Verlorene Illusionen. Оноре де Бальзак

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Verlorene Illusionen - Оноре де Бальзак

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sie mir.«

      Lucien reiste am nächsten Morgen bei Tagesanbruch ab. Er war von David begleitet, der sich ein Kabriolett und ein Pferd verschafft hatte, wobei er sagte, er hätte geschäftliche Dinge mit seinem Vater zu erledigen, was unter den jetzigen Umständen wahrscheinlich war. Die beiden Freunde begaben sich nach Marsac und verbrachten dort einen Teil des Tages bei dem alten Bären; am Abend fuhren sie dann bis über Mansle hinaus, um Frau von Bargeton zu erwarten. Sie kam gegen Morgen an. Als Lucien die alte sechzigjärige Kalesche sah, die er so oft in der Remise betrachtet hatte, fühlte er sich so bewegt wie noch selten im Leben. Er warf sich David in die Arme, der zu ihm sagte: »Gott gebe, dass das zu deinem Guten ist.«

      Der Drucker bestieg wieder sein kleines Kabriolett und fuhr mit gepresstem Herzen ab, denn er hatte ängstliche Vorgefühle über die Schicksale, die Lucien in Paris erwarteten.

      Ein großer Mann aus der Provinz in Paris

      Erster Teil

      Weder Lucien, noch Frau von Bargeton, noch Gentil, noch Albertine, die Kammerfrau, sprachen jemals von den Vorfällen dieser Reise; aber man darf annehmen, dass die fortwährende Anwesenheit der Dienerschaft sie für einen Liebhaber, der alle Wonnen einer Entführung erwartet hatte, sehr verdrießlich gestaltete. Lucien, der zum erstenmal in seinem Leben Extrapost fuhr, war wie aus den Wolken gefallen, als er fast die ganze Summe, die er für ein Jahr seines Lebens bestimmt hatte, auf der Straße von Angoulême nach Paris verschwinden sah. Wie alle Menschen, die die Reize der Kindlichkeit mit der Kraft der Begabung vereinigen, hatte er den Fehler, dass er beim Anblick von Dingen, die für ihn neu waren, seine naive Verwunderung nicht unterdrückte. Ein Mann muss eine Frau gut studieren und darf seine Gefühle und Gedanken nicht gleich im Entstehen sehen lassen. Eine Geliebte, die Zärtlichkeit und Größe verbindet, lächelt über Kindereien und versteht sie; aber wenn sie nur ein bisschen Eitelkeit hat, verzeiht sie ihrem Geliebten nicht, wenn er sich kindisch, eitel oder kleinlich zeigt. Viele Frauen übertreiben den Kultus mit ihrem Geliebten so sehr, dass sie immer einen Abgott in ihm finden wollen; während die, die einen Mann um seiner selbst willen und nicht zuerst in Bezug auf sich lieben, seine kleinen Züge ebenso verehren wie seine Größe. Lucien hatte noch nicht gemerkt, dass die Liebe bei Frau von Bargeton auf die Eitelkeit gepfropft war. Er beging den Fehler, das Lächeln nicht zu beachten, das Louise während dieser Reise manchmal nicht unterdrücken konnte, wenn er sich das possierliche Benehmen einer jungen, zum erstenmal aus ihrem Loch kommenden Ratte erlaubte, anstatt sich zurückzuhalten.

      Die Reisenden stiegen im Hotel du Gaillard-Bois in der Rue de l'Echelle vor Tagesanbruch ab. Die beiden Liebenden waren so ermüdet, dass sich Louise vor allem hinlegen wollte, was sie auch tat. Sie versäumte aber nicht, Lucien vorher anzuempfehlen, er solle sich ein Zimmer über ihrem Gemach nehmen. Lucien schlief bis vier Uhr nachmittags. Frau von Bargeton ließ ihn zum Diner wecken; er kleidete sich, als er hörte, wieviel Uhr es wäre, schnell an und fand Louise in einer der elenden Kammern, die die Schande von Paris sind, wo es trotz aller Ansprüche auf Eleganz kein einziges Hotel gibt, in dem ein reicher Reisender sich zu Hause fühlen kann. Obwohl Lucien sich von seinem plötzlichen Erwachen noch benommen fühlte, erkannte er doch seine Louise in dieser kalten, sonnenlosen Kammer nicht wieder. Die Vorhänge waren verblichen, der Fußboden war in schlechtem Zustande, die Möbel waren unansehnlich, abgeschmackt, entweder alt oder aus zweiter Hand gekauft. Es gibt tatsächlich manche Frauen, die, wenn sie einmal von den Gestalten, den Dingen, den Räumen, die ihnen als Umrahmung dienen, getrennt sind, nicht mehr dasselbe Aussehen und nicht denselben Wert haben. Die lebendigen Physiognomien besitzen eine Art Atmosphäre, die zu ihnen gehört, wie das Helldunkel der flämischen Gemälde ein notwendiges Zubehör des Lebens der Gestalten ist, die das Genie der Maler hineingestellt hat. Die Menschen der Provinz sind fast alle so. Und dann schien Frau von Bargeton würdevoller und nachdenklicher, als sie es in einem Augenblick sein durfte, wo ein schrankenloses Glück beginnen sollte. Lucien war zunächst nicht in der Lage, sich zu beklagen; Gentil und Albertine bedienten sie. Das Diner hatte nicht mehr den verschwenderischen und vorzüglichen Charakter, der für das Provinzleben kennzeichnend ist. Die Gerichte, die aus einem benachbarten Restaurant kamen, boten sich, von der Gewinnsucht bemessen, recht armselig; sie schmeckten nach kleinen Leuten. Paris ist in diesen kleinen Dingen, zu denen die Leute mit geringem Vermögen verurteilt sind, recht hässlich. Lucien wartete auf das Ende der Mahlzeit, um Louise zu befragen, deren Veränderung ihm unerklärlich war. Er täuschte sich nicht: ein ernstes Ereignis – denn die Überlegungen sind die Ereignisse des innern Lebens – war während seines Schlafes eingetreten.

