Der Landdoktor Staffel 3 – Arztroman. Christine von Bergen
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Die jüngere der beiden Schwestern blinzelte in die Runde. Ihre aufgeworfene Oberlippe gab dem hübschen Gesicht der Sechzehnjährigen einen trotzigen Ausdruck.
»O Mann«, maulte sie verschlafen, drehte sich um und tappte davon.
»Ganz wichtig ist, dass Ihre Mutter jeden Tag regelmäßig ihre Medizin und das Spray nimmt«, beantwortete er nun Angelas Frage, ohne Jennys rüdes Verhalten zu kommentieren. »Ein Urlaub am Meer könnte auch Wunder wirken«, fügte er hinzu.
»Angela kann doch nicht weg von hier«, warf seine Patientin ein.
Er hob die Brauen. »Sie können doch mit Ihrem Mann allein fahren.«
»Nein, ohne Angela möchte ich nicht fahren«, entgegnete Monika Häferle mit nun fester Stimme. »Sie vergessen, dass ich auch noch Arthrose im Knie habe und meine Tochter mir an manchen Tagen sogar beim Anziehen helfen muss. Das kann mein Mann doch nicht mit nur einem Arm.«
Matthias sah Angela an, die ihm ein fernes Lächeln schenkte. In ihren großen Augen, denen der dichte dunkle Wimpernkranz noch mehr Tiefe gab, lag ein weher Zug, der ihm mehr verriet als alle Worte.
Die Arme, musste er wieder einmal denken. Welch schwere Last lag doch auf diesen schmalen Schultern.
»Wie dem auch sei, Frau Häferle«, erwiderte er ein wenig kühler. »Ich kann Ihnen nur raten, entscheiden müssen letztendlich Sie.« Er stand auf und steckte das Stethoskop in die Ledertasche. »Haben Sie noch Medikamente und Spray?«
»Angela hat vergessen, heute das Spray zu besorgen«, antwortete Monika nicht ganz ohne vorwurfsvollen Unterton.
»Ja, ich habe es wirklich vergessen«, gestand die junge Frau leise. »In der Tankstelle war so viel zu tun«, fügte sie noch leiser hinzu.
Er griff in seine Tasche und reichte ihr das Spray, welches er stets bei sich hatte. »Hier. Für den Rest der Nacht. Aber Sie sollten es auch nehmen«, fügte er in strengem Ton an ihre Mutter gewandt hinzu. »Ich weiß, dass Sie in diesen Dingen manchmal sehr nachlässig sind.«
»Wenn Angela oder mein Mann vergessen, es auf meinen Nachttisch zu stellen …«, verteidigte sich seine Patientin.
»Frau Häferle, verzeihen Sie, aber Sie sind nicht todkrank«, widersprach er ihr mit ernstem eindringlichem Blick. »Dafür können Sie selbst sorgen.«
»Ist ja schon gut«, erhielt er die gemurmelte Antwort.
»Ich begleite Sie hinunter, Herr Doktor«, bot sich Axel Häferle nun an, dem die spannungsvolle Stimmung im Schlafzimmer unangenehm sein mochte.
»Achten Sie darauf, dass Ihre Frau nicht zu unselbstständig wird«, gab der Landdoktor ihm bei der Verabschiedung mit auf den Weg. »Sonst wird die Belastung für Ihre ältere Tochter zu groß. Angela schaut jetzt schon ziemlich durchsichtig aus.«
»Angela ist stark«, versicherte Axel Häferle ihm stolz und voller Zuversicht. »Wenn wir sie nicht hätten…«
*
Am nächsten Morgen warf Angela einen Blick auf die Nachttischuhr.
Schon halb sechs. Zeit, um aufzustehen. Um sieben Uhr musste sie die Tankstelle öffnen, vorher ihrer Schwester das Frühstück machen. Ihre Eltern frühstückten erst später.
Nur noch ein paar Minuten, dachte sie. Nur noch ein paar Minuten ruhig liegen und sich an den Tag mit seinen Aufgaben und Pflichten gewöhnen. Sie hatte nur vier Stunden Schlaf bekommen. Bis nach Mitternacht war sie bei ihrer Mutter geblieben, die ihr im Flüsterton von ihren Verehrern in der Jugend erzählt hatte.
