Trost der Philosophie. Boethius

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Trost der Philosophie - Boethius Kleine philosophische Reihe

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kommender Tag wird mich in dieser Überzeugung wankend machen können!« – »So ist es!« sagte jene darauf. »Das hast du ja auch vorhin in poetischen Worten ausgeführt. Nur die Menschen, so klagtest du, hätten keinen Teil an der Fürsorge der Gottheit. Dass aber alles Übrige vernunftgemäß geleitet werde, daran hast du niemals gezweifelt. Dass du nun mit dieser gesunden Anschauung trotzdem geistig so krank sein kannst – muss ich darüber nicht wirklich aufs Äußerste erstaunt sein?! Ich muss ja annehmen, dass es irgendwo fehlt, ich weiß nur noch nicht genau, wo! Aber sage mir doch einmal, der du ja nicht daran zweifelst, dass Gott die Welt regiert: Nach welchen Grundprinzipien lenkt er sie denn?« – Ich: »Kaum verstehe ich den Sinn deiner Frage, sodass ich dir keine Antwort darauf zu geben vermag.« – Sie: »Nun?! Täuschte ich mich also, als ich meinte, dass irgendwo etwas fehlen müsse, dass irgendwo, wie durch eine Mauerbresche, die sinnverwirrende Krankheit in deinen Geist eindringen konnte! – Aber sage mir, erinnerst du dich noch daran, was denn das Endziel aller Dinge sei und wohin die Entwicklung der ganzen Natur sich richte?«

      Ich: »Wohl habe ich es einst gehört, aber der Kummer hat mein Gedächtnis umnebelt!«

      Sie: »Aber weißt du denn noch, von wo alles seinen Ausgang genommen hat?«

      Ich: »Ich weiß es: Die Gottheit ist die Quelle aller Dinge!«

      Sie: »Wie ist es aber möglich, dass du den Ausgangspunkt zwar weißt, das Endziel aller Dinge aber nicht mehr kennst? So ist es aber immer mit diesen Störungen des Geistes: Sie können den Menschen vom rechten Standpunkt hinwegdrängen, aber ihn völlig zu entwurzeln und ihn sich ganz zu unterwerfen, das vermögen sie nicht! – Aber antworte mir noch auf die folgende Frage: Bist du dir wohl dessen bewusst, dass du ein Mensch bist?«

      Ich: »Gewiss bin ich das!«

      Sie: »Kannst du mir denn auch sagen, was das ist: ein Mensch?«

      Ich: »Willst du die Antwort hören: Ich bin ein vernunftbegabtes, sterbliches Lebewesen? Dass ich ein solches bin, das weiß ich und das bekenne ich!«

      Sie: »Ist dir nichts davon bekannt, dass du vielleicht außerdem noch etwas sein könntest?«

      »Nein«, sagte ich.

      »Nun weiß ich auch«, sprach sie da, »eine zweite, und zwar die hauptsächlichste Ursache deiner Krankheit: Du weißt nicht mehr, was du selbst bist! Und damit habe ich nun den Charakter deines Leidens und zugleich auch den zu seiner Heilung einzuschlagenden Weg vollkommen erkannt! Denn weil das Dunkel der Selbstvergessenheit dich umfängt, deshalb beklagst du dich als einen Verbannten und seiner Güter Beraubten. Weil du Zweck und Endziel der Dinge nicht mehr kennst, hältst du nichtswürdige und böse Menschen für mächtig und glücklich. Weil du aber auch vergessen hast, nach welchen Grundgesetzen die Gottheit die Welt lenkt, deshalb glaubst du, dass alle diese Schickungen ohne einen höheren Regenten vom Zufall beherrscht sind: Wahrlich Gründe genug, dich nicht nur krank zu machen, sondern dich zu töten! Aber Dank sei dem Geber der Gesundheit, dass dich die Lebenskraft deiner guten Natur noch nicht ganz verlassen hat! – Wir haben nun als Hauptheilmittel zu deiner Rettung deine richtige Ansicht von der Weltregierung, die du nicht für ein Spiel des blinden Zufalls, sondern der göttlichen Vernunft unterworfen hältst. Fürchte also nichts! Aus diesem kleinen Funken wird bald neue Lebenswärme dich durchströmen! Aber da für die durchgreifenderen Heilmittel die Zeit noch nicht gekommen ist und da es in der Natur des menschlichen Gemütes liegt, dass es nach Verlust der richtigen Ansicht von falschen sich leiten und in das Dunkel der Seelenverwirrungen hineinziehen lässt, die die richtige Einsicht verdüstern, so wollen wir zunächst jene Verfinsterung ein Weilchen mit linden Mitteln aufzuhellen suchen, damit der Nebel falscher Affekte sich zerstreue und du wieder fähig werdest, den Glanz des wahren Lichtes zu schauen!«

       Nicht durch der Wolken

       Düsteren Schleier

       Dringt der Gestirne

       Leuchtendes Feuer.

       Wenn durch das Weltmeer

       Brauset der schnelle

       Stürmische Südwind,

       Siehst du die Welle,

       Klar an den heitern

       Tagen und eben,

       Wenn sich durchwühlte

       Sandmassen heben,

       Hässlich und trübe!

       Auch wenn so munter

       Tanzet der Bach vom

       Berge herunter,

       Lassen ihn oftmals

       Schnöde zerschellen

       Felsige Klippen!

       Drum, wenn du hellen

       Auges die Wahrheit

       Möchtest erfassen

       Und unentwegt stets

       Ziehn deine Straßen:

       Hinter dir lass dann

       Hoffnung und Freude,

       Kenne die Furcht nicht,

       Trotze dem Leide!

       Diese Gewalten

       Trüben den Geist, in

       Banden ihn halten!

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