Verlorene Illusionen. Оноре де Бальзак
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Читать онлайн книгу Verlorene Illusionen - Оноре де Бальзак страница 38
»Wenn ich mit Louise zusammen lebe, wird ein Taler täglich für mich ein ganzes Vermögen sein, und das macht nur tausend Franken im Jahr«, sagte er sich. »Und in sechs Monaten bin ich reich.«
Eva und ihre Mutter hörten, nachdem sie versprochen hatten, das tiefste Geheimnis zu wahren, die Bekenntnisse Luciens an. Alle beide weinten bei der Erzählung unseres Ehrgeizigen, und als er den Grund dieses Kummers erfahren wollte, sagten sie ihm, alles, was sie besäßen, wäre von der Haus- und Tischwäsche, von Evas Aussteuer, von einer Menge Anschaffungen verschlungen worden, an die David nicht gedacht hätte, und sie wären froh, das alles besorgt zu haben, denn für David bedeuteten diese Dinge, die Eva mitbrächte, soviel wie eine Mitgift von zehntausend Franken. Lucien teilte jetzt seine Darlehnsidee mit, und Frau Chardon nahm es auf sich, Herrn Postel um tausend Franken für ein Jahr zu bitten.
»Aber Lucien,« sagte Eva in bekümmertem Tone, »du wirst also nicht bei meiner Hochzeit sein? O komm zurück, ich werde ein paar Tage warten! In vierzehn Tagen, wenn du sie hinbegleitet hast, wird sie schon erlauben, dass du wieder hierher kommst! Sie wird dich uns acht Tage schenken, uns, die wir dich für sie aufgezogen haben! Es wäre ein schlechter Anfang unserer Ehe, wenn du nicht dabei wärst... Aber«, unterbrach sie sich plötzlich, »wirst du mit tausend Franken genug haben? Dein Anzug kleidet dich himmlisch, aber du hast nur den einen! Du hast nur zwei feine Hemden, die sechs andern sind aus grober Leinwand. Du hast nur drei Batistkrawatten, die drei andern sind aus gewöhnlichem Jakonett, und deine Taschentücher sind auch nicht schön. Wirst du in Paris eine Schwester finden, die dir an dem Tag, wo du sie brauchst, deine Wäsche bereithält? Du wirst sie noch sehr vermissen. Du hast nur eine Nankinghose, die in diesem Jahr gemacht worden ist; die aus dem vorigen Jahre ist dir zu knapp; du musst dich also in Paris neu einkleiden, und die Preise von Paris sind nicht die von Angoulême. Du hast nur zwei anständige Westen, ich habe die andern schon geflickt. Weißt du, ich rate dir, zweitausend Franken mitzunehmen.«
David, der in diesem Moment eintrat, schien die letzten Worte gehört zu haben, denn er blickte Bruder und Schwester schweigend an.
»Verbergt mir nichts«, sagte er schließlich. »Denke,« rief Eva, »er reist mit ihr fort«
»Postel«, sagte Frau Chardon, die hereintrat, ohne David zu sehen, »willigt ein, dir die tausend Franken zu leihen, aber nur für sechs Monate, und er will einen Wechsel von dir, den dein Schwager akzeptiert, denn er sagt, du bötest keine Garantie.«
Die Mutter blickte sich um, sah ihren Schwiegersohn, und die vier Menschen blieben in tiefem Schweigen. Die Familie Chardon fühlte, wie sehr sie David ausgenützt hatte. Alle schämten sich. Eine Träne schwamm im Auge des Buchdruckers.
»Du wirst also nicht auf meiner Hochzeit sein?« fragte er, »du wirst nicht bei uns bleiben? und da habe ich nun alles verschwendet, was ich hatte! Ach Lucien, eben bringe ich Eva ihren armseligen Brautschmuck; ich wusste nicht,« sagte er, trocknete sich die Augen und zog ein paar Schmuckkästchen aus der Tasche, »dass ich bedauern müsste, ihn gekauft zu haben.«
Er stellte mehrere mit Saffian überzogene Kästchen auf den Tisch vor den Platz seiner Schwiegermutter.
»Warum denkst du so viel an mich?« fragte Eva mit dem Lächeln eines Engels, das in Widerspruch zu ihren Worten stand.
