurke von einem Wirt, hat mir Rache zugeschworen. An der Rückseite des Gebäudes befindet sich eine Falltür, in der Nähe der Paulswerfte, die könnte Schaudergeschichten erzählen von dem, was in mondlosen Nächten da schon hinabgestürzt ist.«

      »Wieso? Du meinst doch nicht etwa, daß Leichen …?«

      »Jawohl, Leichen, Watson; wir wären reiche Leute, wenn wir für jeden armen Teufel, der dort auf ewig stumm gemacht worden ist, unsere tausend Pfund bekämen. Es ist die scheußlichste Mördergrube auf dieser ganzen Uferseite, und ich fürchte sehr, daß Neville St. Clair hier hineingeraten ist, um nie wieder herauszukommen.« Damit steckte er beide Zeigefinger zwischen die Zähne und ließ einen schrillen Pfiff ertönen, dem ein ähnlicher aus einiger Entfernung antwortete, worauf sich Rädergerolle und Pferdegetrappel hören ließen. »Nun, wie ist’s, Watson«, fragte Holmes, als ein großer Jagdwagen aus der Dunkelheit auftauchte, dessen Seitenlaternen zwei lange goldene Lichtstreifen vor sich herwarfen. »Du gehst doch mit?«

      »Gern, wenn ich dir nützlich sein kann.«

      »Ein treuer Freund ist immer nützlich und vollends noch, wenn er zugleich ein Mann der Feder ist. Mein Zimmer ›zu den Cedern‹ hat zwei Betten.«

      »Zu den Cedern?«

      »Ja, nämlich in St. Clairs Haus, denn dort wohne ich, solange meine Nachforschungen dauern.«

      »Wo liegt es denn?«

      »Bei Lee in Kent. Wir haben eine Fahrt von sieben Meilen vor uns.«

      »Aber ich weiß ja von gar nichts.«

      »Natürlich, doch wirst du bald alles erfahren. Sitze nur auf. Schon gut, Johann, wir kutschieren selbst. Hier ein Trinkgeld. Morgen gegen elf Uhr können Sie mich erwarten. So, jetzt lassen Sie los, und nun vorwärts!«

      Er versetzte dem Pferd einen leichten Schlag mit der Peitsche, und wir flogen dahin durch die endlosen, dunklen, einsamen Straßen, die sich allmählich erweiterten, bis wir über eine breite Brücke sausten, unter der der schlammige Fluß träge dahinfloß. Auch drüben dasselbe Häusermeer; nichts als der gleichmäßige Schritt der Schutzleute oder das Johlen verspäteter Nachtschwärmer unterbrach die nächtliche Stille. Eine dunkle Wolkenmasse zog langsam am Himmel dahin, und nur matt schimmerte da und dort ein Stern durch das Gewölk auf. Schweigend lenkte Holmes das Gefährt, den Kopf auf die Brust gesenkt und mit dem Ausdruck eines Mannes, der ganz in Gedanken verloren ist, während

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