Verlorene Illusionen. Оноре де Бальзак
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Châtelet konnte sprechen, ohne dass Frau von Bargeton ihn unterbrach, sie war von der Richtigkeit seiner Bemerkungen niedergeschlagen. Die Königin von Angoulême hatte in der Tat auf das Inkognito gerechnet.
»Sie haben recht, lieber Freund,« sagte sie, »aber was tun?«
»Gestatten Sie mir,« antwortete Châtelet, »Ihnen eine passende möblierte Wohnung zu suchen; Sie führen dann ein billigeres Leben als in den Gasthöfen und sind bei sich zu Hause; und wenn Sie meinem Rat folgen, bringen Sie da schon die heutige Nacht zu.«
»Aber woher haben Sie meine Adresse erfahren?« fragte sie.
»Ihr Wagen war leicht zu erkennen, und überdies war ich Ihnen gefolgt. In Sèvres sagte der Postillion, der Sie geführt hat, meinem Ihre Adresse. Wollen Sie mir gestatten, für Ihre Wohnung zu sorgen? Ich werde Ihnen bald schreiben, wo ich Sie untergebracht habe.«
»Gut, tun Sie das«, erwiderte sie.
Dieses Wort schien nichts und war alles. Der Baron du Châtelet hatte zu einer Frau von Welt die Sprache der Welt geredet. Er war in der ganzen Eleganz einer Pariser Kleidung aufgetreten; ein hübsches Kabriolett mit einem schmucken Pferd davor hatte ihn hergebracht. Zufällig stellte sich Frau von Bargeton ans Fenster, um über ihre Lage nachzudenken, und sah den alten Stutzer abfahren. Einige Augenblicke später stellte sich Lucien, der plötzlich geweckt worden war und sich eilig angezogen hatte, in seiner Nankinghose vom vorigen Jahre und seinem kümmerlichen Rock vor ihre Blicke. Er war schön; aber lächerlich gekleidet. Man ziehe den Apollo des Belvedere oder den Antinous als Wasserträger an: wer wird dann die göttliche Gestalt des griechischen oder römischen Meißels erkennen? Die Augen vergleichen, ehe das Herz das rasche mechanische Urteil richtiggestellt hat. Der Gegensatz zwischen Lucien und Châtelet war zu heftig, als dass er nicht die Augen Louisens frappieren musste. Als gegen sechs Uhr das Diner zu Ende war, winkte Frau von Bargeton Lucien zu sich auf ein erbärmliches Kanapee aus rotem, gelbgeblümtem Kattun, auf das sie sich gesetzt hatte.
»Mein Lucien,« sagte sie, »meinst du nicht, wenn wir eine Torheit begangen haben, die uns beide in gleicher Weise in tödliche Gefahr bringt, dass es vernünftig ist, sie wieder gutzumachen? Liebes Kind, wir dürfen in Paris nicht zusammen wohnen, und dürfen den Verdacht nicht aufkommen lassen, dass wir zusammen hierhergekommen sind. Deine Zukunft hängt sehr von meiner Stellung ab, und ich darf sie auf keine Weise aufs Spiel setzen. Ich werde mir also noch heute Abend ein paar Schritte von hier eine Wohnung nehmen, aber du bleibst in diesem Hotel wohnen, und wir können uns alle Tage sehen, ohne dass jemand etwas dagegen sagen kann.«
Louise erklärte Lucien, der sie mit großen Augen ansah, die Gesetze der großen Welt. Er wusste zwar nicht, dass die Frauen, die ihre Torheiten korrigieren, damit auch ihre Liebe korrigieren, aber er merkte, dass er nicht mehr der Lucien von Angoulême war. Louise sprach ihm nur von sich, von ihren Interessen, von ihrem Ruf, von der Welt; und um ihren Egoismus zu entschuldigen, versuchte sie, ihn glauben zu machen, es handele sich um ihn. Er hatte kein Recht auf Louise, die so schnell wieder Frau von Bargeton geworden war, und was schlimmer war, er hatte keine Macht über sie. So konnte er schwere Tränen nicht zurückhalten, die ihm aus den Augen stürzten.
