Trost der Philosophie. Boethius
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So folgen die Dinge dem alten Gesetz
Und jedes erfüllt seine Pflichten getreu.
Doch, der du das All so gewaltig regierst,
Du hast es verschmäht, der Sterblichen Tun,
so wie sie’s verdient, zu beschränken!
Warum denn so launenhaft ist das Geschick?!
Was nur das Verbrechen als Strafe verdient,
Trifft oft so verderblich des Schuldlosen Haupt!
Verworfene Sitten bestiegen den Thron
Und traten zu Boden mit frevelndem Fuß,
Dem Rechte zum Trotze, die guten!
Verdunkelt verschwand in der finsteren Nacht
Die Leuchte der Tugend, und immer die Schuld
Des Ruchlosen trägt der Gerechte!
Es schadet den Bösen der Eidbruch nicht
Und nicht der so lieblich verhüllte Betrug,
Und wenn sie’s gelüstet, sie lenken den Sinn
Der mächtigen Fürsten, vor denen sich tief
In Demut beugen die Völker!
Du, der du der Welten Geschicke verknüpfst,
Erbarme dich endlich der irdischen Not!
Uns Menschen, der Schöpfung erhabensten Teil,
Bedrängt des Geschickes gewaltige Flut!
O, hemme gebietend das brausende Meer,
Und wie das Gesetz du dem Himmel bestimmt,
So lenke versöhnend die Erde!«
Zu all diesen Klagen hatte ich mich durch die Gewalt meines Schmerzes hinreißen lassen. Meine Gefährtin aber wurde durch meine Worte nicht erregt; ruhig blickte sie mich an und sprach: »Als ich deine Trauer und deine Tränen sah, da erkannte ich zwar sofort, dass du ein Unglücklicher und ein Verbannter seist. Allein wie weit fort von der Heimat du verbannt bist, das habe ich erst jetzt durch deine eigenen Reden erfahren! Aber diese Verbannung hat keine fremde Gewalt über dich verhängt, sondern du selbst hast dich so weit fort verirrt und du selbst hast dich vertrieben, wenn du auch lieber glauben möchtest, du seiest gewaltsam vertrieben worden! Denn wahrlich, dich zu vertreiben, dazu wäre keine Gewalt imstande gewesen! Das wirst du einsehen, wenn du dich daran erinnerst, welches eigentlich dein Vaterland ist! Es wird nicht, wie das der Athener, durch den Gesamtwillen einer großen Menge regiert, sondern in ihm ist die homerische Forderung verwirklicht:
›... Nur einer sei Herrscher,
Einer nur Fürst! ...‹
Diesen Fürsten aber erfreut die Menge seiner Bürger, nicht ihre Verbannung, und von seinem Zügel gelenkt werden und seinem gerechten Willen gehorchen, das ist die höchste Freiheit! – Kennst du denn nicht mehr das höchste Gesetz deines Staates, wonach derjenige nicht ausgewiesen werden soll, der lieber dauernd in der Vaterstadt verweilen will? Denn wer sich hinter ihrem Wall und in ihrem Schutz glücklich fühlt, von dem steht nicht zu befürchten, dass er verbannt zu werden verdiene. Wer aber das Heim in der Heimat verschmäht, der verdient es auch nicht mehr!
Daher betrübt mich auch das Äußere dieses Ortes nicht so sehr wie dein eigenes Aussehen, und nicht in den mit Elfenbein und Kristall geschmückten Räumen deiner Bibliothek wünsche ich zu wohnen, sondern in deiner Seele, in die ich keine Bücher, wohl aber das, was den Büchern ihren Wert verleiht, nämlich die darin enthaltenen Gedanken meiner Lehre, eingeschlossen habe!
Was du von deinen Verdiensten um das Gemeinwohl gesagt hast, ist durchaus wahr, aber viel zu bescheiden im Hinblick auf die Menge deiner guten Taten. Ob ferner das dir Vorgeworfene wirklich tadelnswert sei und wie weit die Anklagen auf Fälschung beruhen: Über diese Fragen hast du nur Allbekanntes wieder in Erinnerung gebracht. Über die Verbrechen und Betrügereien der Angeber hast du dich mit Recht in Kürze fassen zu sollen geglaubt, da dies besser und ausführlicher durch den Mund der wohl unterrichteten Menge verbreitet wird. Die Handlungsweise des ungerechten Senats hast du dann lebhaft getadelt. – Auch über die gegen mich gerichtete Anklage hast du deinen Schmerz geäußert und über die Schädigung hast du geklagt, die du durch die Befleckung deines guten Rufes erlitten hast. – Zum Schluss hast du dann die erregte Muse den Wunsch äußern lassen, dass dieselbe friedliche Ordnung, die den Himmel regiert, auch auf Erden walten möge!
Da nun aber der Sturm der Affekte im Augenblick noch zu gewaltig in dir ist und Schmerz, Zorn und Trauer dich abwechselnd beherrschen, so wirst du in deiner jetzigen Gemütsverfassung kräftigere Heilmittel wohl noch nicht vertragen können. Daher will ich zuerst ein Weilchen mildere Mittel anwenden, damit dein Geist, der durch die auf ihn einstürmenden Beunruhigungen schon so lange in höchster Erregung erhalten wird, sich allmählich durch sanfte Einwirkung beruhige, um dann auch für kräftigere Arznei empfänglich zu werden!«
Wer, wenn Phöbus in heller Glut
Hoch im Bilde des Krebses steht,
Reiche Saaten der Erde Schoß
Anvertraute, doch ach; umsonst:
Den lässt Ceres im Stich, er muss
Nahrung suchen am Eichenbaum!
Finden kannst du das Veilchen blau
nicht im herbstlich gefärbten Wald,
Wenn schon über das Stoppelfeld
Schneidend eisiger Nordwind fährt.
Wenn du Trauben zu kosten wünschst,
Kannst du nimmer im Lenze schon
Gierig pflücken am Rebstock sie!
Erst im fröhlichen Herbst beschert
Bacchus seine Geschenke dir!
Gott hat jeglicher Jahreszeit
Ganz besondere Pflicht bestimmt
Und wo selber er Ordnung schuf,
Wehrt er jeglichen Eingriff ab!
Drum, was immer in toller Hast
Kühn verlassen die Satzung will,
Das bleibt immer erfolglos!
»Darum lass mich nun zunächst mit einigen wenigen Fragen den Zustand deines Gemüts erforschen und prüfen; damit ich sehe, welchen Weg ich bei deiner Heilung einzuschlagen habe.« – »Stelle mir«, entgegnete ich, »deine Fragen, wie du es für gut hältst.