Das war das Lieblingsthema von Monika Häferle. Angela kannte die Geschichten bereits auswendig, tat ihrer Mutter zuliebe jedoch so, als würde sie stets neue Aspekte an ihnen entdecken. Dabei hatte ihr Vater an der Seite seiner Frau tief und fest geschlafen, und Monikas Augen hatten verschwörerisch gefunkelt. Solch intime Stunden mit ihrer Ältesten liebte sie über alles. Angela schmunzelte in sich hinein.
Dann gab sie sich einen Ruck und stand auf. In ihrem Badezimmer, sie bewohnte ein hübsches Apartment im Haus ihrer Eltern mit eigenem Eingang, schaute ihr aus dem Spiegel ein müdes Gesicht entgegen. Bleiche Haut, erschöpft blickende Augen, und ihr Haar hatte auch seinen ehemaligen Glanz verloren. An diesem Morgen sah sie wieder einmal älter aus, als sie war. Wie so häufig in letzter Zeit. Dazu kamen die Schmerzen. Kopfschmerzen, Gliederschmerzen, Schwindel und immer wieder andere Beschwerden. Heute Morgen dröhnte ihr der Kopf, als würde ein Orchester in ihm spielen.
Während sie unter der Dusche stand, versuchte sie, dies zu ignorieren. Hastig zog sie sich an und lief hinüber ins Haupthaus, wo sie den Tisch deckte und eine Schale mit Müsli befüllte, jedoch nicht mit der Sorte, die ihre Schwester am liebsten mochte. Gestern war sie nicht zum Einkaufen gekommen. Sie hoffte, Jenny würde es dennoch essen. Wenige Minuten später wurde sie eines Besseren belehrt.
»Du weißt genau, dass ich diese Körner nicht mag«, maulte ihre Schwester mit unausgeschlafener Miene. »Außerdem machen die nur noch dicker. Ab heute esse ich morgens nur noch Obst«, fügte sie mit trotziger Miene hinzu.
Angela lächelte nur.
Wie oft schon hatte Jenny versucht, ihren Babyspeck loszuwerden. Sie selbst hatte im Alter ihrer Schwester keinen gehabt, aber Jenny kam auf ihre Mutter und ihren Vater, die beide zum Übergewicht neigten.
»Was macht Jimmy?«, erkundigte sie sich, um das Schweigen in der Küche zu unterbrechen.
Umgehend blitzten Jennys dunkle Augen zornig auf.
»Warum, glaubst du, will ich zukünftig nur noch Obst essen?«, platzte es ihr heraus. »Für Typen wie Jimmy bin ich zu dick. Der steht auf ganz Schlanke mit dünnen Beinen. Aber sag mal, macht es dir eigentlich Spaß, in dieser Wunde herumzurühren?« Sie warf ihr trockenes Stück Brot auf den Tisch und sprang auf.
»Entschuldige«, erwiderte sie hastig. »Du hast recht, das war eine blöde Frage. Ich bin halt noch nicht ausgeschlafen«, fügte sie zwinkernd hinzu.
»Das solltest du aber«, entgegnete Jenny spitz. »In ein paar Minuten musst du die Tankstelle aufschließen.«
Angela öffnete den Mund, hatte schon eine rüde Zurechtweisung auf den Lippen, dann jedoch schwieg sie.
Warum sich aufregen? Der Krach mit ihrer Schwester gehörte in dieser Phase zum Alltag. In gewisser Weise verstand sie Jenny ja sogar. Sie neidete ihr die Figur und dass sie so viele Verehrer hatte, die sie jedoch auf Abstand hielt. Für die Liebe hatte sie keine Zeit.
*
»Ich bin’s, Claudia.«
Angela ließ sich mit dem Telefon aufs Sofa fallen.
»Schön, dass du dich meldest«, begrüßte sie ihre ehemalige Kollegin aus Freiburg.
»Störe ich?«
»Nein, ich freue mich. Nach getaner Arbeit bin ich gerade reingekommen und habe mir einen Saft eingeschenkt. Wie geht es dir?«
»Das wollte ich dich fragen«, erwiderte Claudia in ernstem Ton.