Trost der Philosophie. Boethius
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Übrigens überlasse ich die Beurteilung der ganzen Sache dir und den wahren Philosophen. Den wirklichen Verlauf der Angelegenheit habe ich, damit er der Nachwelt nicht verborgen bleibe, schriftlich zum Andenken aufgezeichnet. Denn was soll ich hier noch über die gefälschten Briefe sagen, in denen ich angeblich überführt werde, die Freiheit Roms erhofft zu haben? Der hiermit geübte Betrug wäre klar zu Tage getreten, wenn ich mich des Geständnisses der Ankläger selbst hätte bedienen dürfen, das doch sonst in allen Verhandlungen von dem größten Gewicht zu sein pflegt. Kann man denn überhaupt noch auf irgendeine Freiheit hoffen? Wie wünschte ich, dass man es könnte! Ich würde mich der Worte des Canius bedienen, als Cajus Cäsar, der Sohn des Germanicus, behauptete, er habe um eine gegen ihn angezettelte Verschwörung gewusst. Canius sagte: ›Hätte ich darum gewusst, so würdest du nichts davon wissen!‹
Schwerer Kummer hat natürlich mein Gemüt lähmend ergriffen angesichts aller dieser von bösen Menschen gegen die Tugend angezettelten Anschläge. Aber das ist noch nicht das Schlimmste. Mit dem höchsten Entsetzen hat mich vielmehr die Tatsache erfüllt, dass jene Frevler ihre verruchten Pläne auch wirklich ausführen konnten! Denn dass wir böse Absichten fassen, das liegt vielleicht in der Mangelhaftigkeit unserer Natur, aber dass ein jeder seine schändlichen Anschläge gegen die Unschuld vor den Augen der Gottheit auch durchsetzen kann, das ist etwas Furchtbares! Daher fragte auch dein Jünger Epikur nicht mit Unrecht: ›Wenn es einen Gott gibt, woher stammt dann das Böse, und woher das Gute, wenn es keinen gibt?!‹
Wenn übrigens jene Frevler, die nach dem Blut aller Guten und dem des ganzen Senats lechzen, auch mich zu verderben wünschten, den sie stets als einen Verteidiger der Guten und des Senats gesehen hatten, so war das ja etwas ganz Natürliches. Aber habe ich denn auch vonseiten der Senatoren selber die gleiche Behandlung verdient? Du wirst dich gewiss noch daran erinnern – denn du warst ja immer bei mir und leitetest mich in all meinem Tun und Reden – du wirst dich noch daran erinnern, sage ich, wie sicher ich mein Verderben vor Augen sah, als damals in Verona der König, der alle Senatoren zu verderben wünschte, die gegen Albinus erhobene Anklage wegen Majestätsverbrechens auf den ganzen Senat auszudehnen suchte, und ich dann für die Unschuld des gesamten Senats einzutreten wagte! Du weißt auch, dass ich dies alles der Wahrheit gemäß berichte und mich dabei in keiner Weise mit eitlem Selbstlob brüste! Wird ja doch der Wert der inneren Zustimmung und Befriedigung des eigenen Gewissens nur herabgemindert, wenn man mit seinen Taten prahlt und äußeren Ruhm dafür zu ernten sucht! Aber was meiner Unschuld geschah, das siehst du ja! Statt des Lohnes der wahren Tugend erhielt ich die Strafe für ein erfundenes Verbrechen, und wann sind wohl jemals die Richter einer offen eingestandenen Schandtat gegenüber so einmütig in ihrem strengen Urteil gewesen, dass sich nicht wenigstens einige von ihnen durch die Rücksicht auf die Irrtumsfähigkeit des Menschengeistes und die für einen jeden so unberechenbare Schicksalsfügung erweichen ließen?! Wäre ich angeklagt gewesen, die Anzündung der heiligen Tempel, die Ermordung der Priester mit ruchlosem Schwert, den Tod aller Guten geplant zu haben, dann wäre ich doch persönlich vernommen und das Urteil nur nach meinem Geständnis oder meiner Überführung gefällt worden. Nun aber werde ich, fünfhundert Meilen weit entfernt, ohne reden und mich verteidigen zu können, gerichtet und zum Tode verurteilt, weil ich zu viel Eifer für das Wohl des Senats gezeigt habe! Ja wahrlich, die Senatoren verdienten es, dass niemals jemand dieses Verbrechens überführt werden könnte!
