WASTELAND - Schuld und Sühne. Russell Blake
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу WASTELAND - Schuld und Sühne - Russell Blake страница 3
Er nickte wie zur Bestätigung. Bei lockerem Trab konnte er die Urheber der Staubwolke bis zur Dämmerung erreicht haben. Lucas rückte das M4A1 Sturmgewehr auf seinem Rücken zurecht und tastete dann automatisch nach dem Schaft seiner 7.62 Remington 700 Police DM in dem Futteral neben seinem Knie.
Nicht, dass er sie heute benötigen würde.
Immer vorausgesetzt, dass die Staubwolke auch von der Herde stammte.
Es gab in diesen staubtrockenen Senken nicht viel zu holen, alle Gebäude waren vor langer Zeit aufgegeben und von allem befreit worden, was noch irgendeinen Wert darstellte. Aber das hielt die Plünderer aus Mexiko nicht auf, sich auf den Weg nach Norden zu machen. Die Situation südlich dessen, was einmal die Grenze gewesen war, war schlimm oder sogar schlimmer als hier. Und nach dem, was er bisher gehört hatte, war ein Menschenleben in den Augen dieser Aasgeier nicht viel wert. Sie lebten mehr recht als schlecht von dem, was sie sich Zusammenstahlen, und würden jedermann auf Sicht töten. Dabei spielte es keine Rolle, ob er ein Gringo oder ein Mexikaner war.
Das war auch einer der Gründe, warum Lucas die verwaisten Highways mied, welche die Gegend durchzogen. Der Asphalt war nicht nur schlecht für Tangos Hufe, sondern es gab dort auch die schauerlichen Überreste jener Fahrzeuge, die zurückgelassen worden waren, als den Leuten der Sprit ausging. Selbst jetzt, fünf Jahre nach dem Tag, von dem jeder gesagt hatte, dass er nie kommen würde, waren die Autobahnen immer noch unsicher. Es gab Gesindel, das dort lauerte, um Reisende zu überfallen – nicht selten verzweifelte Familien, die einen Handwagen mit ihren wenigen Habseligkeiten hinter sich herzogen, auf dem Weg zu einem Ort, von dem sie gehört hatten, dass das Leben dort besser sei. Das Benzin taugte schon lange nichts mehr, selbst der Diesel war rar, was die Überlebenden dazu zwang, auf andere Transportmittel zurückzugreifen – ob Fahrräder oder Lasttiere – es spielte keine Rolle, solange man nur in Bewegung blieb.
»Sinnlos«, stieß Lucas hervor und stutzte, als er hörte, wie gebrochen seine Stimme klang. Mit seinem Pferd zu reden war eine Sache, aber Selbstgespräche waren ein Warnsignal – eines von vielen, auf die er achten musste. Die Angst, durchzudrehen, war für ihn ein ständiger Begleiter, seit alles den Bach runtergegangen war.
Lucas schnalzte mit der Zunge und Tango lief los. Das Pferd trottete unsicher über die lose Erde. Der sanfte Windhauch war das einzige Geräusch neben Tangos Hufschlag und einem gelegentlichen Schnauben. Lucas Sinne sagten ihm, dass er allein war, aber er blieb wachsam. Seine Kleidung ließ ihn mit der Umgebung verschmelzen und er hoffte, dass seine abgewetzte Jeans, sein sandfarbenes Hemd und die Panzerweste in Wüstentarnung ihn zu einem schwierigen Ziel machen würden. Anders als im Film ist es nämlich verdammt schwer, ein bewegliches Ziel aus der Entfernung anzuvisieren, besonders bei stetigem Wind.
Er grunzte, als sie eine besonders schwierige Stelle überwanden und trieb Tango vorwärts, wobei Lucas' Lendenwirbel gegen den rauen Ritt protestierten. Was hätte er jetzt für einen Geländewagen gegeben. Oder wenigstens eine Enduro, ganz zu schweigen von einem Allradfahrzeug wie seinem alten Pick-up. Er hatte diesen großen Chevy geliebt. Der Wagen, genau wie das M4, waren die Vorteile seines Dienstranges gewesen: Einer der jüngsten Texas Ranger in der Geschichte der Truppe, der für die E Division von El Paso aus operiert hatte. Aber der Wagen, genau wie seine Truppe, waren Geschichte. Es war ein trauriger Tag gewesen, als er ihn mitten in der Wüste zurücklassen musste.
Die Sonne war ein Flecken roter Glut, der in einem Wolkenband versank, als er aus einiger Entfernung Gewehrschüsse hörte. Das unverkennbare Rattern automatischer Waffen ertönte aus der Ferne, kaum lauter als gedämpftes Feuerwerk, aber doch unverkennbar. Tango tänzelte auf der Stelle. Lucas Augen wurden schmal, während er sein Pferd beruhigte.
