Verlorene Illusionen. Оноре де Бальзак
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Verlorene Illusionen - Оноре де Бальзак страница 36
Unterwegs hatte Herr von Bargeton diese Ansprache hin und her überlegt. Sie war die längste seines Lebens, er sprach sie völlig leidenschaftslos und mit dem ruhigsten Gesicht von der Welt. Stanislaus wurde blass und fragte sich selbst: »Was habe ich schließlich gesehen?«
Aber zwischen der Schande, seine Worte vor der ganzen Stadt in Anwesenheit dieses Schweigsamen, der keinen Spaß zu verstehen schien, zurückzunehmen, und der Furcht, der grässlichen Furcht, die ihm mit ihren heißen Händen den Hals zuschnürte, wählte er die entferntere Gefahr.
»Gut. Auf morgen«, sagte er zu Herrn von Bargeton und dachte, die Sache könnte inzwischen noch beigelegt werden.
Die drei Männer begaben sich wieder in den Salon zurück, und alle blickten ihnen forschend ins Gesicht: Châtelet lächelte, Herr von Bargeton sah genau so aus, wie wenn er bei sich zu Hause wäre, aber Stanislaus war leichenblass. Bei diesem Anblick errieten einige Frauen den Gegenstand der Aussprache. Die Worte »sie duellieren sich!« gingen von Mund zu Mund. Die Hälfte der Gesellschaft dachte, Stanislaus müsse unrecht haben, seine Blässe und die ganze Art seiner Haltung kündeten eine Lüge an; die andere Hälfte bewunderte die Haltung des Herrn von Bargeton. Châtelet spielte den Feierlichen und Geheimnisvollen. Herr von Bargeton blieb einige Augenblicke und erforschte die Mienen der Anwesenden, dann ging er.
»Haben Sie Pistolen?« fragte Châtelet leise Stanislaus, der von Kopf bis zu Fuß bebte.
Amélie verstand alles und wurde ohnmächtig; die Frauen bemühten sich um sie und trugen sie in ihr Schlafzimmer. Ein schrecklicher Lärm entstand, alle sprachen zu gleicher Zeit. Die Männer blieben im Salon und erklärten einstimmig, Herr von Bargeton wäre im Recht.
»Hätten Sie dem Guten zugetraut, dass er sich so wacker hielte?« fragte Herr von Saintot. »Aber«, erwiderte der unbarmherzige Jacques, »in seiner Jugend war er einer der besten Schützen. Mein Vater hat mir oft von den Waffentaten Bargetons erzählt.«
»Bah! Sie stellen sie zwanzig Schritt voneinander, und sie verfehlen sich, wenn Sie Kavalleriepistolen nehmen«, sagte Francis zu Châtelet.
Als sich alle verabschiedet hatten, beruhigte Châtelet Stanislaus und seine Frau und erklärte ihnen, alles werde gut gehen, und in einem Duell zwischen einem Sechzigjährigen und einem Sechsunddreißigjährigen sei dieser im Vorteil.
Als am nächsten Morgen Lucien mit David, der ohne seinen Vater von Marsac zurückgekehrt war, beim Frühstück saß, trat Frau Chardon ganz aufgeregt herein.
»Lucien, weißt du denn das Neueste, von dem man schon auf dem Markte spricht? Herr von Bargeton hat Herrn von Chandour heute morgen um fünf Uhr auf einer Wiese beinahe getötet. Herr von Chandour soll gestern gesagt haben, er habe dich mit Frau von Bargeton zusammen überrascht.«
»Falsch!« rief Lucien, »Frau von Bargeton ist unschuldig.«
»Ein Landmann, den ich die Einzelheiten erzählen hörte, hat von seinem Wagen aus alles mit angesehen. Herr von Nègrepelisse war schon um drei Uhr morgens hereingekommen, um Herrn von Bargeton zu sekundieren; er hat zu Herrn von Chandour gesagt, er werde seinen Schwiegersohn rächen, wenn ihm ein Unglück zustieße. Ein Kavallerieoffizier hat seine Pistolen hergegeben, die Herr von Nègrepelisse verschiedenemal probiert hat. Herr du Châtelet wollte sich dem Erproben der Pistolen widersetzen, aber der Offizier, den man als Unparteiischen genommen hatte, sagte: wenn man sich nicht mit bloßen Kindereien abgeben wollte, müsste man Waffen nehmen, die etwas taugten. Die Zeugen stellten die beiden Gegner fünfundzwanzig Schritt voneinander auf. Herr von Bargeton, der sich benahm, als handelte es sich um einen Spaziergang, schoss als erster und traf Herrn von Chandour in den Hals. Der fiel hin, ohne zurückschießen zu können. Der Wundarzt des Krankenhauses hat soeben erklärt, dass Herr von Chandour für den Rest seines Lebens einen schiefen Hals behalten wird. Ich wollte dir gleich den Ausgang des Duells melden, damit du nicht zu Frau von Bargeton gehst und dich nicht in Angoulême sehen lässt, denn manche Freunde des Herrn von Chandour könnten dich provozieren.«
