Der kleine Fürst Staffel 6 – Adelsroman. Viola Maybach
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»Vorwärts, Männer!«, sagte Robert Wenger. Er hatte eine Sense mitgenommen, die er jetzt mit erstaunlicher Geschicklichkeit benutzte. Als er die Blicke der anderen sah, erklärte er mit verlegenem Lächeln: »Meine Eltern hatten eine große Wiese, da habe ich den Umgang mit der Sense gelernt.« Er schlug, unterstützt von den anderen, die mit Äxten und großen Astscheren arbeiteten, eine Schneise, wobei er sich an den Zeichen orientierte, die Christian hier und da in eine Rinde geritzt hatte.
Und dann hörten sie endlich Togos Gebell und zweistimmige Rufe, die es ihnen ermöglichten, noch schneller voranzukommen, weil sie nun nicht mehr suchen mussten. »Da vorn sind sie!«, rief Konrad. »Ich kann sie sehen!«
Danach dauerte es nur noch wenige Minuten, bis sie die kleine Lichtung erreicht hatten. Der Baron schloss zuerst seine Tochter, dann seinen Neffen in die Arme.
Anna und Christian stürzten sich auf die mitgebrachten Getränke, und auch der verletzte Mann trank gierig den Tee, den ihm der Stallmeister einflößte. Sie versorgten notdürftig das verletzte Bein, dann legten sie den Mann auf die mitgebrachte Bahre und traten den Rückweg an. Er war weniger mühevoll, da der Weg jetzt dank Robert Wengers Sense erkennbar und einigermaßen gut passierbar war. Nach weniger als einer Stunde hatten sie die abgestellten Wagen erreicht.
Immer wieder gab jemand dem Mann zu trinken. Sie hatten ihn gut zugedeckt, da er angefangen hatte zu zittern. Außerdem fantasierte er, doch sprach er so undeutlich, dass niemand ein Wort verstand.
Als Schloss Sternberg in Sicht kam, atmeten sie auf.
*
»Manchmal verstehe ich deine Schwester nicht, Feli – wieso wollte sie jetzt auf einmal ins Büro? Wir hatten doch gerade so viel Spaß!«
»Sie denkt, wir sind ineinander verliebt«, erklärte Felicitas.
Nikos Augen wurden groß. »Hat sie das gesagt?«
»Das muss sie nicht sagen, das weiß ich auch so. Sie hält uns beide für krankhaft schüchtern und meint, sie müsste uns die Gelegenheit bieten, unsere Schüchternheit zu überwinden.«
Er starrte sie ungläubig an. »Glaubst du das – oder bist du sicher?«
»Ich bin hundertprozentig sicher.«
»Und seit wann weißt du, dass sie so denkt?«
»Oh, schon länger«, erklärte Felicitas.
»Wieso hast du mir das nie gesagt?«
»Warum sollte ich?«
Er suchte nach einer Antwort, musste aber schließlich passen. »Ich weiß nicht«, murmelte er.