      Gegen zwei Uhr nachmittags war Sixtus du Châtelet im Hotel erschienen, hatte Albertine wecken lassen, den Wunsch ausgesprochen, ihre Herrin zu sprechen, und war dann zurückgekommen, nachdem er Frau von Bargeton kaum Zeit gelassen hatte, sich anzukleiden. Anaïs, deren Neugier durch dieses seltsame Auftauchen des Herrn du Châtelet erregt war – glaubte sie doch, vor allen verborgen zu sein –, hatte ihn gegen drei Uhr empfangen.

      »Ich bin Ihnen gefolgt, auf die Gefahr hin, von meinen Vorgesetzten einen Rüffel zu bekommen,« so begrüßte er sie, »denn ich sah voraus, wie es mit Ihnen steht. Aber selbst wenn ich meine Stelle verliere, ist es besser, als dass Sie eine Verlorene werden!«

      »Was soll das heißen?« rief Frau von Bargeton.

      »Ich sehe wohl. Sie lieben Lucien,« fuhr er mit einer Miene fort, in der sich Zärtlichkeit und Resignation mischten; »denn man muss wohl einen Mann lieben, wenn man an gar nichts denkt, wenn man alle Schicklichkeit außer acht lässt, wenn Sie es tun, die Sie so gut wissen, was sich schickt! Glauben Sie denn, liebe, angebetete Naïs, dass Sie bei Madame d'Espard oder in irgendeinem Salon von Paris empfangen werden, wenn man erfährt, dass Sie mit einem jungen Manne, und dazu noch nach dem Duell Herrn von Bargetons mit Herrn von Chandour, aus Angoulême so gut wie geflüchtet sind? Der Aufenthalt Ihres Mannes in l'Escarbas sieht wie eine Trennung aus. In einem solchen Falle pflegen sich Männer von Stande für ihre Frauen zu schlagen und lassen sie dann laufen. Lieben Sie Herrn von Rubempré, beschützen Sie ihn, machen Sie, was Sie wollen, aber wohnen Sie nicht zusammen! Wenn hier irgend jemand erführe, dass Sie im selben Wagen gereist sind, wäre Ihnen die Tür zu der Welt, die Sie aufsuchen wollen, verschlossen. Überdies, Naïs, bringen Sie einem jungen Mann, den Sie noch mit niemand verglichen haben, der noch keine Probe abgelegt hat, der Sie hier vielleicht für irgendeine Pariserin, die er seinem Ehrgeiz dienlicher findet, vergisst, bringen Sie ihm keine solchen Opfer. Ich will dem, den Sie lieben, nicht schaden, aber Sie müssen mir gestatten, Ihre Interessen den seinen vorzuziehen und Ihnen zu sagen: Erforschen Sie ihn, bedenken Sie die ganze Bedeutung Ihres Schritts. Wenn Sie die Türen geschlossen finden, wenn die Frauen sich weigern, Sie zu empfangen, dann sollen Sie wenigstens so große Opfer nicht zu bedauern haben; Sie sollen wissen, dass der, dem Sie sie bringen, sie immer verdient und sie würdigt. Madame d'Espard ist um so mehr prüde und streng, als sie selbst von ihrem Manne getrennt lebt, ohne dass die Welt in das Geheimnis ihres Zwists hat dringen können; aber die Navarreins, die Blamont-Chauvré, die Lenoncourt, alle ihre Verwandten stehen auf ihrer Seite, die prüdesten Frauen verkehren bei ihr und empfangen sie respektvoll, so dass der Marquis d'Espard ins Unrecht gesetzt scheint. Schon beim ersten Besuch, den Sie ihr machen, werden Sie merken, wie richtig meine Ratschläge sind. Ohne Frage, ich kann es Ihnen voraussagen, ich kenne Paris: kaum sind Sie bei der Marquise eingetreten, kommen Ihnen verzweifelte Gedanken, sie könnte erfahren, dass Sie im Hotel du Gaillard-Bois mit dem Sohn eines Apothekers abgestiegen sind, mag er übrigens auch Herr von Rubempré heißen wollen. Sie müssen sich hier auf Rivalinnen gefasst machen, die in ganz anderer Art verschlagen und schlau sind wie Amélie; sie werden schnell herausgefunden haben, wer Sie sind, wo Sie sind, woher Sie kommen, was Sie treiben. Sie haben auf Inkognito gerechnet; aber Sie gehören zu den Menschen, für die es kein Inkognito gibt. Werden Sie nicht überall Angoulême treffen? Da sind die Deputierten der Charente, die zur Kammereröffnung kommen; da ist der General, der in Paris auf Urlaub ist; aber es genügt ja, dass ein einziger Einwohner Angoulêmes Sie sieht, damit Ihr Leben eine seltsame Wendung nimmt: Sie werden nur noch die Geliebte Luciens sein. Wenn Sie mich zu irgend etwas brauchen, was es auch sei, ich bin bei dem

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