Heimatkinder Staffel 3 – Heimatroman. Kathrin Singer

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Heimatkinder Staffel 3 – Heimatroman - Kathrin Singer Heimatkinder Staffel

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zart streichelten, schienen magische, beruhigende Ströme auszugehen, denn das Tierchen wurde zunehmend sicherer und tat einige Schritte.

      Julia aber eilte in die Küche. In einer Ecke des Schrankes stand noch eine Milchflasche mit Gumminuckel. Sie bereitete ein Gemisch aus Milch und Haferschleim. Als sie wieder in den Garten hinauskam, war das Reh bereits so zutraulich, dass die Kinder es vorsichtig streicheln durften. Nach einiger Mühe begann es tatsächlich an der Flasche zu saugen. Offensichtlich war er sehr hungrig.

      »Das arme kleine Bambi«, flüsterte Heidi. »Nun hat es keine Mami mehr – genau wie wir.«

      Julia schluckte. Sie bemerkte, dass der Forstmeister sie ansah. Als sie langsam den Kopf drehte, blickte er schnell wie ertappt zur Seite.

      Später bereiteten sie dem Findelkind aus dem Wald einen behaglichen Schlafplatz im Stall des Forsthauses.

      »Von hier aus hat es Auslauf in den Garten«, erklärte Matthias Hartmann. »Ich muss nachher nur noch einige Stellen im Zaun ausbessern, damit es nicht fortläuft.«

      »Ich helfe Ihnen dabei«, erwiderte Julia spontan.

      »Aber das ist doch nicht nötig, so etwas gehört nicht zu Ihren Pflichten.«

      »Sie werden sich wundern, es sind eine ganze Menge Löcher im Zaun«, meinte Julia und lächelte ihn an. »Das schaffen Sie gar nicht allein.«

      Er wurde rot. »Ja, ich habe die notwendigen Arbeiten hier in letzter Zeit wohl etwas vernachlässigt.«

      »Als ob der Zaun bisher wichtig gewesen wäre. Garten und Wald gehen sowieso ineinander über. Sehen Sie darin bitte keinen Vorwurf, ich finde das schön!« Sie zögerte einen Moment, bevor sie fortfuhr: »Ich finde es hier bei Ihnen überhaupt wunderschön, fast wie im Paradies.«

      »Das freut mich«, erwiderte der Forstmeister knapp, doch Julia bemerkte, dass er von ihren Worten tiefer berührt war, als er eingestehen wollte.

      An diesem Nachmittag besserten sie zusammen den Zaun aus, während sich die Kinder sehr behutsam mit dem Reh beschäftigten, das Heidi auf den Namen »Bruni« getauft hatte. Zum ersten Mal arbeiteten sie gemeinsam und waren einander auf eine unerklärliche Weise nahe. Matthias Hartmann erwies sich als wortkarg, doch seine Blicke verrieten seine Bewunderung. Julia ahnte nicht, dass sie sich auch bei dieser handwerklichen Tätigkeit leicht und graziös wie eine Waldelfe bewegte. Wenn sich Sonnenreflexe in ihrem losen Haar verfingen, schien sie ein Glorienschein zu umgeben. Sie wirkte hinreißend natürlich, als sei sie ein Geschöpf der Wälder, völlig unverbildet, als sei sie seit ihrer frühesten Kindheit barfuß über Moospolster gesprungen.

      Von diesem Tag an gab Matthias Hartmann seine Zurückgezogenheit auf. Immer häufiger blieb er nach dem Abendessen im Wohnzimmer sitzen, um zu plaudern, um mit den Kindern zu spielen oder auch einmal einen Film im Fernsehen anzuschauen, Heidi und Carsten genossen es offensichtlich, dass ihr vermeintlicher Vati sich jetzt sogar dazu überreden ließ, mit ihnen und Tante Julia »Mensch-ärgere-dich-nicht« zu spielen. Als sie ihn einmal beim Mogeln ertappten, jubelten sie lauthals. Es schien, als sei der ernste, düstere Mann plötzlich zugänglicher und aufgeschlossener geworden.

      Etwa eine Woche nach Björns Abreise erhielt Julia einen Brief vom Bruder des Forstmeisters. Matthias Hartmann legte ihr das Kuvert auf den Tisch, wortlos, doch mit einem bedeutungsvollen, fragenden Blick.

      So beiläufig wie möglich steckte sie den Brief ein, als handelte es sich um ein völlig uninteressantes Reklameschreiben. Sie versuchte, Gleichgültigkeit vorzutäuschen, obwohl ihr Herz schmerzhaft hämmerte.

      Als sie in der Küche allein war, ließ sie sich auf einen Hocker sinken und riss den Umschlag mit zitternden Fingern auf. Ihre Blicke flogen über das Papier:

      Liebste Julia!

