Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe). О. Генри

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Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen &  Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe) - О. Генри

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gegangen.

      »Ich muß dich um etwas bitten. Du mußt womöglich heute noch abreisen.«

      »Heute – Vater?«

      »Rosmarie muß sich auch darein finden. Ja, ich hätte euch gerne noch ein paar schöne Tage gegönnt, aber so ist das Leben, – es macht jeden Tag ein anderes Gesicht. Ich habe eine nicht gerade angenehme Szene mit der Fürstin gehabt, und ich halte es für besser für das zukünftige Verhältnis, daß sie dich erst begrüßt, wenn sie in anderer Stimmung ist. Ich denke dabei an dich, Harro. Und wäre es nicht am besten, du gingest nach Thorstein und beschleunigtest den Bau?«

      »Du wolltest mir Rosmarie schon bald geben?«

      »Ich habe nicht an eine lange Wartezeit gedacht.«

      »Du vertraust sie mir an – ich weiß ja, wie sie geschont werden muß – ich verspreche dir.«

      »Nicht so stürmisch, es ist noch nicht alles spruchreif. Ich will, daß das Kind in die Ruhe kommt. Und ich meine, im Hinblick darauf sollte auch Rosmarie es verstehen, daß du gehst.

      Ich habe mir gedacht, du gehst jetzt in die Villa Riposa, frühstückst mit Rosmarie und bleibst bei ihr, ich will sagen bis elf Uhr, und verabschiedest dich dann gleich von ihr. Glaube mir, es ist alles wohl überlegt.«

      »Lieber Vater, wenn du mich doch dir danken ließest!«

      »Harro, du weißt, wie du allein mir danken kannst. Und wohin gehst du?«

      »Nach Rom, um dort abzubrechen, und dann sofort nach dem Thorstein. Ich wünsche mir sechs Arme, zwei Köpfe, – ich kenne ja Rosmaries Wünsche, und nun ich für sie arbeite!«

      »Harro, mach deine Sache gut bei Rosmarie.« –

      Harro trägt seinen Blütenzweig, und ehe er fortgeht, muß er noch einen Blick in den Spiegel werfen, wobei er rot wird. Die paar Silberhaare an den Schläfen machen ihm wenig. Alt fühlt er sich nicht, und wie er die Treppe hinunterspringt mit seinem Blütenzweig, ist's ihm, als sei er seit seinem zweiundzwanzigsten Jahre, wo er zugleich Vater und Heimat verlor, nicht mehr so jung gewesen.

      Rosmarie kommt ihm entgegen bis zu dem Palmengang, welch eine liebliche Röte liegt auf ihrem Angesicht.

      »Und du bist allein – ohne Vater und Mama?«

      »Die Fürstin habe ich noch nicht gesehen, sie muß wohl erst mit mir versöhnt werden, das heißt mit meiner neuen Würde. Und ich darf mit dir frühstücken.«

      Nicht einmal ihre Lippen berührt er, die schönen feingeschwungenen Lippen, die sich so gleich geblieben sind. Und nun kann Rosmarie Hausfrau spielen und ihm wieder wie in früheren Tagen Tee bereiten und seinem Blütenzweig ihre Wartung zukommen lassen. Eine verklärte Feierlichkeit liegt auf ihnen, und kaum wagt eines das andere anzusehen, als fürchteten sie sich vor dem Überschwang der Gefühle. Und die feinen Formen, in denen sie sich beide ihr Lebtag bewegt haben, geben ihrem Beisammensein eine vornehme Würde und Ruhe. Sie sprechen auch nur von Vergangenem. Auf der Gegenwart liegt ja noch ein morgenweicher Flaum, und die Zukunft ist ein so wunderbares Goldland. Darf man es denn glauben!

      Ist es denn möglich, daß ihre kühnsten Traume wahr werden könnten! Ach, alles ist noch so unwahrscheinlich, so unmöglich selig für ihr leidgewohntes Herz!

      Und nun stehen sie auf der kleinen Loggia und sehen in den blauen Morgen hinaus. Ein leiser Morgenwind rauscht in den Palmen, und fern liegt ein so unsäglich blauer Schein dazwischen, ein Stück auf den Boden gefallener Himmel, – das Meer. Wie die Rosen duften und dort die Veilchenbänke.

