Gesammelte Werke von Johanna Spyri. Johanna Spyri

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Gesammelte Werke von Johanna Spyri - Johanna Spyri

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      »Ja natürlich, sie war ja eins der zwei Fräulein«, sagte Loneli.

      »Aber jetzt ist ja gar niemand auf dem Schloss, als der Herr Trius, der konnte doch nicht gleich zur Stelle sein«, meinte Kurt. »Ich weiss ja, dass er jeden Abend bis ganz spät unten in den Wiesen herumschleicht und den Buben auflauert, die den Äpfeln nachstreichen. Und das ist so weit weg vom Wäldchen oben, dass er uns gar nicht hätte hören können.«

      »Es war doch der Herr Trius, das kannst du glauben«, versicherte Loneli. »Meine Grossmutter hat schon oft gesagt, der Herr Trius wisse immer alles, was vorgehe, er stecke immer hinter den Hecken, und wo man es am wenigsten erwarte, komme er plötzlich zwischen den Bäumen hervor. Und du weisst wohl, die Buben haben schon manchen Tag vorher gewusst, was ihr tun wolltet, und die reisen nicht leise, und den Äpfeln sind sie jeden Abend nachgestrichen. Da kannst du wohl denken, dass der Herr Trius deutlich genug gehört hatte, was ihr im Sinne hattet.«

      »Ja, das ist wahr, nun muss ich gleich zur Mutter«, rief Kurt und war schon auf dem Wege; aber er kehrte schnell noch einmal zurück. »Ich danke dir vielmals, Loneli«, sagte er, mit aller Macht die Hand der Freundin schüttelnd, »du hast mir einen so grossen Gefallen getan, wie du gar nicht weisst, dass du gekommen bist, mir das alles zu sagen. Gar nichts hätte mich so froh machen können, wie das, was du mir gesagt hast.«

      Nun lief er ins Haus hinein, und Loneli hatte eine solche Freude im Herzen, dass es nur in hohen Sprüngen seinen Weg heim zur Grossmutter zurücklegen konnte.

      »Wo ist die Mutter? Wo ist die Mutter?« stürmte Kurt auf den Lippo ein, den er im Hausflur traf und samt der grossen Wasserflasche, die Käthi ihm anvertraut hatte, fast umgerannt hätte.

      »Man weiss wohl, wo die Mama ist, wenn man gleich zu Mittagessen muss, und du bist auch zu spät aus der Schule gekommen«, antwortete Lippo, sachte weitertrippelnd mit seiner zerbrechlichen Last.

      »Das bin ich, Wächter der Ordnung«, lachte Kurt, an dem Kleinen vorbei der Wohnstube zurennend.

      Nun konnte Kurt wieder lachen.

      »Oh, seid ihr schon an dem«, rief er erstaunt aus, als sich hier alle anschickten, sich zu Tisch zu setzen. »Wie schade, ich hätte dir so gern noch etwas gesagt, Mutter!«

      Sie schaute ihn fragend an. Lange hatte er nicht mehr seine dringenden Mitteilungen an sie zu machen gehabt, lange auch hatte sie die helle Stimme und die fröhlichen Augen bei ihm nicht mehr gesehen, wie sie jetzt wieder da waren.

      »Nach Tisch, Kurt«, sagte sie freundlich, »du kommst auch so spät heute?«

      »Ja, ich habe zuerst so ein wenig geschlendert«, berichtete Kurt, »und dann kam mir das Loneli nachgelaufen und hatte mir etwas zu erklären, das es herausgefunden hatte. Ich habe schon manchmal gesagt, das Loneli ist das gescheiteste Kind im ganzen Flecken Nollagrund und dazu noch das allerfreundlichste und gefälligste und dienstfertigste, das überhaupt zu finden ist. Und wenn es auch nur von einer einfachen Apollonie erzogen ist, so ist es inwendig viel feiner, als eine andere, die sich auswendig mit den schönsten Bändern und Blumen aufputzt, und ich wollte lieber ein einziges Loneli, als tausend Elviren!«

      Lippo hatte schon lange beunruhigt nach Kurts Teller geblickt.

      »Da kommen schon die Bohnen herein, und du hast noch deinen ganzen Teller voll Suppe«, sagte er jetzt in Aufregung.

      »Ich finde auch, Kurt, du tätest besser, nun an deine Suppe zu gehen, als solche Ungeheuerlichkeiten auszudenken. Wir sind ja ohnedies alle deiner Ansicht, dass Loneli ein besonders nettes und ein feinfühlendes Kind ist.«

      »Gelt, Kurt«, fiel das beobachtende Mäzli ein, »weil du gestern und vorgestern und vorvorgestern so wenig geredet hast, darum musst du heute auf einmal so viel zusammenreden?«

      »Gerade darum, du findiges Mäzli«, sagte Kurt lachend, und da nun alles wieder rüstig vor sich ging bei ihm, hatte er auch seine Suppe in kürzester Zeit bewältigt.

