Verlorene Illusionen. Оноре де Бальзак

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Verlorene Illusionen - Оноре де Бальзак страница 6

Verlorene Illusionen - Оноре де Бальзак

Скачать книгу

Not ihre Lebensart verändert hatte, aber ihr und ihrer Kinder Mut war ebenso groß wie ihr Unglück. Die arme Witwe verkaufte die Apotheke, die in der Hauptstraße von Houmeau, der bedeutendsten Vorstadt von Angoulême, gelegen war. Der Preis der Apotheke erlaubte ihr, sich dreihundert Franken Leibrente festzulegen, eine Summe also, die für ihre eigene Existenz nicht ausreichen konnte, aber sie und ihre Tochter fügten sich in ihre Lage ohne falsche Scham und übernahmen Lohnarbeit. Die Mutter widmete sich der Wochenpflege, und sie wurde infolge ihrer guten Manieren in den reichen Häusern jeder andern vorgezogen, sie konnte sich dort verpflegen, ohne ihren Kindern etwas zu kosten, wobei sie täglich noch zwanzig Sous verdiente. Um ihrem Sohn die Beschämung zu ersparen, seine Mutter in einer so erniedrigten Lage zu sehen, hatte sie den Namen Madame Charlotte angenommen. Die Frauen, die ihrer Pflege bedurften, hatten sich an Herrn Postel zu wenden, den Nachfolger Herrn Chardons. Die Schwester Luciens arbeitete bei einer sehr ehrenwerten und in Houmeau geachteten Frau namens Prieur, einer Weißwäscherin, die ihre Nachbarin war, und verdiente täglich ungefähr fünfzehn Sous. Sie führte die Aufsicht über die Arbeiterinnen und erfreute sich in der Wäscherei einer Art Vorzugsstellung, die sie ein wenig über die Klasse der Wäscherinnen erhob. Die geringen Erträgnisse ihrer Arbeit zusammen mit den dreihundert Franken Rente von Frau Chardon beliefen sich ungefähr auf achthundert Franken im Jahr, mit denen diese drei Personen sich nähren, sich kleiden und wohnen mussten. Trotz dieser streng eingeschränkten Lebensweise wollte die Summe, die fast völlig von Lucien verbraucht wurde, kaum ausreichen. Frau Chardon und ihre Tochter Eva glaubten an Lucien, wie die Frau Mahomets an ihren Gatten glaubte; ihre Hingabe an seine Zukunft war grenzenlos. Diese arme Familie hauste in Houmeau in einer Wohnung, die sie für einen sehr niedrigen Preis bei dem Nachfolger Herrn Chardons gemietet hatte und die hinten in einem Hofe über dem Laboratorium gelegen war. Lucien hatte eine elende Mansardenstube inne. Angeregt von seinem für die Naturwissenschaften begeisterten Vater, hatte Lucien sich auf dieses Studium geworfen und war einer der hervorragendsten Schüler des Collège von Angoulême, wo er in der dritten Klasse saß, als Séchard seine Studien eben beendet hatte.

      Als der Zufall die beiden Studiengefährten wieder zusammenführte, stand Lucien, der es müde war, den schweren Kelch des Elends zu trinken, im Begriff, einen der verzweifelten Schritte zu tun, zu denen man sich mit zwanzig Jahren entschließt. Vierzig Franken monatlich, die David Lucien großmütig gab, indem er sich erbot, ihn zum Faktor auszubilden, obgleich er durchaus keinen brauchte, retteten Lucien aus seiner Verzweiflung. Die Bande dieser solchermaßen erneuerten Studienfreundschaft gestalteten sich infolge der Ähnlichkeit ihres Geschicks und der Verschiedenheit ihrer Charaktere bald enger. Alle beide hatten den Kopf voller großer Pläne, beide besaßen den hohen Geist, der einen Menschen den Höchsten gleichsetzt, und beide sahen sich auf der untersten Stufe der Gesellschaft. Diese Ungerechtigkeit des Schicksals war ein starkes Band. Ferner waren beide von verschiedenen Seiten her bei der Poesie angelangt. Obwohl er für die schwierigsten Forschungen der Naturwissenschaften bestimmt war, drängte es Lucien glühend nach literarischem Ruhm, während David, den sein sinnender Geist zur Poesie bestimmte, seinem Geschmack nach den exakten Wissenschaften zuneigte. Diese Vertauschung der Rollen machte sie zu einer Art geistigen Brüdern. Lucien teilte bald David die großen Gesichtspunkte einer Anwendung der Wissenschaft auf die Industrie mit, die er von seinem Vater empfangen hatte, und David zeigte Lucien die neuen Bahnen, die er in der Literatur beschreiten müsste, um sich einen Namen und ein Vermögen zu machen. Die Freundschaft dieser beiden jungen Leute gestaltete sich in wenig Tagen zu einer von den Leidenschaften, wie sie nur in dieser Jugendzeit entstehen. David erblickte bald die schöne Eva und verliebte sich in sie, wie sich die melancholischen und sinnenden Geister verlieben. Das Et nunc et semper et in saecula saeculorum der Liturgie ist der Wahlspruch dieser unbekannten Dichter, deren Werke in wunderbaren Epen bestehen, die zwischen zwei Herzen entstehen und vergehen. Als der Liebende das Geheimnis der Hoffnungen entdeckt hatte, die die Mutter und die Schwester Luciens auf diesen schönen Dichterkopf setzten, als ihre blinde Aufopferung ihm bekannt wurde, fand er es süß, sich seiner Geliebten zu nähern und ihre Opfer und Hoffnungen zu teilen. Wie die Intransigenten, die noch königlicher als der König sein wollten, übertrieb David den Glauben, den Mutter und Schwester Luciens auf sein Genie setzten, und verhätschelte ihn, wie eine Mutter ihr Kind. In einer der Unterhaltungen, die die ewige Geldnot, die ihnen die Hände band, fortwährend erzeugte, überlegten sie, wie alle jungen Leuten, die Mittel hin und her, wie man schnell zu Vermögen kommen könnte, schüttelten vergebens alle Bäume, die schon von Früheren geplündert worden waren, bis Lucien sich an zwei Ideen erinnerte, die sein Vater ausgesprochen hatte. Herr Chardon hatte davon gesprochen, man könnte durch Anwendung eines neuen chemischen Stoffs den Preis des Zuckers auf die Hälfte bringen, und ebenso ließe sich der Preis des Papiers herabsetzen, wenn man von Amerika gewisse pflanzliche Stoffe bezöge, ähnlich denen, deren sich die Chinesen bedienten und die wenig kosteten. David, der die Wichtigkeit der Frage, die schon bei Didot erörtert worden war, kannte, bemächtigte sich dieser Idee, in der er die Grundlage zu einem großen Vermögen erblickte, und sah Lucien als einen Wohltäter an, dem er ewig dankbar sein müsste.

