Der kleine Fürst Staffel 6 – Adelsroman. Viola Maybach
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Читать онлайн книгу Der kleine Fürst Staffel 6 – Adelsroman - Viola Maybach страница 44
»Ich auch, aber dieses ist eine Ausnahmesituation. Außerdem haben wir die Handys dabei, wir können jederzeit Hilfe holen. Etwas stimmt da nicht, Anna.«
Sie nickte, davon war sie auch längst überzeugt.
Togo bellte wieder.
»Es klingt dringend«, meinte Anna. »Also los, Chris. Aber wir sollten uns den Weg irgendwie merken – wenn man plötzlich nur noch Wildnis um sich herum hat, verliert man leicht die Orientierung.«
Christian holte sein Taschenmesser heraus. »Ich markiere die Bäume«, sagte er. Laut rief er: »Togo, wo bist du?«
Togo antwortete.
»Klingt leider ziemlich entfernt«, murmelte Anna und verließ entschlossen den Weg, um sich durch das Dickicht zu kämpfen.
Es dauerte keine Minute, bis sie beide wussten, dass sie sich auf ein sehr mühseliges Unterfangen eingelassen hatten.
*
Cosima und ihre Schwester Felicitas bewohnten gemeinsam eine großzügige Wohnung, und sie waren mit dieser Lebenssituation sehr zufrieden. Sie verstanden sich gut, und sie fanden es schön, ihren Alltag zu teilen. Dass das nicht immer so bleiben würde, war ihnen beiden bewusst.
Sie arbeiteten in Berufen, die unterschiedlicher nicht hätten sein können: Felicitas übersetzte wissenschaftliche Literatur, Cosima arbeitete bei einer Messegesellschaft – sie plante und organisierte große Messen und war dementsprechend viel unterwegs, während ihre Schwester zu Hause arbeitete. Wenn sie sich abends trafen, hatten sie einander also in der Regel viel zu erzählen.
Am Morgen nach dem Ball saßen sie vergnügt gemeinsam beim Frühstück und ließen gerade den vergangenen Abend noch einmal Revue passieren, als es klingelte. Gleich darauf erschien ihre Haushälterin Gerlinde Mayer und sagte: »Herr von Ehlenberg bittet darum, empfangen zu werden.«
»Herein mit ihm, Frau Mayer«, sagte Cosima betont salopp. Frau Mayer war ein wahres Goldstück, aber sie bestand darauf, sich immer möglichst umständlich auszudrücken, weil sie das für »vornehm« hielt. Alle Versuche, ihr das abzugewöhnen, waren bisher gescheitert.
Gleich darauf betrat ein schlanker mittelgroßer Mann mit dichten braunen Haaren und einem sommersprossigen Gesicht das Zimmer. »Ihr sitzt noch beim Frühstück?«, rief Nikolaus von Ehlenberg junior bestürzt. »Dabei wollte ich wirklich nicht stören.«
»Du störst überhaupt nicht, Niko!«, sagte Cosima. »Setz dich und trink noch eine Tasse Kaffee mit uns.«
Er begrüßte sie beide mit Küssen auf die Wangen, dann nahm er Platz. Cosima und er kamen schnell ins Gespräch, während Felicitas sich ausschwieg. Cosima glaubte zu wissen, warum: Ihre Schwester war in Niko verliebt, dachte aber, dass der junge Mann für sie nur Freundschaft empfand. Cosima glaubte das jedoch nicht. Das Problem schien ihr eher zu sein, dass sowohl Felicitas als auch Niko ziemlich schüchterne Menschen waren.
»Also, wieso frühstückt ihr noch?«, wollte der junge Mann wissen, nachdem Gerlinde Mayer noch ein Gedeck aufgelegt und ihm eine Tasse Kaffee eingeschenkt hatte.
»Weil wir gestern auf dem Ball waren – auf Schloss Vermeeren. Schon vergessen?«, fragte Cosima.
Niko schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn. »Ich werde offenbar alt«, entschuldigte er sich.
