Eine Mutter. Gerstäcker Friedrich
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Eine Mutter - Gerstäcker Friedrich страница 22
»Aber?«
»Aber,« stöhnte Jeremias, »jetzt, da ich meinem Ziel so nahe bin, habe ich eine Heidenangst bekommen, allein zu ihr zu gehen – alle meine Sünden fallen mir bei, und – und ich wollte wahrhaftig manchmal, ich – wäre wieder in Brasilien!«
»Und sind Sie nicht hergekommen, um gut zu machen, was Sie früher verschuldet haben?« sagte Helene herzlich.
»Ja, das wohl – aber...«
»Ich gehe mit Ihnen, Jeremias,« rief Graf Felix lachend, »ich helfe Ihnen Ihre Frau suchen!«
»Ach, Herr Graf,« sagte der kleine Mann verlegen, »wenn Sie – wenn Sie das thun wollten, da wäre mir ein wahrer Berg vom Herzen herunter!«
»Ich gehe mit Ihnen,« bestätigte Graf Rottack aber noch einmal, denn theils nahm er wirklich Interesse an dem kleinen verzweifelten Manne, da ihm dieser wieder alle die alten transatlantischen Erinnerungen, als ein Stück selber von daher, so lebendig in der Seele wach gerufen, und dann machte es ihm auch Spaß, von der Entwickelung dieses kleinen Dramas Zeuge zu sein.
»Und wann wollen Sie gehen?« fragte Helene.
»Ja, heute ist es zu spät,« rief Rottack, »aber den heutigen Abend verwenden Sie dazu, die Wohnung Ihrer geschiedenen Frau aufzufinden, und dann holen Sie mich morgen Mittag um zwei Uhr ab! Ist Ihnen das recht? Ich kann nicht früher.«
»So wollen wir's machen,« rief Jeremias, ihm treuherzig die breite Hand entgegenstreckend – »jetzt hab' ich auch wieder Courage, und morgen wissen wir dann gleich, woran wir sind!«
»Wollen Sie schon fort?«
»Wenn Sie mir erlauben, Frau Gräfin, ja, denn der Boden fängt mir an, unter den Füßen zu brennen, bis ich Alles heraus habe. Aber morgen Mittag punkt zwei Uhr bin ich wieder hier.«
»Rauchen Sie, Jeremias?« fragte Felix.
»Wo werd' ich nicht!« meinte der kleine Mann, indem er eine der ihm gebotenen Havannas mit einem Kratzfuß annahm – »wissen Sie denn wohl noch, wie wir einmal in der...« – Er wurde auf einmal feuerroth im Gesicht, denn er fühlte, daß er wieder eine Dummheit begangen – »reden wir nicht mehr davon,« brach er auch kurz ab, indem er sich die Cigarre an dem Licht, das ihm einer der eben eintretenden Diener brachte, anzündete und diesem dann sehr freundlich dafür dankte – »und nun leben Sie wohl und nehmen Sie's nicht übel, daß ich Sie so lange gelangweilt habe!«
»Und haben Sie guten Muth, Jeremias – Felix wird Alles in Ordnung bringen,« lächelte Helene freundlich.
Jeremias nickte ihr dankend zu, drehte sich dann um und stieg wieder in das wilde Leben und Treiben hinaus, das noch immer in der Straße draußen auf und ab wogte.
7.
Die erste Begegnung.
Eben hatte es in der zu dem Schloß des Grafen Monford gehörenden Kapelle zwölf Uhr geschlagen, als die Gräfin mit ihrem Gemahl, den Kiesweg am Flusse herabkommend, von einem Spaziergange zurückkehrte. Sie gingen dem Schlosse zu.
Der Park lag still und einsam wie immer; weit unten am Drahtzaun äs'ten sich ein paar Stück Damwild, und mitten auf der Wiese kroch eine gebückte Menschengestalt, der ein kleiner Hund folgte, herum; sonst ließ sich nichts Lebendes erkennen.
Es war das der Maulwurfsfänger, der nach seinen Fallen gesehen hatte und die ertappten Übelthäter in ihren schwarzen Pelzen, weniger als Warnungszeichen für die übrigen, sondern mehr als Beweis seiner Thätigkeit und seines Erfolges, an schwanken Ruthen mitten auf dem Rasen aufhing.