Die Würde meiner Tat erkannten ja sogar meine Ankläger, und deshalb, um mein Tun durch Beimischung eines verbrecherischen Elements zu schänden, erfanden sie die Lüge, ich habe nur aus Verlangen nach Ehre und Ansehen mein Gewissen mit einem solchen Frevel befleckt! Und doch hast du selber, in mir wirkend, alles Streben nach irdischen Gütern aus meiner Seele verbannt, und einen Frevel hätte ich unter deinen Augen nicht begehen können. Denn du flüstertest mir täglich ins Ohr und ließest in meine Gedanken eindringen den pythagoräischen Spruch: ›Folge Gott nach!‹ und nicht geziemte es mir, den Schutz so niederer Geister zu suchen, mir, den du zu einem solchen Grade der Vollkommenheit erhöhtest, dass ich Gott ähnlich erschien! Außerdem schützt mich die unbefleckte Heiligkeit meines Hauses, die Schar meiner höchst ehrenwerten Freunde und auch die Person meines sittenreinen und dir selbst an Ehrwürdigkeit vergleichbaren Schwiegervaters Symmachus vor jedem Verdacht dieses Verbrechens!
Aber, o Frevel, meine Ankläger und Richter leiten aus dir selber den Beweis für die mir zugeschriebene Untat her! Gerade deswegen soll ich jenes Verbrechens schuldig sein, weil ich in deinen Lehren bewandert und in den Sätzen deiner Moral unterwiesen bin! Nicht genug also, dass mir meine Verehrung für dich von keinem Nutzen gewesen ist: Ganz ausdrücklich auch gegen dich richtet sich die Anklage, deren Opfer ich geworden bin!
Was aber meinem Unglück die Krone aufsetzt, ist die auch hier wieder bewährte Tatsache, dass die meisten Menschen bei ihrer Schätzung nicht auf den wahren Wert sehen, sondern auf den Ausgang, den die Sache schließlich nimmt, und dass sie nur das für wohlüberlegt und gut halten, dem das Glück sich hold gezeigt hat! Daher verlässt denn auch der gute Ruf immer zuerst die Unglücklichen. An all das Gerede, das jetzt unter dem Volk umgeht, an all die mannigfachen und sich widersprechenden Ansichten mag ich gar nicht denken! Nur das Eine sage ich: die schwerste Last, die das Missgeschick auferlegt, besteht darin, dass der Unglückliche das Leiden, das er infolge eines ihm angedichteten Verbrechens erdulden muss, immer auch wirklich verdient zu haben scheint! So musste auch ich, aller Güter beraubt, aller Würden verlustig, in meinem guten Ruf geschändet, wegen guter Taten schlimme Strafe leiden!
Ich glaube die ganze Schmach vor Augen zu sehen: Wie die Hexenküchen der Frevler in Jubel und Freude schwimmen, wie die allerverworfensten Subjekte mit neuen schändlichen Denunziationen drohen, wie alle Guten entsetzt über das Missgeschick, das mich betroffen, darniederliegen, wie jeder Schuft durch die Straflosigkeit zum Wagen, durch die Aussicht auf Belohnung zum Durchführen jeglicher Übeltat angelockt wird und wie alle Unschuldigen nicht nur der Sicherheit, sondern selbst des Rechtes der Verteidigung sich beraubt sehen! Da kann man dann wohl klagend ausrufen:
O Schöpfer des himmlischen Sternengezelts,
Der machtvoll herab von dem ewigen Thron
Den Himmel bewegt in kreisender Bahn:
Du bindest die Sterne durch festes Gesetz,
Du lässest des Vollmonds silbernen Schein,
Geschützt vor der Sonne gewaltigem Strahl,
Verfinstern der Sterne geringeres Licht;
Du lässt, wenn zu kühn sie dem Phöbus genaht,
Erbleichen die Scheibe der Luna!
Des Abends Gestirn, mit dem eisigen Licht,
Es leuchtet am Himmel im Anfang der Nacht.
Als Luzifer aber, veränderten Wegs,
Verkündet es schwindend den sonnigen Tag!
Du bist es, der kürzer die Tage bemisst
Dem eisigen Winter, der alles entlaubt;
Doch nahet der Sommer, so wonnig und warm,
Beschränkst du die nächtlichen Stunden.
In stetigem Wechsel erhältst du das Jahr:
Das liebliche Laub, das der Nord uns entführt,
Der mildere Zephyr, er bringt es zurück!