»Offenbar kam der Staub doch nicht von der Herde«, flüsterte er.
Nach ein paar Minuten hörte die Schießerei auf. Er schätzte, dass er noch gut eine Meile entfernt war. Lucas suchte den Horizont wieder mit dem Fernglas ab, konnte aber nichts erkennen. Was immer auch geschehen war, blieb außer Sicht, hinter der nächsten Hügelkette.
Instinktiv wollte er nach dem Rechten sehen – wenn eine Gruppe Bewaffneter in der Gegend war, musste er sich früher oder später Klarheit verschaffen und seine Suche nach den Wildpferden verschieben, bis die Bande die Gegend verlassen hatte. Er wollte die Tiere für Tauschgeschäfte nutzen – die Ranch hatte kaum noch Waren, die man an einem der Außenposten in der Nähe hätte eintauschen können – aber dafür musste er am Leben bleiben. Er konnte seine Spuren nicht verwischen, während er eine Herde wilder Mustangs trieb.
»Nun komm schon, Tango. Zeit, dass du dir deinen Futtersack verdienst.« Lucas führte das Pferd nach links, wollte einen weiten Bogen schlagen, um unbemerkt zu bleiben.
Purpurne und lachsfarbene Wolkenstreifen dominierten den Himmel, als er in der Nähe des Hügels abstieg und Tango an einem verkrüppelten Mesquitebusch anband. Er zog die Remington 700 aus dem Polster und klopfte auf die vier Reservemagazine mit 5.56 mm Vollmantelgeschossen für seine M4, die in seiner ATS Aegis V2 Plattenschutzweste steckten, gleich neben seinem ganzen Stolz an der Hüfte, einer Kimber 1911 Tactical Custom II Kaliber .45. Lucas prüfte, ob die Mündungsfeuerbremse auf dem M4 saß und ob die Waffe gesichert war. Dann hob er den Blick hinauf zu den schwarzen Umrissen der Geier, die über ihm kreisten.
Lucas nahm seinen Hut ab, als er auf die Anhöhe zukroch, und verharrte hinter einer Deckung aus dichtem Buschwerk.
Die Körper lagen über den Grund eines ausgetrockneten Flussbetts verstreut. Auf den ersten Blick konnte Lucas erkennen, dass die Gruppe in der Mitte von oben her angegriffen worden war – wegen ihrer Position war das offensichtlich. Sie waren gestorben, als sie den Angriff abzuwehren versuchten.
Er beobachtete das gesamte Areal mehrere Minuten lang durch sein Fernglas und nahm sich dabei die Zeit, die Leichen näher zu studieren: Vier Männer in Kleidung aus Armeebeständen, zwei von ihnen trugen Schutzwesten über ihren Tarnhemden, ihre Hände umklammerten noch immer die unverkennbaren Umrisse von AR-15 oder M16 Sturmgewehren. Zwei ihrer Pferde waren ebenfalls erschossen worden, ihre Kadaver schwollen bereits an. Ein einfaches Tragegestell aus überkreuzten Holzstangen lag hinter einem von ihnen. Ganz in der Nähe führte eine Spur dicker Blutstropfen in das Arroyo hinauf, möglicherweise von einem angeschossenen Pferd, denn es hatte geschafft, noch ein wenig Distanz zwischen sich und das Schlachtfeld zu bringen.
Fünf Angreifer lagen im Kreis um das Areal, ihr Blut benetzte den harten Fels dort, wo sie gefallen waren, als sie vorzurücken versuchten. Lucas konnte sich das Gefecht vor seinem geistigen Auge vorstellen. Er hatte ja gehört, dass der Schusswechsel kurz und heftig gewesen war. Den Spuren nach zu urteilen, war die kleine Gruppe, von Nordwesten kommend, entlang des ausgetrockneten Flussbetts auf einen See zugeritten, wo sie vermutlich die Nacht verbringen wollten. Die Angreifer hatten eine günstige Stelle ausgewählt und mit der Sonne im Rücken das Feuer eröffnet. Aber sie waren zu selbstsicher gewesen und zu hastig vorgerückt, wobei sie schwere Verluste hinnehmen mussten.
Mit zugekniffenen Augen spähte Lucas zu der steilen Felswand auf der anderen Seite des Einschnitts hinüber, die von Höhlenöffnungen durchlöchert war, besorgt wegen eines möglichen Hinterhalts. Eine Bewegung dicht bei einem der gefallenen Männer im Tarnanzug erregte seine Aufmerksamkeit und er beobachtete, wie ein Geier seinen blutigen Schnabel aus seinem Festmahl herauszog. Der große Aasvogel neigte den Kopf in seine Richtung und beobachtete ihn abschätzend, dann flatterte er einmal mit seinen schwarzen Schwingen und kehrte zu seiner Mahlzeit zurück. Er hatte entschieden, dass Lucas dort oben für ihn keine ernsthafte