Jetzt schien er mit seiner Arbeit vor der Hand zu Ende; möglich auch, daß er sich nur ausruhen und dabei sein Mittagsbrod verzehren wollte. Er schritt zu der nächsten Linde, die dicht an dem Kiesweg stand, und wo er zugleich Schutz gegen die heute ziemlich warm brennende Sonne fand. Dort legte er seinen Ranzen ab und neben sich, nahm ein Stück Brod und Wurst heraus, wie eine kleine Flasche mit Branntwein, zog seinen Genickfänger vor und begann, während der Spitz vor ihm saß und ihn mit etwas seitwärts gebogenen Kopf aufmerksam betrachtete und jedem Bissen, den er zum Munde führte, mit den Augen folgte, seine Mahlzeit.
Die beiden Spaziergänger, welche auf demselben Wege herankamen, an dem er saß, mußte er jedenfalls bemerkt haben; der Spitz markirte sie auch ein paar Mal, indem er dort hinübersah. Der Alte nahm aber nicht die geringste Notiz von ihnen; wußte er sich ja doch auch hier in seinem vollen Recht und in seinem Beruf, und der Platz unter der Linde, so lange er dort saß und Rast hielt, gehörte ihm.
»Nicht wahr, um zwölf Uhr hatten sich Rottacks ansagen lassen?« fragte die Gräfin, nachdem sie eine Weile schweigend neben ihrem Gemahl hergeschritten war.
»Ja, mein Kind,« sagte der alte Herr, »eben schlug es Zwölf; aber unsere Uhr geht einige Minuten vor. Wir werden gerade zur rechten Zeit wieder oben sein.«
»Ich möchte nur wissen,« fuhr die Gräfin nach einer kurzen Pause fort, »was die junge Frau für eine Geborene ist. Sonderbare Sitte das, auf seine Karte nichts zu setzen, als ganz einfach: Graf Rottack und Frau, gerade als ob er ein Schuhmacher oder Schneider wäre.«
»Mein liebes Herz,« lächelte der Graf, mit den Achseln zuckend, »er wird mit der Abstammung seiner Gemahlin wahrscheinlich keinen Staat machen können und ist klug genug, sie ganz wegzulassen.«
»Diese Aufmerksamkeit gegen uns ist doch auch wirklich ganz außerordentlich; wie ich vorhin gehört habe, sind die Herrschaften erst gestern hier eingetroffen.«
»Wir werden etwas vorsichtig mit diesem Umgang sein müssen,« bemerkte der Graf, »bis man wenigstens Genaueres über die Familienverhältnisse erfährt. Der junge Rottack hat mir übrigens so weit ganz gut gefallen; nur ein wenig sehr ungenirt ist er, wie alle die Herren, welche sich eine Zeit lang in fremden Welttheilen und unter Republikanern herumgetrieben haben.«
»Ist seine Frau eine Deutsche?«
»Ja, mein Herz, da fragst Du mich zu viel; ihrem Ansehen nach jedenfalls, denn wenn ich nicht irre, hat sie blonde Haare. Aber wir werden ja sehen. Behagt uns der Umgang nicht oder stellt sich etwas dagegen heraus, so giebt es Mittel und Wege genug, ihn in der freundlichsten Weise wieder abzubrechen oder wenigstens zu erschweren, und sind unsere Befürchtungen unbegründet, so haben wir vielleicht einen sehr angenehmen Zuwachs unserer, doch eben nicht sehr zahlreichen Gesellschaft erhalten.«
Sie hatten in diesem Augenblick die Stelle erreicht, an welcher der Maulwurfsfänger sein frugales Mittagsbrod verzehrte.
»Guten Tag, Herr Graf! Guten Tag, Frau Gräfin!« sagte der Bursche, ohne sich übrigens in seiner Beschäftigung stören zu lassen oder dieses Mal auch nur eine weitere Ehrfurchtsbezeigung für nöthig zu halten, als ein etwas Höherschieben der alten Mütze mit dem Rücken der Hand, in der er das Messer hielt.
»Guten Tag, mein Mann!« sagte der alte Herr, während die Gräfin ihn durch die Lorgnette betrachtete, und war schon halb vorüber, als er noch einmal stehen blieb und, den Kopf zurückwendend, fortfuhr: »Hör' einmal, Freund, der Förster beklagt sich fortwährend über Dich und