Sie beugte sich vor und griff nach seiner Hand. »Ist doch nicht schlimm, Niko«, sagte sie. »Mir macht das nichts aus, ehrlich. Im Gegenteil, es ist sogar ganz praktisch gewesen bisher, weil sie sich deshalb nicht traut, das Thema anzuschneiden und mich also auch nicht in Versuchung bringt, ihr die Wahrheit zu sagen.« Sie seufzte. »Aber irgendwann wirst du dich ja hoffentlich mit deiner großen Liebe an die Öffentlichkeit trauen.«
»Wenn ich nicht so ein verdammter Feigling wäre!«, sagte er heftig. »Simone ist wundervoll, ich weiß wirklich nicht, warum sie sich ausgerechnet in mich verliebt hat.«
»Weil du auch wundervoll bist«, erklärte Felicitas ruhig. »Ich weiß nicht, ob du wirklich so ein Feigling bist. Eine geschiedene bürgerliche Frau, die fünf Jahre älter ist als du und zwei Kinder hat – da würden auch Eltern, die keine standesbewussten Adeligen sind, nicht unbedingt begeistert sein, das muss man einmal ganz nüchtern so sagen. Aber es nützt ja nichts: du musst ihnen deine Simone vorstellen und gucken, was passiert. Nimm sie mit zu deinen Eltern, ohne sie vorzubereiten – sie wird sie schon um den kleinen Finger wickeln.«
Er lächelte unwillkürlich. »Ich kenne wirklich niemanden, der sie nicht mag – ihren geschiedenen Mann ausgenommen. Der hat es ihr sehr übel genommen, dass sie nicht bei ihm bleiben wollte, als sie ihn mit einer anderen erwischt hat.«
»Ich finde Simone auch wunderbar«, versicherte Felicitas. »Also, worauf wartest du denn noch?«
»Und wenn meine Eltern mich aus der Firma werfen? Mich enterben? Mich nie wieder sehen wollen?«, fragte er kläglich. »Ich liebe sie, Feli, ich möchte in gutem Einvernehmen mit ihnen leben.«
»Sie lieben dich auch, und sie wollen dich sicherlich nicht verlieren. Also mach diesem Versteckspiel ein Ende und sorg’ dafür, dass ich mit meiner Schwester endlich wieder unbeschwert über dich lästern kann!«
Plötzlich lächelte er. »Du hast ja Recht«, sagte er. »Ich nehme sie einfach am nächsten Wochenende mit zu meinen Eltern.«
»Aber lasst die Kinder in der Zeit bei Freunden«, riet Felicitas. »Man muss die Schocks vorsichtig dosieren.«
Sie lachten beide, Niko wirkte plötzlich wie befreit. »Am Sonntag!«, sagte er. »Hiermit ist es beschlossen und verkündet.«
Sie widersprach ihm nicht. Der Euphorie würde der Katzenjammer folgen und diesem die Zweifel und Ängste. Noch glaubte sie nicht, dass er sein Vorhaben in die Tat umsetzen würde – aber sie hoffte es von ganzem Herzen, für alle Beteiligten.
*
Simone Breker öffnete mit Schwung die Tür und sah sich einer eleganten, schönen Blondine mittleren Alters gegenüber, die sie auf den ersten Blick erkannte, obwohl sie ihr nie zuvor persönlich begegnet war: Es war Nikos Mutter Helene von Ehlenberg. Niko hatte ihr Fotos seiner Eltern gezeigt.
»Wer ist es denn, Mami?«, rief ihre Tochter Cleo aus dem Wohnzimmer.
»Guten Tag, Frau von Ehlenberg«, sagte Simone ruhig, ohne die Frage ihrer Tochter zu beantworten. »Bitte, kommen Sie herein.«
»Vielen Dank.« Helene folgte der jungen Frau in die Wohnung. »Ich hoffe, ich störe nicht?«
»Nein, wir setzen gerade ein Puzzle zusammen, Cleo und ich. Sie ist vier und kann das schon besser als ich.«
Cleo betrachtete die unbekannte Frau, die jetzt hereinkam, aufmerksam, dann fällte sie eine Entscheidung. Sie rutschte von ihrem Stuhl, trat auf die Frau zu und streckte die Hand aus. »Guten Tag, ich heiße Cleo«, sagte sie. »Und wer bist du?«
»Helene, ich bin die Mama von Niko. Den kennst du doch?«
Cleos Augen wurden groß. »Das glaube ich nicht!«, rief sie. »Du siehst ganz anders aus als er.«
»Ja, das stimmt, er sieht seinem Vater ähnlich. Sag mal, Cleo, hast du nicht noch einen Bruder?«
»Bruno schläft, er ist nämlich erst zwei. Ich bin schon vier, deshalb muss ich nicht mehr schlafen. Willst du ihn sehen?«
»Gerne, ja.«
Cleo ergriff die Hand der Besucherin und zog sie ohne weitere Umstände mit sich zum Zimmer ihres Bruders.
Simone beschloss, nicht einzugreifen. Sie glaubte nicht, dass Niko mit seinen Eltern gesprochen hatte – vor diesem Gespräch graute ihm, das wusste sie, und sie verstand es auch. Also hatte seine Mutter die Wahrheit wohl allein herausbekommen, und nun war sie gekommen, um