In diesem Augenblick trat Gentil, der Kammerdiener des Herrn von Bargeton, ein, dem der Druckerlehrling den Weg gezeigt hatte, und übergab Lucien einen Brief Louisens:
»Mein Freund! Sie haben ohne Zweifel den Ausgang des Duells zwischen Chandour und meinem Mann erfahren. Wir empfangen heute niemanden. Seien Sie klug, zeigen Sie sich nicht. Ich verlange es im Namen der Gefühle, die Sie für mich hegen. Finden Sie nicht, dass dieser traurige Tag am besten verwendet wäre, wenn Sie zu Ihrer Beatrice kämen? Ihr Leben ist durch diesen Vorfall ganz verändert, und sie hat Ihnen tausend Dinge zu sagen.«
»Zum Glück«, sagte David, »ist meine Hochzeit auf übermorgen festgesetzt; so bist du leicht in der Lage, weniger oft zu Frau von Bargeton zu gehen.«
»Lieber David«, erwiderte Lucien, »sie bittet mich, heute zu ihr zu kommen; ich glaube, ich muss ihr gehorchen; sie weiß wohl besser als wir, wie ich mich in dieser Lage verhalten muss.«
»Und hier ist also alles in Ordnung?« fragte Frau Chardon.
»Sehen Sie selbst«, rief David, der glücklich war, die Umwandlung zeigen zu können, die mit der Wohnung im ersten Stock, wo alles frisch und neu war, vor sich gegangen war.
Es waltete da schon der wohltuende Geist des jungen Haushalts, wo der Kranz von Orangenblüten und der Brautschleier die Krone des häuslichen Lebens sind, wo der Frühling der Liebe sich in den Dingen widerspiegelt, und wo alles blank, sauber und mit Blumen geschmückt ist.
»Eva wird wie eine Prinzessin wohnen,« sagte die Mutter; »aber du hast zuviel Geld ausgegeben, du hast verschwendet!«
David lächelte, ohne zu antworten, denn Frau Chardon hatte eine geheime Wunde berührt, die dem armen Liebhaber grausame Schmerzen bereitete: die Ausführung seiner Bestellungen war so viel teurer geworden, als er vermutet hatte, dass es ihm unmöglich war, das Gelass über dem Schuppen zu bauen. Seine Schwiegermutter konnte das Heim, das er ihr geben wollte, noch lange nicht haben. Großmütige Menschen empfinden die lebhaftesten Schmerzen, wenn sie jene Art von Versprechen nicht halten können, die gewissermaßen die kleinen Eitelkeiten der Zärtlichkeit sind. David verbarg seine Verlegenheit sorgfältig, um das Herz Luciens zu schonen, der sich durch die Opfer, die für ihn gebracht worden waren, leicht hätte bedrückt fühlen können.
»Eva und ihre Freundinnen haben auch schön gearbeitet«, sagte Frau Chardon. »Die Aussteuer, die Hauswäsche, alles ist in Ordnung. Diese jungen Mädchen lieben sie so, dass sie ihr, ohne etwas davon zu sagen, die Matratzen mit weißem Barchent überzogen und mit rosa Litzen verziert haben. Das ist reizend! Man bekommt Lust, sich zu verheiraten.«
Mutter und Tochter hatten alle ihre Ersparnisse dafür verwendet, Davids Haushalt mit Dingen zu versorgen, an die junge Männer niemals denken. Da sie wussten, wieviel Luxus er entfaltete, denn es war die Rede von einem Porzellanservice, das er in Limoges bestellt hatte, hatten sie versucht, die Dinge, die sie anschafften, mit denen, die David kaufte, in Einklang zu bringen. Dieser kleine Wettkampf der Liebe und Großmut musste die beiden Gatten dazu bringen, im Anfang ihrer Ehe inmitten aller Zeichen eines bürgerlichen Wohlstandes, der in einer zurückgebliebenen Stadt, wie es damals Angoulême war, für Luxus gelten musste, Entbehrungen zu leiden. In dem Augenblick,