      »Nun kommt der Frühling, Rosmarie.«

      Es sind ja nur so kurze arme Worte, aber welch ein tiefer Sinn liegt jetzt in allem, an diesem Morgen, wo die Welt so neu ist, als wäre heut ein Schöpfungstag. War der Himmel je so blau, und kann das ein irdisches Meer sein?

      Da nimmt er sanft ihre Hand, und leise, schüchtern legt sie den Kopf an seine Schulter, beinahe, wie sie es als Kind getan. Und ein seliges Schweigen.

      Als flögen kleine Engel im holden Reigen um sie, als sängen Nachtigallen von allen Zweigen, als wäre zum ersten Male in diese Welt die holde Liebe herabgestiegen.

      Es tönt ein Schritt, Harro fährt zusammen, ach, die Paradieseszeit vergeht, und schon klopft das alte Leben an ihre Türe.

      »Rosmarie, wir müssen scheiden heut, nur für eine kurze Weile. Ich muß dir dein Haus, das schönste im ganzen Land, bauen, Liebste. Dein Vater wünscht, daß ich heute gehe. Ich habe ihm so unsäglich viel zu danken. Wir müssen gehorchen. Nicht erbleichen, Liebste! Sind wir je so hoffnungsvoll auseinander gegangen. Sei stark, Seele. – Hast du je zu hoffen gewagt, was uns gestern beschert wurde? Nun trag dein Glück in festen Händen, Liebste! Jetzt nicht trauern!«

      Rosmarie lehnt wortlos an seiner Brust.

      »Sieh auf, Holdseligste, kannst du jetzt nicht dein ganzes Herz zusammennehmen!«

      Oh, die lieben, lieben Worte, sie hat sie auf ihr Herz herabtauen lassen wollen. Nun flüstert sie:

      »Harro, ich will gar nicht, daß du jetzt hier bleibst. Und ich danke es dem Vater tausendmal, daß er dich jetzt fortschickt. Und all das – das Häßliche ganz allein auf sich nimmt. Und ich habe Mut, Harro. – Und alle meine Kerzen brennen.«

      Und Harro beugt sich herab und küßt zum erstenmal ihre reine weiße Stirne. Sie ist ihm so heilig in ihrer erst gestern erwachten Jungfräulichkeit. Und seine Schonung zeigt, daß er ihrer wert ist. Noch bebt sie ja wie ein schwaches Schilfrohr in seinem Arm, es ist noch Frühling, allererster Frühling in ihrem kaum dem Tod entrissenen Herzen, und der Sommer mit seiner Strahlenglut ist noch ferne.

      Und so scheiden sie. In Harros Herzen schlagen alle Lerchen zusammen, und ein Glanz und eine Weichheit ist in seinen Augen, wie er durch den strahlenden Morgen geht an jenem ersten Schöpfungstag. –

      Fürst und Fürstin speisen in bedrückendem Schweigen in ihrem hohen, sonndurchstrahlten Hotelzimmer. Der Fürst macht auch nicht den geringsten Versuch, das Morgengespräch zu wiederholen. Die Fürstin will nicht beginnen, zum ersten Male fürchtet sie sich ein wenig vor ihm, und das tut ihr ganz außerordentlich gut.

      Endlich erhebt sich der Fürst: »Ich werde jetzt nach Rosmarie sehen, Harro ist abgereist, und ich denke, wir werden ihn erst in Brauneck wiedersehen.«

      Die Fürstin sagt fast unterwürfig: »Ich werde mitgehen.« »Um so besser.«

      Und die beiden gehen den kurzen Weg, in das Gäßchen hinein kann man doch nicht fahren.

      Rosmarie kommt ihnen entgegen mit blühenden Wangen, wie zarte Kletterrosen, die nach innen hold erröten. Der Fürst ist sehr erstaunt, das hat er nicht erwartet nach dem Abschied heute morgen. Sie küßt ihrer Mutter, die ganz blaß geworden ist, die Hand: »Mama, ich danke dir, daß du kamst. Ach, wie hast du so Schlimmes von mir denken müssen!«

      Die Fürstin erwidert: »Du gibst also noch nichts zu und willst meine eigenen Augen nun ins Gesicht Lügen strafen!«

      »Ich meine, wir lassen diese Erörterung,« warf der Fürst nervös ein.

      »Lieber Vater, es muß doch gesagt sein. Mama hat das Recht, es zu erwarten. Ich kann freilich auch jetzt nicht mich zu etwas bekennen, was ich nicht

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