Der exzellente Butler Parker 28 – Kriminalroman. Günter Dönges
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»Meine Wenigkeit möchte dies keineswegs in Abrede stellen.«
»Wir hatten noch nie das Vergnügen.« Corvey bemühte sich um Verbindlichkeit.
»Ob das für Sie ein Vergnügen wird, muß sich erst noch erweisen«, warf die ältere Dame grollend ein. »Sie kennen also die ›Brille‹?«
»Nicht persönlich, wirklich nicht. Ich habe nur von ihr gehört, Mylady.«
»Sie haben sie nicht betreut?« Parkers linke Augenbraue steilte ansatzweise nach oben.
»Aber nein, Mister Parker.« Hale Corvey schüttelte den Kopf. »John brauchte doch mich nicht! Der hat seine eigene Organisation. Soviel man eben so weiß, verstehen Sie?«
»Man sagt Ihnen nach, Mister Corvey, daß Sie über Ihren Hilfsverein erstaunlich gute Kontakte zu den Häftlingen haben.«
»Alles im Rahmen der Gesetze, Mister Parker.«
»Ihren Klienten blieb unentdeckt, daß Mister John Ronnars seine Zelle ohne Erlaubnis verlassen wollte?«
»Zu mir ist da überhaupt nichts durchgesickert«, behauptete Corvey.
»Danach hat mich übrigens schon die Polizei gefragt. Nein, von seinem geplanten Ausbruch wußte ich nichts, noch nicht mal andeutungsweise.«
»Natürlich wußten Sie Bescheid, junger Mann«, herrschte die passionierte Detektivin ihn an. »Und wahrscheinlich wissen Sie sogar, wo diese ›Brille‹ sich momentan versteckt hält.«
»Ich habe nicht die geringste Ahnung«, erklärte Corvey. »Ronnars würde ausgerechnet hierher zu mir kommen. Das sitzt einfach nicht drin. Sie wissen doch, über welche Organisation er verfügt. Er ist der absolute Boß und besitzt Möglichkeiten, die man sich einfach nicht vorstellen kann.«
»Mister John Ronnars ist also das, was man einen absoluten Boß zu nennen pflegt«, wiederholte Josuah Parker. »Wer gehört zu seinem engeren Kreis? Mylady würde einen entsprechenden Hinweis zu schätzen wissen.«
Hale Corvey hatte sich dem Butler zugewandt und sah nicht, wie Lady Agatha den flüssigen Klebstoff auf die Sitzfläche des Ledersessels drückte. Es handelte sich um jenes Sitzmöbel, das der Vereinsleiter vor einigen Minuten verlassen hatte.
»Ich hab’ keinen blassen Schimmer, wer Ronnars’ Stellvertreter sind«, erklärte Corvey. »Ich kann Ihnen da wirklich keinen Tip geben.«
»Und welche Person wäre dazu in der Lage, Mister Corvey?« fragte Parker.
»Ich kenne niemand«, schwindelte der Vereinsleiter, während er sich den Schweiß von der Stirn wischte. »Ich muß auf der ganzen Linie passen. Sie ahnen ja nicht, wie exklusiv die Organisation geleitet wird.«
»Sie dürfen wieder Platz nehmen, junger Mann«, empfahl die ältere Dame ihm und deutete auf den präparierten Sessel. »Sie haben offenbar weiche Knie bekommen.«
»Danke«, stöhnte der Vereinsleiter und setzte sich. Er zuckte mit einiger Verspätung zusammen, als die klebrige Flüssigkeit durch Hose und Unterwäsche Kontakt mit seiner Haut aufnahm, doch er hütete sich, den Sessel wieder zu verlassen. Er rutschte jedoch ausgesprochen unruhig auf dem Sitz herum.
