Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe). О. Генри

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Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen &  Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe) - О. Генри

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und steck ihn dir auf deinen Hut und trage ihn über die sieben, sieben Berge und die Schnee- und Eispaläste nach der geliebten Sonnenhalde, wo jetzt erst die schüchternen Maßliebchen und die gelben Hungerblümchen stehen zwischen den Steinen. Und laß den bittersüßen Hauch hereinwehen, daß er aufsehen muß von seiner Arbeit und hinausschlendern und ins Tal sehen!

      Du hast gewiß nicht gewußt, Harro, daß es so viel Nachtigallen in der Welt gibt, wie sie hier beisammen wohnen? Es scheint zurzeit ein großer gelber Mond, vor dem sich die Lisa fürchtet, weil er so gar nicht ist wie der Braunecker Mond. Und dazu singen die Nachtigallen. Und die Baumfrösche plappern, die kleinen, grünen, wer es am lautesten kann. Sie klappern wie Hunderte von kleinen Mühlen, und auch die mahlen lauter Liebe die ganze Nacht. Man kann gar nicht schlafen vor lauter Liebe.

      Vater ist nun in Brauneck angekommen und Tante Helen hier. Wie ist sie so gut und wunderlich. Sie meint, in allem schlage ich aus der Art, und ich dürfe mir nicht einbilden, das Leben werde mich stets wie Biskuitporzellan behandeln, wie bisher.

      Und dann küßt sie mich wieder und sagt: »Dir vor andern gönne ich es, daß es nach deinem Herzen geht. Ich möchte wissen, in wieviel Jahrhunderten du die einzige bist von Braunecker Töchtern, die sich nicht vor ihrer Hochzeit die Augen halb ausgeweint hat oder mit Stickrahmen, Papagei und Schoßhund im Prinzessinnenbau hat vorlieb nehmen müssen! O du Biskuitporzellan!«

      Und ich muß mich so nennen und mir erzählen lassen, wie man mit dem gewöhnlichen Geschirr, als solches rechnet sich Tante Helen, die doch auch Original Brauneck ist, verfahren hat. Und ich liebe sie innig, die Tante Helen.

      Mama ist in Wiesbaden, und es wird schwer sein, sie wieder nach Brauneck zu bekommen, gegen das sie nun immer erbitterter ist.

      Und das kränkt Vater, der doch denkt, daß es auf der Welt keinen besseren Ort zum Leben und Sterben gibt als Brauneck.

      Deine schöne Gruppe von der Prinzessin als Gänsemagd macht allen große Freude. Der Herr Professor setzt sich jedesmal so, daß er sie ansehen kann, und rückt ein wenig daran mit behutsamen Händen, daß er eine andere Silhouette davon bekommt und endlich mit sich im reinen ist, von welcher Seite sie am schönsten ist. Auch findet er, daß er sich noch nicht genug mit diesen interessanten Tieren, den Gänsen, befaßt und ihnen menschlich näher zu kommen versucht habe. Er habe sie bisher nur in gebratenem Zustand geschätzt. Aber dies sei nun ein vollständig überwundener, weil beschämend roher Standpunkt. Er ist überzeugt, daß die vordere Gans die ganze Situation, die dem Kürdchen erst dämmert, längst vollständig durchschaut hat. Darum wandelt sie auch so preislich voran. Und die zweite zischt verächtlich nach dem dummen Jungen, dem Kürdchen, und ist bereit, allerhand Angriffe, sei's von täppischen Bubenhänden, sei's von andern Kreaturen, von ihrer Prinzessin abzuwehren. Ist es nicht lieb von ihm, daß er sich so hinein vertieft hat? Und wie sehr wünscht er ein Bild von Dir zu sehen. Am liebsten den Ehrensaal. Und denke, er hat mir versprochen, uns in Thorstein zu besuchen.

      Ach, das fällt mir aufs Herz. Wie ich das zu sagen wage, – es will mir fast bange werden. Weißt du, so:

      »Welt, geh nicht unter, Himmel, fall nicht ein –«

       Liebster Harro, kann es denn wahr sein!

       Deine Rosmarie.

       Thorstein, den zwanzigsten Mai.

      Liebste, Holdseligste, o du mein blauer Himmel!

      Heute solltest Du den Brunnen hören mit seinem Amsellied. Die Amsel sitzt oben auf der alten Tanne und singt und singt. Und was der Brunnen daraus macht, das ist so, wie das, was Du aus meinen Bildern machst. Sein alter grüner Samtmantel leuchtet plötzlich auf, wie berührt von einer Lichtwelle, unsäglich schön ist das! Und zuerst kommt es mir vor, als müsse er leuchten über seiner Musik, wie beseelt sieht er aus. Schließlich wird es mir doch zu merkwürdig, abends schlafen seine Farben ja immer. Da finde ich, daß es der Reflex von dem Sonnenglast auf den neuen Fenstern vom Hause her ist. Eine kindische Freude habe ich darüber, es muß ihn ja auch freuen, daß er nun so beglänzt wird, aus der Sonnenhöhe herunter.