Endlich hatte sich Felicitas so weit erholt, dass sie auch etwas zur Unterhaltung beitragen konnte. »Wenn du alt wirst, werden wir es auch, schließlich sind wir ungefähr gleichaltrig«, erklärte sie mit einem Lächeln. »Also, sei vorsichtig mit dem, was du sagst, Niko.«
Er sah sie treuherzig an. »Euch beiden kann das Alter doch gar nichts anhaben, Feli. Erst gestern habe ich wieder jemanden sagen hören, dass ihr jedes Jahr schöner werdet.«
Cosima stöhnte. »Hör auf mit dem Gesülze, Niko.« Ihr fiel plötzlich Adalbert von Brühl wieder ein. »Kennst du die Brühls, Niko? Graf Adalbert war gestern auf dem Ball – wir mochten ihn beide auf Anhieb nicht, Feli und ich.«
»Adalbert von Brühl?«, murmelte Niko.
»Die Brühls wohnen doch in Frankreich, oder?«
»Meistens jedenfalls. Kein Verlust, wenn du mich fragst – sie sollen ruhig dort bleiben.«
»Wie war er denn so? Ich meine, wenn man jemanden gar nicht kennt, kann man ihn dann überhaupt nicht mögen?«
»Und ob man das kann!«, rief Cosima temperamentvoll. »Eitel war er und selbstgefällig – du hättest mal seinen Gang sehen sollen, der sagte schon alles. Und immer hatte er so ein blasiertes Lächeln im Gesicht.«
»Verstehe«, murmelte Niko. »Ich glaube, bei den Brühls gab es in der Vergangenheit mal ein Familiendrama – aber das muss vor unserer Zeit gewesen sein. Oder als wir noch ziemlich klein waren.«
»Familiendrama?«, fragte Cosima. »Davon weiß ich nichts – und auf keinen Fall entschuldigt es sein Verhalten. Wirklich, du hättest ihn auch nicht gemocht, Niko. Immerhin haben wir die Sternberger getroffen, das war richtig schön. Feli und ich werden demnächst eine Woche Urlaub dort machen.«
»Sternberg – da war ich schon sehr lange nicht mehr. Wann wollt ihr denn fahren?«
»In ungefähr vierzehn Tagen – ich muss das mit meinem Urlaub noch klären. Feli hat es ja leichter, die muss niemanden fragen, vorausgesetzt, sie wird mit ihrer Arbeit fertig.«
»Was dagegen, wenn ich mich anschließe?«, fragte Niko. »Eine Woche Sternberg in eurer Gesellschaft, das klingt außerordentlich verlockend. Und Sofia und Fritz haben mich schon so oft eingeladen, sie hätten bestimmt nichts dagegen, wenn ich euch begleite.«
»Das wäre ja klasse, Niko!«, rief Cosima.
Auch Felicitas, deren Wangen sich gerötet hatten, nickte.
»Dann warte ich, bis du die Termine festgelegt hast, bevor ich auf Sternberg anrufe, Cosi«, sagte Niko.
»Kannst du denn ohne weiteres weg?«
»Ohne weiteres vielleicht nicht, aber ich sorge schon dafür, dass es klappt«, antwortete er lächelnd. Niko arbeitete im Unternehmen seiner Eltern – und wie die Schwestern wussten, zogen sich diese nach und nach zurück, so dass er es bald allein führen würde.
»Wollen wir vielleicht noch ein bisschen rausgehen?«, schlug Cosima vor.
Die beiden anderen waren einverstanden, und so verließen sie wenig später zu dritt das Haus.
*
Anna fluchte lautstark, als ihr ein Zweig ins Gesicht schlug.
»Entschuldigung«, sagte Christian, der vor ihr ging. »Ich habe nicht aufgepasst, Anna.«
»Es liegt nicht an dir, Chris. Was wir hier machen, ist Wahnsinn.«
»Aber jetzt haben wir es bald geschafft, ich kann Togo schon sehen.«
Der Boxer bellte jetzt, da sie sich ihm näherten, aufgeregt, ab und zu kam er auch ein Stück auf sie zu, rannte aber immer schnell wieder zurück.
»Und