      Man kann sich denken, wie die Herrschaft dieser Gedanken und das ganze Innenleben der beiden Freunde sie unfähig machte, eine Druckerei zu führen. Während die Druckerei der Brüder Cointet, der Drucker und Verleger der bischöflichen Kanzlei, der Eigentümer des Courier de la Charente, der von jetzt an das einzige Blatt des Departements war, fünfzehn- bis zwanzigtausend Franken brachte, belief sich die Einnahme der Druckerei Séchard kaum auf dreihundert Franken im Monat, wovon das Gehalt des Faktors, der Lohn Marions, die Steuern und die Miete in Abzug kamen, so dass David auf hundert Franken im Monat angewiesen war. Tätige und betriebsame Männer hätten neue Lettern angeschafft, eiserne Pressen gekauft, hätten sich bei den Pariser Buchhändlern Werke verschafft, die sie zu niedrigem Preis gedruckt hätten; aber der Meister und der Faktor waren völlig von den Arbeiten des Kopfes in Anspruch genommen und begnügten sich mit den Aufträgen, die ihnen ihre letzten Kunden gaben. Die Brüder Cointet waren endlich hinter den Charakter und die Lebensführung Davids gekommen und verleumdeten ihn nicht mehr; im Gegenteil riet ihnen eine weise Politik, diese Druckerei ihr Leben fristen und sie in einem gewissen anständigen kleinen Umfang bestehen zu lassen, damit sie nicht in die Hände eines gefürchteten Konkurrenten fiel; sie schickten sogar selbst die sogenannten Stadtaufträge. Auf diese Weise existierte David Séchard, kaufmännisch zu sprechen, ohne es zu wissen, nur noch durch eine geschickte Kalkulation seiner Konkurrenten. Die Cointet waren glücklich über das, was sie seine Manie nannten, und benahmen sich gegen ihn dem Anschein nach durchaus ehrenhaft und loyal. Aber sie gingen in Wirklichkeit wie die Verwaltung der Privatpost vor, die eine künstliche Konkurrenz schafft, um eine wirkliche zu vermeiden.

      Das Äußere des Hauses Séchard stimmte mit dem schmutzigen Geiz, der im Innern herrschte, wo der alte Bär nie etwas repariert hatte, überein. Der Regen, die Sonne, die Unbilden jeder Jahreszeit hatten der Gangtür das Aussehen eines alten Baumstammes gegeben, so sehr war sie von kleineren und größeren Spalten durchzogen. Die Fassade, die aus Steinen und Ziegeln unsymmetrisch durcheinandergebaut war, schien sich unter dem Gewicht eines verwitterten Daches zu biegen, das über und über mit den Hohlziegeln bedeckt war, aus denen alle Dächer im südlichen Frankreich bestehen. An dem morschen Fensterkreuz befanden sich die fest verschließbaren riesigen Läden, wie sie das heiße Klima erfordert. Es wäre nicht leicht gewesen, in ganz Angoulême ein so rissiges Haus wie dieses zu finden, das nur noch durch die Kraft des Mörtels zusammenhielt. Man stelle sich die Werkstatt vor, die vorn und hinten erhellt, in der Mitte dunkel war, die Mauern mit Plakaten bedeckt und unten von dem Vorbeistreifen der Arbeiter, die sich dort seit dreißig Jahren bewegt hatten, schwarz geworden; ihre Leinen und Stricke an der Decke, ihre Papierstöße, die alten Pressen, die Haufen Steine zum Beschweren des nassen Papiers, die Reihen Setzkästen und am Ende die beiden Käfige, wo sich der Meister und der Faktor, jeder auf seiner Seite, aufhielten: dann hat man ein Bild von der Existenz der beiden Freunde.

      Im Jahre 1821 in den ersten Maitagen befanden sich David und Lucien in dem Augenblick, wo gegen zwei Uhr ihre vier oder fünf Arbeiter die Werkstatt verließen, um essen zu gehen, in der Nähe des Hoffensters. Als der Meister sah, wie sein Lehrling die Ladentür, die zur Straße ging, hinter sich geschlossen hatte, führte er Lucien in den Hof, wie wenn der Geruch der Papiere, der Farbenbehälter, der Pressen und des

Скачать книгу