Gesammelte Werke von Johanna Spyri. Johanna Spyri

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Gesammelte Werke von Johanna Spyri - Johanna Spyri

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Mäzli bemerkte, dass im Hause nicht alles mit der gewohnten Fröhlichkeit zuging, suchte es schnell für eine Weile in etwas andere Luft zu kommen; denn eine gedrückte Stimmung war nicht, was ihm behagte. Es wusste auch immer eine Zufluchtsstätte: »Nun muss ich gewiss wieder einmal Apollonie besuchen, Mama«, sagte Mäzli in kurzen Zwischenräumen, immer wieder mit Überzeugung, und die Mutter, die ein grosses Vertrauen in die schützende Hand der Apollonie setzte und auch wusste, wie willkommen ihr diese Besuche waren, liess das Mäzli öfters seinen Weg ziehen. Diesen fand es nun auch ganz gut allein und legte ihn immer ordentlich und ohne Abschweifungen zurück. Kam es dann am Abend wieder, meistens von Loneli begleitet, einen grossen Blumenstrauss in der Hand - denn ohne dieses Geschenk liess Apollonie das Mäzli niemals ziehen -, dann hielt es schnell die Blumen der Mutter hin und rief: »Sie sind wieder da! Sieh nur, sie sind wieder da!«

      Und die Mutter schaute erfreut den Strauss und sagte: »Ja, da sind die echten, alten, herrlichen Resedablumen aus dem Schlossgarten wieder, die hat Apollonie in den ihrigen verpflanzt. Aber im Schlossgarten waren sie noch viel prächtiger, wie dort sind sie nirgends sonst zu finden.« Dann zog sie mit Wonne den süssen Blumenduft ein.

      Mäzli steckte dann schnell sein Näschen auch in den Strauss und stiess einen Laut grösster Wonne aus.

      Loneli hatte wieder so lustige Augen wie immer und war voller Fröhlichkeit. Seit Kurt seine Rede gehalten und mit all den anderen Schülern Lonelis guten Namen hergestellt hatte, war die Grossmutter wieder so gut mit ihm als nur je, und sagte niemals mehr ein Wort von der Schandbank. Loneli hatte eine solche Dankbarkeit im Herzen für Kurt, dass es nur immer dachte, wenn es ihn doch nur auch einmal aus einer Not erretten könnte. Es hatte wohl bemerkt, wie Kurt seit einiger Zeit gar nicht mehr war wie sonst, der Fröhlichste und Unterhaltendste von allen und der Anführer zu allen lustigen Taten. Was konnte ihn nur so niedergeschlagen machen? Ihn so zu sehen, tat dem Loneli leid, dass es immer nachgrübeln musste, was ihm begegnet sein könnte, das ihn so verändert hatte.

      Loneli hatte ein vorzügliches Spürnäschen, und es war ihm bald aufgefallen, warum man denn nie recht deutlich vernehmen konnte, wie jener nächtliche Zug zum Schloss hinauf ausgefallen war.

      Die Buben gaben immer nur dunkle Andeutungen, wie der Geist von Wildenstein mehr als je da droben zu sehen sei. Da aber keiner sagen wollte, dass er davongelaufen sei, bevor er ihn nur recht gesehen hatte, liessen sie alle am liebsten nur unbestimmte erschreckende Worte über die Sache fallen.

      Auch das beherzte Clevi, das sonst so gern von seinen gefahrvollen Unternehmungen erzählte, wenn sie geglückt waren, schwieg mäuschenstill, und tat Loneli einmal eine ganz klare Frage in der Sache, die eine klare Antwort erforderte, dann lief Clevi davon, und Loneli konnte der Antwort nachsehen. Das musste einen Grund haben, und gerade seit jenem Abend, da Kurt kurz vorher so gut für Loneli gesorgt hatte und dazu noch so fröhlich gewesen war, hatte er sich so verändert.

      Nun setzte sich Loneli alle seine Beobachtungen zusammen, und nun stieg auf einmal ein solcher Zorn in ihm auf, dass es noch am gleichen Tag, sobald die Schule zu Ende war, auf das erstaunte Clevi losstürzte und ausrief: »Ich weiss, was ihr getan habt, ihr habt dem Kurt nicht folgen wollen, und er war doch der Führer; aber ihr seid ihm davongelaufen, weil ihr euch gefürchtet habt, und habt ihm alles verdorben.«

      »Ja, und er? Er hat sich auch gefürchtet!« rief Clevi nun auch aufgeregt zurück; denn der Vorwurf hatte es getroffen. »Ich habe wohl gesehen, in welchen furchtbaren Sprüngen er den ganzen Berg herabgestürzt kam.«

      »Hat er sich denn wirklich gefürchtet, glaubst du? Aber wovor denn?« forschte nun Loneli.