»Noch eine letzte Frage, Mister Corvey«, schlug Josuah Parker vor. »Wer wurde von Ihnen in jenem Untersuchungsgefängnis unterstützt, das Mister Ronnars ohne Erlaubnis verließ?«
»Das kann und darf ich Ihnen nicht sagen«, meinte Corvey. »Das fällt... unter Datenschutz.«
»Sie werden es mir gleich sagen, junger Mann«, prophezeite die ältere Dame. »Aber ich sage Ihnen im voraus, daß ich keinen Druck auf Sie ausüben werde. So etwas liegt einer Lady Simpson fern!«
*
»Und Sie verzichteten auf jeden Druck, Mylady?« erkundigte sich Mike Rander eine Stunde später. Er und Kathy Porter hatten sich im Fachwerkhaus der ältere Dame in Shepherd’s Market eingefunden und wußten bereits von der ›Brille‹. In den Nachrichten war die spektakuläre Flucht ausgiebig erwähnt worden.
Mike Rander, groß, schlank und sportlich, trug eine graue Flanellhose und einen dunkelblauen Blazer. Er war Anwalt und verwaltete das immense Vermögen der Lady Agatha. Zur Seite stand ihm dabei Kathy Porter, die als Sekretärin und Gesellschafterin Agatha Simpsons fungierte, nach Randers Rückkehr aus den Staaten aber auch mit dem Anwalt zusammenarbeitete und häufig in dessen Kanzlei in der nahen Curzon Street zu sehen war.
»Ich weiß überhaupt nicht, was Druck ist, mein Junge«, beantwortete die Hausherrin die Frage. »Ich habe diesen Lümmel überredet, mir einen Hinweis zu geben. War es nicht so, Mister Parker?«
»Ansatzweise, Mylady.«
»Als dieses Subjekt mich natürlich beleidigte, mußte ich einige Ohrfeigen austeilen«, erinnerte sich die Lady und lächelte versonnen. »Dabei muß ich wohl rein zufällig nach meinen Hutnadeln gegriffen haben.«
»Sie wurden beleidigt, Mylady?« warf Kathy Porter ein. Sie war ebenfalls groß, schlank und eine gute Erscheinung.
»Weil ich zufällig etwas von diesem Klebstoff auf den Sessel verschüttet hatte«, erklärte die ältere Dame. »Er behauptete, ich hätte das absichtlich getan.«
»Mister Hale Corvey erinnerte an eine überdimensional große Fliege, Miß Porter, die an einem Fliegenfänger hing«, erläuterte der Butler in gewohnt höflicher Umschreibung. »Der Klebstoff muß eindeutig von bemerkenswerter Güte gewesen sein.«
»Und was machte dieser Typ aus dem Vorzimmer?« erkundigte sich Mike Rander amüsiert.
»Mylady bat ihn, auf Mister Corveys Schoß Platz zu nehmen«, berichtete Parker höflich-distanziert weiter. »Vorher sorgte Mylady allerdings noch für eine intensive Haftung, was Mister Corveys Knie betraf.«
»Moment mal, Sie haben Corveys Knie mit diesem Klebstoff bestrichen?« Rander grinste.
»Natürlich, mein Junge, ich war zutiefst beleidigt worden und wollte zudem nicht weiter gestört werden.«
»Und dann mußte sich der Sekretär auf diesen beleimten Schoß setzen?« Rander tauschte einen Blick mit Kathy Porter, die ebenfalls schmunzelte.
»Allerdings«, bestätigte die Hausherrin, die einen zufriedenen Eindruck machte. »Es war ein Bild für Götter, Mike. Die beiden Lümmel machten allerdings einen recht unglücklichen Eindruck.«
»Die betreffenden Personen sind möglicherweise selbst jetzt noch innig miteinander verhaftet«, ließ Josuah Parker sich vernehmen. »Während Mylady die Männer kontrollierte, konnte meine Wenigkeit sich mit einigen Geschäftsinterna befassen.«
»Sie wissen also jetzt, wen dieser Verein im Untersuchungsgefängnis betreute?«
»In der Tat, Sir, man stolperte förmlich über gewisse Angaben, die sich in einem Stahlschrank befanden. Es handelt sich um zwei Personen, die auf ihren Prozeß warten.«
»Bekannte Leute, Parker?« Mike Rander ging diskreterweise auf den erwähnten Stahlschrank nicht weiter ein.
»Es handelt sich um die Herren