Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe). О. Генри

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Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen &  Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe) - О. Генри

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und da ich diesen, um lieber zu arbeiten, nicht folgte, so kamen die Leute zu mir, um mich zur Schilderung unsers Lebens im Wildwest aufzufordern. Das paßte mir natürlich nicht, und damit es mir in Weston nicht ebenso ergehen möge, nahm ich mir vor, dort meinen Namen zu verschweigen. Und weil mein Pferd, dessen Beschreibung überall bekannt war, mich hätte verraten können, gab ich es einem Farmer in Pflege und fuhr mit einem Missouriboote von St. Joseph ab, nachdem ich nur meinen Wirt ins Vertrauen gezogen und ihm gesagt hatte, wo ich vorkommenden Falls zu finden sei.

      Ich muß sagen, daß ich seit langer Zeit nicht so anständig ausgesehen hatte wie jetzt in meinem neuen Habitus. Das Pferd hatte ich zurückgelassen, die Waffen, den Patronengürtel und alle andern Ausrüstungsgegenstände gut verpackt, und so konnte man mich wohl eher für alles andere als für einen Westmann halten, der sich soeben erst mit Lebensgefahr durch das Gebiet der feindlichen Komantschen und Kiowas geschlichen hatte.

      Als ich mich, in Weston angekommen, nach einer guten Logiergelegenheit erkundigte, wurde ich in ein Hotel gewiesen, welches zwar nur nach westlichen Anschauungen diese Bezeichnung verdiente, aber für mich, den anspruchslosen Mann, ganz genügend war. Ich verlangte vor allen Dingen Sauberkeit, und die fand ich hier, so daß ich beschloß, so lange da zu wohnen, wie ich überhaupt in Weston blieb.

      Der Wirt war ein Deutscher, die Wirtin eine freundliche, vor Reinlichkeit glänzende Frau, und auch der Oberkellner redete mich, als ich in das Gastzimmer trat, in deutscher Sprache an; er wurde Oberkellner genannt, obgleich es keinen Unterkellner gab.

      Dieser junge, vielleicht achtundzwanzigjährige Mann war ein außerordentlich schmächtiger und fast zu kleiner Mensch, denn er reichte mir nur bis an die Schulter, befand sich aber im Besitze eines desto größeren und außerordentlichen Schnurrbartes, auf den er große Stücke zu halten schien, weil er, wenn er nichts anderes zu thun hatte, ihn keinen Augenblick aus den Händen ließ. Nachdem ich von ihm bedient worden war, kehrte er zu der Zeitung zurück, bei der er vorher gesessen hatte, und während er las, hörte er nicht auf, den Bart nach rechts und links zu streichen. Plötzlich stieß er einen lauten Ruf der Überraschung aus, sprang auf und sagte zu dem Wirte, welcher rauchend und mich still beobachtend in meiner Nähe saß:

      »Mylord, ich muß Sie sofort für heut und morgen um Urlaub bitten!«

      Daß ein Kellner seinen Prinzipal mit Mylord antituliert, das hatte ich noch nicht gehört. War das hier im Hause so gebräuchlich, oder geschah es von dem kleinen Manne aus gewohnter, übertriebener Höflichkeit?

      »Urlaub heut?« fragte der Wirt. »Sind Sie des Teufels? Urlaub, wo die Jäger heut ihr Stiftungsfest feiern und bei uns große Festtafel mit Ball ist!«

      »Thut mir leid, Mylord,« äußerte sich der Kleine mit einer tiefen, bedauernden Verbeugung. »Ich bin bereit, Ihnen, hochverehrtester Herr, jedes Opfer zu bringen, nur dieses nicht. Ich muß nämlich mit ihm sprechen!«

      »Mit wem?«

      »Mit Old Shatterhand.«

      »Was? Wie?« rief der Wirt. »Old Shatterhand? Ist er etwa hier in Weston?«

      »Nein, aber in St. Joseph oben.«

      »Wissen Sie das?«

      »Ja. Hier steht es in der Zeitung zu lesen. Er ist vor einigen Tagen dort angekommen und hat sogleich einen Beitrag geliefert, welcher morgen erscheinen wird.«

      Ah, der pfiffige Herausgeber des Blattes machte das Publikum auf meinen Aufsatz aufmerksam, um möglichst viele Exemplare zu verkaufen! Die amerikanischen Zeitungen sind bekanntlich weniger auf die Abonnenten als vielmehr auf den Verkauf angewiesen.