      »Ja, wovor! Du hast gut sagen: wovor! Du hättest nur die schreckliche Riesengestalt sehen sollen, die vom Schloss herkam.«

      Und jetzt, da es einmal heraus war, dass man sich gefürchtet hatte, erzählte Clevi eingehend von dem furchtbar grossen gepanzerten Ritter mit den hohen Stiefeln, dem langen Mantel bis hinab zu den Stiefelrohren. -

      »War der Mantel blau?« unterbrach das gespannt lauschende Loneli hier plötzlich.

      »Es war ja ganz Nacht, was meinst du denn, da wird man die Farben wohl nicht so genau sehen«, sagte Clevi tadelnd; »aber blau oder grün, das ist nicht die Hauptsache, aber die Länge, die Länge, das sah ganz schreckhaft aus! Und auf dem Kopf hatte er einen hohen Helm, und auf dem Helm einen noch viel höheren schwarzen Federbusch, der winkte so schaurig einem zu!«

      Ein Freudenschein blitzte in Lonelis Augen auf. Plötzlich schoss es davon wie ein Pfeil und flog dem Hause der Frau Maxa zu. Dort stand Kurt an der Weissdornhecke vor dem Garten, das Schulränzlein noch auf dem Rücken. Er war nicht, wie sonst seine Gewohnheit war, den anderen voraus heimgestürmt, um der Mutter seine Mitteilungen zu machen und sie noch allein für sich zu haben, bevor die anderen kamen.

      Mit gerunzelter Stirn stand er da und rupfte ein Blatt nach dem anderen von der Hecke und schleuderte sie weg, als ob er mit jedem einen unangenehmen Gedanken fortwerfen wollte.

      »Kurt«, rief Loneli schon von weitem, »wart nur, geh noch nicht hinein, ich muss dir etwas sagen.«

      Als es nun neben ihm stand, war Loneli ein wenig verlegen.. Es fühlte ganz gut, was es zuerst sagen musste, würde so klingen, als ob es den Kurt ausfragen wollte; das hielt Loneli auf einmal zurück, es wusste gar nicht, wie es anfangen sollte.

      »Sag du nur, was du von mir möchtest, Loneli«, sagte Kurt ermunternd, als es immer noch zögerte.

      Jetzt begann Loneli.

      »Ich habe dich fragen wollen, ob - ob - kannst du etwa darum nicht mehr recht lustig sein, weil es mit dem Geist oben beim Schloss so gegangen ist, und du doch wusstest, dass es keinen gibt?«

      »Von dem will ich nichts mehr wissen, gar nichts«, sagte Kurt abweisen, riss hintereinander eine Menge Blätter von der Hecke und warf sie grimmig zu Boden.

      »Aber«, fuhr Loneli ganz zahm fort, »wenn es doch nur ein Mensch war.«

      »Ja, ja, das ist geschwind gesagt. Was willst du doch davon reden, Loneli, du hast ja gar nichts von ihm gesehen.«

      Ungeduldig warf Kurt die letzten Blätter weg und wollte gehen. Aber Loneli gab noch nicht nach.

      »Wart nur noch einen Augenblick, Kurt«, bat es, »ich habe ihn wohl nicht gesehen; aber Clevi hat mir erzählt, wie er aussah, und ich weiss, wie er’s gemacht hat, dass er so gross war, und weiss auch, wo er den Panzer und den langen, blauen Mantel und den Helm mit dem hohen schwarzen Federbusch genommen hat.«

      »Was!« fuhr Kurt auf und starrte Loneli an, als wäre es selbst ein rätselhaftes Gespenst, »wie kannst du davon etwas wissen?«

      »Ja, gewiss, ich weiss etwas davon«, versicherte Loneli, »hör nur: meine Grossmutter war ja lange oben auf dem Schloss und hat mir soviel erzählt von allem, was sie dort erlebt hat. Da ist unten im Schloss ein grosser, alter Saal, wo alle Wände voll Waffen hängen und lauter solche Sachen und Panzer und Helme hängen überall herum, und in einer Ecke steht ein ganz geharnischter Ritter, der hat den Helm auf dem Kopf mit dem hohen, schwarzen Federbusch. Und wenn die jungen Herren vom Schlosse einen Hauptspass machen wollten, dann ging einer und nahm den geharnischten Ritter auf seine Schultern, und der lange Mantel wurde ihm über die Schultern gehängt und deckte dann den Träger noch bis zu den hohen Stiefeln herab, und die Gestalt sah so schrecklich aus, dass am hellen Tag alles davonlief, wenn sie plötzlich über die Terrasse daherkam, und die zwei jungen Fräulein schrien laut auf, wenn sie mit einem Male den grässlichen Ritter erblickten, und das freute die jungen Herren noch besonders.«

      »Oh, dann hat

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