      Nun, das wirst Du auch einmal sehen. Und ich verspreche ihm jeden Tag, daß die Holdseligste einmal auf seinem grüngrünen Rande sitzen wird, ihre langen Flechten herunterhängen lassen, und sein dunkles Auge das Weiß und Gold widerspiegeln wird. Dann ist ja die Fee von Schloß Schweigen wieder zu sehen. Weißt Du die Geschichte immer noch nicht?

      Gestern war Vater da, und wir stiegen wohl zwei Stunden lang überall herum zwischen Kübeln und Leitern und dem lieblichen Duft der Maurerspfeifen und -Koteletten. Was das letztere ist, wage ich meiner Mondscheinprinzessin nicht mitzuteilen. Es scheint den Leuten ein Lebensbedürfnis zu sein, und auch Vater hat großmütig über das eigentümliche Parfüm hinweggesehen. Er war zum Glück recht befriedigt, und ich habe ihm schwören müssen, alle Arbeiten, die nicht mit Pinsel und Palette gemacht werden können, wie Bildhauen, Schnitzen, nur unter strengstem Ausschluß der Öffentlichkeit zu verrichten. Freilich, das Schmollzimmer, das Deine Panneaux bekommt und in dem ich die Decke male, – ich will doch auch bei Deinen Kunstwerken vertreten sein, kann ich eben nur an Ort und Stelle malen. Ich verklackere mich noch entsetzlich bei der Plafondmalerei. Auf dieses wagte ich ihn nicht aufmerksam zu machen. Ich werde eben die Türen schließen.

      Als ich neulich ganz verkleistert und ein Anblick zum Erschrecken in mein Atelier kam und eine halbe Stunde brauchte, das Zeug aus meinen Haaren zu kriegen, – natürlich hatte ich beständig meine Kappe verloren – da erquickte es mich ordentlich, abends von Michel Angelo selbst zu lesen, wie er seine Qualen beschreibt, als er die Sixtina ausmalte. Die betreffende Schilderung habe ich markiert, damit ich, wenn je Vater etwas von den Farbenorgien auf meinem Kopf, Kittel und Händen erfahren sollte, es ihm gleich vorhalten kann. Er muß dann wenigstens die gute Gesellschaft anerkennen, in der ich mich befinde.

      Aus dieser abendlichen Lektüre darfst Du übrigens nicht schließen, daß ich über Büchern sitze. O nein, ich arbeite wie ein Pferd, bis zwei Uhr nachts zuweilen, und wie ich auf meine Lagerstätte komme, weiß ich am andern Morgen gar nicht mehr. Es ist eine Wonne, so zu leben. Es fliegt mir auch alles. So habe ich noch nie in Farben und Formen geschwelgt.

      Ach Liebste –, eine Bitte von Deinem demütigen Harro! Versuche Dir auszudenken, daß das Braunecker Zeremoniell in mein Haus, fast hätte ich gesagt, meine Ruine, verpflanzt, Deinen untertänigsten Diener tief unglücklich machen würde. Die langen Mahlzeiten in der Zeit, wo die Arbeit am meisten fördert, das beständige Auf- und Abflirren von unbeschäftigten Lakaien in Schokolade- oder andern Farben! – Weißt Du, bei Euch sah ich sie gar zu oft, wie sie die Kastanien krummlehnten. Überlege Dir, Liebste, ob Du dies alles zu Deinem Glücke für unbedingt nötig findest. Ob Du Dir deklassiert vorkämest, wenn Dir einmal ein nettes, sauberes, freundliches Mädchen in einem weißen Häubchen die Schüsseln hereinbrächte? Wenn Dich aber nur die leiseste Furcht anwandelt, in diese Niederungen herabzusteigen, so will ich mich bescheiden. In einigem aber ahnt mir jetzt schon, daß ich stets hartnäckig bleiben werde. Das liegt schon daran, daß Du einen um sein Brot arbeitenden Mann haben wirst. Ich weiß wohl, daß Du mich gerne auf Daunen betten möchtest und jede Plage und Sorge von mir fernhalten und kein rauhes Lüftchen an mich heranlassen, wie Du ja jetzt schon Versuche machst.

      Aber in mir ist etwas, was nur bei dem Knechtsschragen, auf dem ich immer noch liege, und im Kampf mit dem Sturmwind gedeihen kann. Laß Dir das alles durch Dein liebes Herz gehen, und das wird Dir das Rechte schon zeigen. Du hast ja von allen Menschen mich immer am besten verstanden, schon als Du ein kleines Kind warst und eigentlich das alles, was Du von mir hörtest, weit über Deinen Horizont gehen mußte.

      Aber Du hattest eben den sechsten Sinn! Und namentlich für mich. Was sagst Du zu dem Plafond im Schmollzimmer? Ich habe mir Deinen Brief vom Frühling noch einmal geholt und habe daraus die Idee

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