WASTELAND - Schuld und Sühne. Russell Blake
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Der Kurzwellenempfänger in der Ecke rauschte und verstummte dann wieder. Lucas sah zu ihm hinüber. »Irgendwas neues da draußen in der Welt?«
Duke lachte humorlos. Es klang wie ein raues Bellen. »Schwarze Helis. Die Russen kommen. Das Stromnetz wird bald in Ordnung gebracht. Ein Atomkraftwerk in Kalifornien hatte eine Kernschmelze und wir sind alle so gut wie tot. Such dir was aus.«
»Also der übliche alte Scheiß.«
»Genau.« Duke sammelte Gerüchte wie ein altes Fischweib und verbrachte Stunden damit, alle Funkfrequenzen abzusuchen, um mit anderen Überlebenden Informationen auszutauschen. Es war so etwas wie sein Hobby, aber er war tatsächlich auch einer der Ersten gewesen, die die Gefahr erkannt hatten, als der Kollaps begann. Die Medien hatten gern und oft gelogen, das Internet war im Namen der nationalen Sicherheit immer stärker zensiert worden und ehrliche Antworten waren rar. Man fand sie nur zwischen den Zeilen. Duke aber hatte Nachrichten aus dem ganzen Land von unabhängigen, gleichgesinnten Bürgern gesammelt, die sich schon Jahre im Voraus auf eine solche Katastrophe vorbereitet hatten und sich zu schützen wussten.
Als die ersten Opfer der Supergrippe in Asien und dem Nahen Osten zu beklagen waren, hörte er die Geschichten darüber von dem heimkehrenden Militärpersonal, das zu seinem Netzwerk gehörte. Und die Geschichten unterschieden sich erheblich von dem, was online oder in den Nachrichten zu finden war. Anders als frühere Grippepandemien hatte diese einen langsamen Infektionsverlauf mit zunächst milden, kaum erkennbaren Symptomen. Das erlaubte dem Virus, sich wie ein Lauffeuer zu verbreiten, bevor jemand die Gefahr erkannte. Zu dem Zeitpunkt, an dem die heimischen Medien und das CDC schließlich bereit waren zuzugeben, dass die Sterblichkeitsrate des hochinfektiösen, durch die Luft übertragbaren Virus bei fast 40 Prozent lag, war es schon zu spät. Zwar überlebten letztendlich 60 Prozent der Erkrankten, aber selbst diese Glücklichen waren für zehn Tage bis zwei Wochen ans Bett gefesselt. Die Übertragungsrate lag bei fast 96 Prozent und nur eine verschwindende Minderheit entkam der Erkrankung dank einer angeborenen Immunität.
In den frühen Tagen der Seuche grassierten diverse Verschwörungstheorien: über ein Laborvirus, einen Angriff auf die Vereinigten Staaten als Teil eines Plans zur Reduzierung der Weltbevölkerung, den Versuch einer Übernahme der Welt durch eine Gruppe von Eingeweihten. Besonnenere Stimmen erinnerten daran, dass so ziemlich alle einhundert Jahre irgendein Virus auftauchte, der dann einen Großteil der Weltbevölkerung auslöschte. Die letzte große Pandemie war die Spanische Grippe gewesen, die quasi den Ersten Weltkrieg beendet hatte, weil beide Seiten zu krank zum Kämpfen gewesen waren. Sie hatte in dieser Zeit, noch vor Erfindung der zivilen Luftfahrt, zehn bis zwanzig Prozent der Bevölkerung getötet.
Doch so schlimm die Supergrippe auch gewesen war, es war letztendlich der Zusammenbruch des Finanzsystems und des Rechtsstaats gewesen, das weltweit alles zum Einsturz brachte. Anders als im Jahre 1918 war das globale Finanzsystem wegen unregulierter Derivatgeschäfte viel zu stark vernetzt. Die riesigen US-Banken hielten Papiere von europäischen und asiatischen Banken im mehrstelligen Billionenbereich – und umgekehrt. Das bedeutete: Wenn auch nur ein Dominostein in der Reihe fiel, würde er alle anderen mitnehmen. Da die führenden Industrienationen von der Grippe außer Gefecht gesetzt waren, wurden Kredite in Höhe von hunderten Billionen Dollar fällig und wie in einer Kaskade war plötzlich jede Firma und jede Bank auf dem Planeten zahlungsunfähig, weil sie überschuldet war. Nachdem das Vertrauen erst einmal erschüttert war, brach der nächste Pfeiler der modernen Finanzsysteme in sich zusammen: Der Staat wurde zahlungsunfähig, nachdem die US-Pfandanleihen über Nacht wertlos geworden waren. Die Zentralbanken warfen die Druckerpressen an, in dem hoffnungslosen Versuch, dem Verfall noch entgegenzuwirken, doch das führte nur zu einem Vertrauensverlust in die eigene Währung. Die folgende Hyperinflation ließ selbst Zimbabwe wie einen Musterschüler in guter Haushaltsführung aussehen.