      Erst nach der Schule, als die grösseren Geschwister an ihren Beschäftigungen sassen und die jüngeren einen Gang zur Apollonie unternommen hatten, konnte Kurt die Mutter ganz allein für sich gewinnen. Sie hatte verstanden, dass er gründlich mit ihr sprechen wollte, und hatte darum diese ruhige Abendstunde abgewartet. Jetzt machte Kurt ein ehrliches Bekenntnis seines Ungehorsams und suchte nicht mehr seine Tat damit zu rechtfertigen, dass er vorbrachte, er hätte ja nur der Mutter helfen wollen, den Aberglauben auszurotten. Nun konnte er auch ohne Rückhalt der Mutter sagen, wie schrecklich es ihn alle diese Tage gedrückt hatte, dass er nicht mit ihr sprechen konnte, weil er etwas auf dem Herzen hatte, das er nicht bekennen wollte. Einmal, weil er sich so sehr des kläglichen Ausgangs seiner Unternehmung schämte, und dann auch, weil er befürchtete, die Mutter würde ihm doch nun bestimmt wiederholen, es gebe keinen Geist von Wildenstein, und er hatte doch die ganze unerklärliche Erscheinung gesehen. Nun hatte Loneli etwas erzählt, das war ihm wie eine Erlösung, so musste ja die Mutter wissen, wie jene schreckliche Erscheinung aussah, und begreifen, dass er nicht glauben konnte, das könne ein Mensch sein.

      »Aber gelt, Mutterchen, nun bist du nicht bös auf mich, dass ich das getan habe«, bat Kurt jetzt herzlich, »ich will gewiss nie mehr so etwas tun, wenn ich weiss, du willst es nicht; ich weiss nun schon, wie es peinigt. Ich wusste wohl, dass es die Strafe war, weil ich diese Sache angestiftet hatte, die dir nicht recht war.«

      Nun die Mutter sah, dass Kurt sein Unrecht erkannte und die Strafe dafür demütig angenommen hatte, sagte sie ihm auch nichts Strafendes mehr. Was Loneli ihm von dem gepanzerten Ritter mitgeteilt hatte, bestätigte sie alles. Auch war sie ganz überzeugt, dass der überall wachsame Herr Trius längst entdeckt hatte, was Kurt mit seinen Freunden auszuführen gedachte, und dass er mit jener schreckhaften Erscheinung sie strafen und für immer verscheuchen wollte.

      »Nicht wahr, Kurt«, schloss die Mutter, »darauf kann ich mich nun verlassen, dass du in Zukunft in keiner Weise mehr mit dieser Fabel vom Geist von Wildenstein etwas zu tun haben willst.«

      Das konnte Kurt ehrlich versprechen; er hatte genug bekommen von seinem Versuch, den Geist wegzubeweisen. Dass dieser für ihn selbst nun wirklich abgetan und alles Unbegreifliche der Erscheinung aufgeklärt war, und besonders, dass Kurt wieder ohne alle Hemmung mit seiner Mutter verkehren konnte, machte ihn so glücklich, dass er mit einem lauten Freudengesang nach der Stube zu den Geschwistern zurückkehrte.

      Frau Maxa war auch erfreut, dass ihr Kurt sich wieder zurechtgefunden und wieder seine wohltuende Fröhlichkeit erlangt hatte. Was aber jetzt an ihr Ohr drang, war nicht mehr Kurts Gesang, das war ein entschiedenes Freudengeschrei. Sie öffnete die Tür, und nun schallte der bekannte Jubelruf: »Onkel Phipp! Onkel Phipp!« zu ihr herüber. So musste ja der ersehnte Bruder in der Nähe sein. Richtig, da führten die zwei Jüngsten, die auf ihrem Heimgang den Onkel getroffen hatten, ihn mit Freudenlärm herbei, und die drei Älteren schrien mit nicht weniger kräftigen Lungen dem Onkel ihr Willkommen zu.

      »Wie froh bin ich, dass du endlich kommst«, rief Frau Maxa dem Bruder entgegen, »sei willkommen! Tritt doch herein, Phipp!«

      »Sobald es mir möglich wird«, erwiderte er keuchend, und zunächst war es wirklich nicht möglich für ihn; denn - an jeder Hand ein Kind und drei zwischen den Füssen, die ihn alle noch stürmisch bewillkommneten, konnte er unmöglich vorwärts kommen.

      Nach und nach bewegte sich dann der ganze Knäuel ins Haus hinein und dem Lehnstuhl des Onkels zu, in den er von zehn hilfreichen Händen festgesetzt wurde, damit er sobald nicht wieder entweiche.

      »Ihr Schelme!« rief Onkel Phipp erschöpft aus, »wer bei

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