»Liebe Mama,« sagte der Drucker, »sage Herrn Postel, ich willige ein, meine Unterschrift zu geben, denn ich sehe auf deinem Gesicht, Lucien, dass du entschlossen bist, abzureisen.«
Lucien nickte kraftlos und traurig mit dem Kopf und sagte nach einer kleinen Pause: »Urteilt nicht falsch über mich, geliebte Menschen.«
Er griff nach Eva und David, zog sie zu sich heran, drückte sie an sich, küsste sie und sprach: »Wartet ab, was daraus entsteht; ihr werdet sehen, wie ich euch liebe. David, wozu diente unser hoher Gedankenflug, wenn er uns nicht erlaubte, gleichgültig gegen die kleinen Zeremonien zu sein, mit denen die Gesetze unsere Gefühle umwickeln? Wird nicht trotz der Entfernung meine Seele hier sein? Wird uns nicht der Gedanke vereinigen? Werden die Verleger hierher kommen, um meinen »Bogenschützen Karls IX.« und meine »Marguersten« von mir zu bekommen? Früher oder später musste ich einmal doch tun, was ich jetzt tue. Aber konnte ich jemals günstigere Bedingungen finden? Hängt nicht mein ganzes Glück davon ab, dass ich bei meinem ersten Auftreten in Paris zu dem Salon der Marquise d'Espard Zutritt habe?«
»Er hat recht«, sagte Eva. »Sagtest du mir nicht selbst, er müsste bald nach Paris gehen?«
David nahm Eva bei der Hand, führte sie in den engen Raum, in dem sie seit sieben Jahren schlief, und sagte ihr ins Ohr: »Er braucht zweitausend Franken, sagtest du, Liebste? Postel gibt nur tausend her.«
Eva sah ihren Verlobten mit einem ängstlichen Blick an, der all ihren Kummer zum Ausdruck brachte.
»Höre, geliebte Eva! wir werden unser Leben schlecht anfangen. Jawohl, meine Ausgaben haben alles verschlungen, was ich besessen habe. Es bleiben mir nur zweitausend Franken, und die Hälfte ist unentbehrlich, damit die Druckerei weiterbestehen kann. Wenn ich deinem Bruder tausend Franken gebe, gebe ich ihm unser Brot, gefährde ich unsere Existenz. Wenn ich allein wäre, wüsste ich, was ich täte, aber wir sind zwei. Entscheide.«
Eva warf sich, außer sich, ihrem Geliebten in die Arme, küsste ihn zärtlich und sagte ihm, von Tränen überströmt, ins Ohr: »Tu, wie wenn du allein wärst; ich werde arbeiten, um diese Summe wieder zu verdienen.«
Trotz eines Kusses, der so glühend war, wie ihn je zwei Verlobte ausgetauscht haben, war Eva, als David sie allein ließ und zu Lucien trat, sehr niedergeschlagen.
»Sei ohne Sorge,« sagte David zu Lucien, »du sollst deine zweitausend Franken haben.«
»Geht zu Postel,« sagte Frau Chardon, »ihr müsst beide den Wechsel unterschreiben.«
Als die beiden Freunde wieder heraufkamen, überraschten sie Eva und ihre Mutter, wie sie auf den Knien zu Gott beteten. Obwohl sie wussten, wieviel Hoffnungen die Rückkehr erfüllen musste, fühlten sie doch in diesem Augenblick alles, was sie mit diesem Abschied verloren, sie fanden das Glück der Zukunft zu teuer mit einer Abwesenheit erkauft, die sie unglücklich machte und sie in tausend Ängste über das Schicksal Luciens versetzte.
»Wenn du jemals diese Szene vergäßest,« flüsterte David Lucien ins Ohr, »wärst du der niedrigste aller Menschen.«
Der Buchdrucker hielt ohne Zweifel diese ernsten Worte für nötig, der Einfluss der Frau von Bargeton ängstigte ihn nicht weniger als die unheilvolle Unbeständigkeit von Luciens Charakter, die ihn ebenso auf den schlimmen wie auf den rechten Weg bringen konnte. Eva hatte Luciens Bündel schnell geschnürt. Dieser Fernando Cortez der Literatur nahm wenig mit sich. Er behielt seinen besten Gehrock, seine beste Weste und eins seiner zwei besten Hemden an. Seine ganze Wäsche, sein berühmter Anzug, seine Siebensachen und seine Manuskripte bildeten ein so kleines Paket, dass David vorschlug, er wolle es, damit es den Augen der Frau von Bargeton verborgen bliebe, mit der Eilpost seinem Geschäftsfreund, einem Papierhändler, schicken und ihm schreiben, er solle es Lucien übergeben.
Trotz den Vorsichtsmaßregeln Frau von Bargetons zur Geheimhaltung ihrer Abreise erfuhr Châtelet davon und wollte wissen, ob sie die Reise allein oder in Begleitung Luciens machte; er schickte seinen Kammerdiener nach Ruffec mit dem Auftrag,