Als die Banken geschlossen blieben, die Kreditkarten nicht mehr funktionierten und niemand mehr Bargeld annehmen wollte, funktionierte gar nichts mehr, nicht einmal das Militär. Niemand war mehr bereit, für wertloses Papier zu arbeiten, das nur auf den leeren Versprechungen eines bankrotten Staates basierte.
Als der Preis für eine Gallone Benzin innerhalb von zwei Wochen von drei über dreißig auf dreihundert Dollar kletterte, brach der Glaube an die Fiat-Währungen und an die hochverschuldeten Staaten endgültig zusammen. Dieser Glaube aber war das Einzige, was das System über Generationen am Leben erhalten hatte.
Die Amerikaner mussten schnell feststellen, dass ihr sogenannter Reichtum ein recht fragiles Konstrukt war, das sich binnen weniger Tage in Luft auflösen konnte. Entsetzt sahen sie dabei zu, wie sich ihre Ersparnisse als Trugbild entpuppten. Und das geschah auch in jedem der anderen Länder der Welt, die alle vom selben Kartell vernetzter, privater Banken abhängig waren und die ihren Bürgern eingeredet hatten, dass wertloses Papier ein guter Gegenwert für ihre Arbeitskraft und ihren Landbesitz wäre. Als in den Städten Proteste aufflammten, was an der West- und an der Ostküste begann und sich ins Inland ausbreitete, waren die Behörden schon nicht mehr in der Lage, die Kontrolle aufrechtzuerhalten. Was zunächst nur kleine Aufstände in Baltimore, Los Angeles und New Orleans gewesen waren, wurde zu einer landesweiten Katastrophe, als die Verzweifelten sich gegeneinander wandten, in der Erkenntnis, dass Überleben eben kein Kinderspiel war.
Lucas wurde aus seinen Erinnerungen gerissen, als Aaron mit dem OP-Besteck zurückkehrte.
»Wie gewünscht, Boss«, sagte Aaron mit einem Grinsen und legte es neben Duke auf den Tisch. Duke öffnete die überdimensionierte Plastikbox und holte eine Flasche White Lightning und eine verwirrende Ansammlung chromglänzender Instrumente heraus. Er platzierte eine Metallschale, die er großzügig mit Alkohol füllte, neben dem Kopf der Frau. Danach blickte er nachdenklich auf die Flasche, nahm zwei Schlucke und rülpste.
Lucas versuchte sich nichts anmerken zu lassen. »Bist du sicher, dass du es auf die Reihe kriegst?«
»Das werden wir bald wissen.« Dukes Gesichtsausdruck verdüsterte sich. »Aaron, ich brauche mehr Verbandszeug. Und was ist mit dem Brenneisen?«
Aaron nickte. »Bin sofort wieder da.«
Duke beschäftigte sich damit, Skalpelle, Zangen, Klammern, Spanner und eine Menge anderer Instrumente in Alkohol einzulegen, bevor er sich wieder Lucas zuwandte. »Wir sollten uns vorher die Hände waschen. Willst du mir assistieren?«
»Sag mir, was ich tun soll, und ich versuch' es«, antwortete Lucas.
»Also zuerst wollen wir mal den ganzen Dreck runterwaschen. Und dann zieh dir ein frisches Hemd an. Sie braucht nicht noch eine Infektion von dem ganzen Straßendreck.«
»Ich hab keine Klamotten zum Wechseln.«
»Keine Sorge, ich schon. Wir setzen es einfach auf deine Rechnung.« Duke sah ihn prüfend an. »Ich hoffe, du hast ein paar wirklich gute Sachen dabei, sonst belieferst du mich für den Rest deines Lebens mit White Lightning.«
»Hab ein halbes Dutzend Schnellfeuergewehre. Dazu etwa 1000 Schuss Munition. Und ein paar Handfeuerwaffen. Kein Grund zur Aufregung.«
»Was für Gewehre?«
»AR-15 und AK.«
»Zustand?«
»Besser als deine Leber.«
Duke verzog das Gesicht zu einem schmerzlichen Grinsen.