      Ich glaube, Du hast mich verhext, mein Kleines, denn Du bist in meinen Gedanken und in meinen Träumen – immerzu – Tag und Nacht. Ein Mädchen wie Du ist mir in meinem ganzen Leben noch nicht begegnet. Ja, Du bist einmalig, mein Schatz, aber auch einmalig rätselhaft. Nein, ich bin nicht schlau aus Dir geworden. Was empfindest Du für mich? Manchmal warst Du so zärtlich, so hinreißend. Dann wieder ablehnend, ganz kühl, als ob Du mich nicht leiden könntest. Hältst Du mich für einen leichtsinnigen Burschen, dem man nicht über den Weg trauen darf? Hat Dich mein lieber Bruder in dieser Ansicht bestärkt?

      Es stimmt, ich habe ein unstetes Leben geführt, bin durch die ganze Welt zigeunert. Das ist sicher nicht die Art Leben, die eine Frau von einem Mann erwartet – es sei denn, sie wäre selbst ein Mensch, der das Abenteuer liebt. Tust Du das? Ich weiß es nicht.

      Julia ließ den Brief in den Schoß sinken. Wer weiß, wie sie diese Frage noch vor Kurzem beantwortet hätte. Sie hatte oft Sehnsucht nach der großen weiten Welt verspürt. Hätte für ihr Leben gern Reisen in ferne Länder gemacht. Aber heute? Jetzt, da es die Kinder in ihrem Leben gab? Nein, sie sehnte sich nicht mehr nach Abenteuern und einem ungebundenen Leben. Sie hatte eine Aufgabe gefunden.

      Mit einem Seufzer las sie Björns Brief zu Ende:

      Ich will keine großen Versprechungen machen, liebste Julia, aber für ein Mädchen wie Dich könnte ich meine heißgeliebte Freiheit opfern. Wenn ich nur wüsste, wie Du zu mir stehst? Darum bitte ich Dich, mein Kleines, denke darüber nach, in aller Ruhe, ob Du Dir eine gemeinsame Zukunft mit einem halb zivilisierten Kerl wie mir vorstellen könntest. Ich stelle Dir diese Frage absichtlich schriftlich, um Dir viel Zeit zu geben, Deine Entscheidung zu treffen. Vielleicht komme ich für Dich überhaupt nicht in Betracht. Vielleicht war es nur die laue Sommernacht, die Dich verführt hat – und nicht ein ungehobelter Klotz namens Björn Hartmann.

      Bitte, Liebste, antworte mir, wenn ich zurückkomme – voraussichtlich in vier Wochen. Ich muss jetzt erst einmal einen großen Geschäftsabschluss unter Dach und Fach bringen. Ein gewisses finanzielles Polster wäre doch nicht zu verachten, wenn man darangehen möchte, einen eigenen Hausstand zu gründen, nicht wahr?

      Also, ich warte sehr gespannt und voller großer Hoffnungen, mein Kleines. Alles Liebe und Gute, Dein Björn.

      Julia schnellte vom Hocker. Wie ein gefangenes Raubtier begann sie in der Küche auf und ab zu laufen. Ihr Herz jagte. Ihre Hände waren schweißnass und eiskalt.

      Björn – wie eine Vision sah sie sein lachendes, sonnengebräuntes, sympathisches Gesicht vor sich. Seine Augen, die so herausfordernd glitzerten! Wie in einem überdeutlichen Traum erlebte sie sekundenschnell seine Zärtlichkeiten, seine Umarmungen, spürte seine Lippen, seine Hände.

      »Nein!« Gequält stieß sie diesen abwehrenden Ruf aus. Nein, es durfte nicht sein.

      Ihre Zukunft waren Heidi und Carsten, und darum musste sie Matthias Hartmann heiraten.

      Der Förster hatte sein Verhalten ihr gegenüber geändert. Manchmal glaubte sie in seinen dunklen Augen verstohlene Zärtlichkeit zu lesen.

      Sie hatte diesen ruhigen, unerschütterlichen Mann gern. Sie liebte ihn nicht leidenschaftlich, aber eine Heirat mit ihm wäre kein Opfer!

      Wenn sie Matthias Hartmanns Ehefrau würde, gründete sie ihr Leben auf einem Fels.

      Wenn sie Björns Heiratsantrag annahm, baute sie auf Sand. Björn war ein hinreißend sympathischer, aber auch ein leichtsinniger Abenteurer. Vielleicht würde sie ein paar berauschende, wilde Jahre mit ihm verbringen. Aber dann? Kannte ein Mann wie Björn Treue? Sie wagte es zu bezweifeln, in ihrem Herzen tobte ein Kampf. Wenn die Kinder nicht wären – wahrscheinlich

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