      »Und da wollen Sie nach St. Joseph fahren?« fragte der Wirt.

      »Ja.«

      »Wissen Sie denn, wo er logiert?«

      »Nein, aber ich werde es sehr leicht erfahren.«

      »Sie werden es nicht erfahren!«

      »Warum?«

      »Weil Sie sich gar nicht danach erkundigen werden, denn ich kann Ihnen die Erlaubnis zu der Reise nach St. Joseph heut nicht geben.«

      Da machte der Kellner dieselbe tiefe Verbeugung wieder und antwortete:

      »Ich kenne nicht nur meine Pflicht, Mylord, sondern ich widme Ihnen auch die größte Hochachtung, deren mein Herz fähig ist, aber dennoch muß ich Ihnen durch die Mitteilung leid thun, daß ich diese Reise unbedingt machen muß.«

      »Aber doch nicht gleich heute!«

      »Allerdings gleich heute, denn morgen könnte Old Shatterhand nicht mehr zu haben sein.«

      »Aber Sie müssen doch einsehen, daß Sie mich in die größte Verlegenheit bringen, wenn Sie grad heut fortgehen.«

      »Das weiß ich freilich, kann es aber beim besten Willen nicht ändern. Ich habe Ihnen doch gesagt, daß ich nach dem Westen muß, und Sie darauf vorbereitet, daß mir jede Gelegenheit, diesen Vorsatz auszuführen, höher steht, als der Dienst in Ihrem Hotel.«

      »Aber was hat das mit Old Shatterhand zu thun?«

      »Bitte gehorsamst, diese Frage doch lieber nicht zu thun, weil sie sich ganz von selbst beantwortet. Ich werde Old Shatterhand bitten, mich mit nach dem Westen zu nehmen.«

      »Wissen Sie denn, daß er dorthin will?«

      »Ja. Wohin sollte er sonst wollen? Ein Westmann wie er gehört doch nach dem Westen!«

      »Er kann doch auch von dort kommen!«

      »Nein. Gestatten Sie, daß eine innere Stimme mir sagt, daß er nicht aus dem Westen kommt, sondern im Begriff steht, dorthin zu gehen! Eine bessere, eine vortrefflichere Gelegenheit, meinen Vorsatz auszuführen, kann ich ja niemals finden!«

      »Aber eine bessere Gelegenheit, sich hier bei mir nützlich zu machen und Geld zu verdienen, haben Sie auch noch nicht gehabt!«

      »Meine Absicht steht mir höher als alles Geld!«

      »Und Sie denken, daß Old Shatterhand Sie mitnehmen werde?«

      »Ich bin überzeugt davon.«

      »Mann, bilden Sie sich das nicht ein!«

      »Warum?«

      »Old Shatterhand wird sich hüten, sich mit Ihnen abzugeben. Man weiß ja, daß er am liebsten mit Winnetou allein ist und es so viel wie möglich vermeidet, daß sich andere an ihn hängen. Er pflegt da nur mit Leuten von Ruf eine Ausnahme zu machen.«

      »Er wird sie auch mit mir machen.«

      »Mit Ihnen, der Sie gar kein Westmann sind?!«

      »Ja.«

      »Das bezweifle ich.«

      »Gestatten Sie, daß mir meine innere Stimme sagt, daß er diese Ausnahme mit mir machen wird!«

      »Wird sich hüten! Ich sage Ihnen im voraus, daß Ihre Reise nach St. Joseph vollständig umsonst sein wird. Ich begreife überhaupt nicht, daß Sie auf den Westen so versessen sind. Sie haben es doch bei mir so gut, wie Sie es sich nur wünschen

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