»Wenn ich dein Ruhm bin, bist du für mich noch mehr: du bist meine einzige Hoffnung und meine ganze Zukunft. Ich hatte gedacht, dass du, wie du meine Erfolge teilst, auch mein Unglück teilen solltest, und nun sollen wir uns jetzt schon trennen!«
»Du tadelst mein Verhalten,« versetzte sie, »du liebst mich nicht.«
Lucien sah sie so schmerzlich an, dass sie sich nicht enthalten konnte, hinzuzufügen: »Lieber Junge, ich bleibe, wenn du willst. Wir gehen zugrunde und stehen ohne jeden Beistand da. Aber wenn wir beide in gleicher Weise im Elend und beide von der Welt verstoßen sind; wenn der Misserfolg – denn man muss alles ins Auge fassen – uns bis nach l'Escarbas zurückgeworfen hat, dann erinnere dich, mein Lieber, dass ich dieses Ende vorausgesehen habe und dir vorschlug, nach den Gesetzen der Welt ans Ziel zu gelangen und ihnen zu gehorchen.«
»Louise,« antwortete er und umarmte sie, »ich bin erschreckt, dass ich dich so klug sehe. Vergiss nicht, dass ich ein Kind bin, dass ich mich ganz und völlig deinem lieben Willen überlassen habe. Ich wollte über Menschen und Dinge aus eigener Kraft siegen; aber wenn ich mit deiner Hilfe schneller ans Ziel kommen kann als allein, werde ich sehr glücklich sein, dir all mein Glück zu verdanken. Verzeih! Ich habe zuviel auf dich gesetzt, um nicht alles fürchten zu müssen. Für mich ist eine Trennung der Vorläufer des Verlassenwerdens; und verlassen zu werden ist der Tod.«
»Aber, liebes Kind, die Welt verlangt wenig von dir«, erwiderte sie. »Es handelt sich nur darum, dass du hier die Nacht zubringst, und du kannst den ganzen Tag bei mir sein, ohne dass jemand etwas daran finden darf.«
Einige Zärtlichkeiten beruhigten Lucien vollends. Eine Stunde später brachte Gentil ein paar Zeilen von Châtelet, der Frau von Bargeton mitteilte, dass er ihr in der Rue Neuve-de-Luxembourg eine Wohnung gemietet hätte. Sie ließ sich die Lage dieser Straße erklären, die von der Rue de l'Echelle nicht sehr entfernt war, und sagte zu Lucien: »Wir sind Nachbarn.«
Zwei Stunden später bestieg sie einen Wagen, den ihr Châtelet geschickt hatte, und fuhr in ihre neue Wohnung. Es war eine von denen, in die die Möbelhändler Möbel stellen, um sie an reiche Deputierte oder an hohe Persönlichkeiten zu vermieten, die für kurze Zeit nach Paris gekommen sind; sie war üppig, aber unbequem eingerichtet. Lucien kehrte gegen elf Uhr in sein kleines Hotel zurück und hatte von Paris noch nichts gesehen als den kleinen Teil der Rue St.-Honoré, der zwischen der Rue Neuve-de-Luxembourg und der Rue de l'Echelle liegt. Er legte sich in seiner elenden kleinen Kammer schlafen, die er unwillkürlich mit dem prächtigen Gemach Louisens vergleichen musste. Kaum hatte er Frau von Bargeton verlassen, als der Baron du Châtelet anlangte. Er kam in strahlender Balltoilelte von einer Gesellschaft beim Minister des Äußern zurück. Er wollte Frau von Bargeton über alle seine Veranstaltungen Rechenschaft ablegen. Louise war unruhig, dieser Luxus ängstigte sie. Die Provinzgewohnheiten hatten schließlich auch sie erfasst, sie war in ihren Ausgaben genau geworden; sie sah so auf Sparsamkeit, dass sie in Paris für geizig gelten konnte. Sie hatte etwa zwanzigtausend Franken in Form einer Anweisung auf den Generalsteuerdirektor mitgebracht und hatte diese Summe zur Deckung ihrer Ausgaben während der nächsten vier Jahre bestimmt. Jetzt fürchtete sie schon, nicht genug zu haben und Schulden zu machen. Châtelet teilte ihr mit, dass ihre Wohnung sie nur sechshundert Franken im Monat kostete.
»Was ist daran Schlimmes?« fragte er, als er den Ruck bemerkte, den diese Mitteilung bei Naîs erzielte. »Sie haben einen Wagen für fünfhundert Franken im Monat zu Ihrer Verfügung, das macht im ganzen fünfzig Louis. Sie haben im übrigen nur noch an Ihre Toilette zu denken. Wenn Sie aus Herrn von Bargeton einen Generalsteuerdirektor machen oder ihm eine Stellung im Haushalt des Königs verschaffen wollen, dürfen Sie nicht wie eine arme Frau aussehen. Hier wird nur den Reichen gegeben. Es ist sehr gut, dass Sie Gentil zur Begleitung und Albertine als Zofe haben, denn die Bedienten in Paris ruinieren einen. Essen werden Sie selten zu Hause, so eingeführt wie Sie bald sein werden.«
Frau von Bargeton und der Baron plauderten von Paris. Châlelet erzählte die Neuigkeiten des Tages, die tausend Nichtigkeiten, die man wissen muss, wenn man für einen Pariser gelten will. Er gab bald Naïs Ratschläge über die Geschäfte, in denen sie kaufen sollte: er nannte ihr Herbault für die Barette, Juliette für die Hüte und Häubchen; er gab ihr die Adresse der Schneiderin, die Viktorine ersetzen sollte, kurz, er machte ihr die Notwendigkeit begreiflich, sich zu entangoulèmieren. Dann verabschiedete er sich nach dem letzten guten Einfall, auf den er noch glücklich gekommen