Die dreißig tolldreisten Geschichten. Оноре де Бальзак

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Die dreißig tolldreisten Geschichten - Оноре де Бальзак

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Sünde ist, wo will denn der liebe Gott hin mit all den Verdammten?«

      Blancheflor musste lachen. Sie küsste ihn auf die Stirn.

      »Schweig, du Bösewicht, es geht um das Heil deiner Seele, und ich möchte dich doch an meiner Seite haben durch alle Ewigkeiten.«

      »Eure Liebe ist meine ewige Seligkeit.«

      »Lassen wir das«, sagte sie, »Ihr seid ein Ungläubiger, ein böser Mensch, Ihr wollt nichts hören von dem, was ich liebe. Das seid Ihr. Wisse aber, mein Schatz, dass mir ein Kind von dir im Schoße wächst, das ich über kurzem so wenig werde verbergen können wie meine Nase. Was wird der Abt von Marmoustiers dazu sagen? Und was mein Herr und Gemahl? Er wird dich vernichten in seinem Zorn. Und also ist es meine Meinung, Kleiner, dass du den Abt aufsuchst, ihm deine Sünden beichtest und seinen Rat einholst, wie du dem Zorn des Seneschallen schicklich zuvorkommen magst.«

      »Aber wird nicht der Alte«, antwortete der listige Page, »wenn ich ihm unser Glück verrate, über unsere Liebe das Interdikt verhängen?«

      »Wahrscheinlich«, sagte sie; »aber dein ewiges Seelenheil geht mir jetzt über alles.«

      »Ihr wollt es also, Geliebte?«

      »Ich will es!« antwortete sie mit schwacher Stimme.

      »So werde ich hingehen!« rief er entsagungsvoll. »Aber vorher schlaft noch einmal ein, mir schwant, dass es das letztemal ist.«

      Betete also das schöne Paar seine Abschiedslitanei, und eins wie's andre hatte das Gefühl, dass der kurze Lenz ihrer Liebe sich zum Ende neige. Am andern Tag aber machte sich René auf den Weg nach Marmoustiers, mehr um seiner Herrin Ruhe willen als zu seiner eignen Rettung, vor allem aber aus Gehorsam gegen seine Gebieterin.

      Das Ende der lässlichen Sünde, wie sie gesühnt wurde und wie sie über Blancheflor Trauer und groß Herzeleid brachte

      »Bei Gott«, rief der Abt, nachdem der Page das letzte Kyrieeleison seiner Sündenlitanei heruntergebetet hatte, »bei Gott, du hast dich der ungeheuerlichsten Treulosigkeit schuldig gemacht, du hast deinen Herrn und Gebieter verraten! Weißt du auch, du Unglückswurm, dass du dafür in der Hölle brennen wirst durch alle Ewigkeit? Und weißt du, was das heißt, die ewige Seligkeit zu verlieren für einen Augenblick hinfälligen irdischen Glücks? Unglücklicher, ich sehe dich schon zum voraus schmoren in dem heißesten Ofen der Hölle, es sei denn, dass du noch zu deinen Lebzeiten Genugtuung und Sühne leistest für deine Missetat.«

      Und also machte der gute Abt, der von dem Holze war, aus dem man die Heiligen schnitzt, und als solcher schon zu seinen Lebzeiten im ganzen Tourainer Lande verehrt wurde, machte er, sagte ich, mit einem ganzen Haufen von Vorstellungen und Drohungen und christlichen Argumentationen dem jungen Manne dergestalt die Hölle heiß, trug aus dem Kanon der Kirchengesetze, aus den Schriften der Väter und was weiß ich woher, eine solche Menge von Beredsamkeit zusammen, als ein armer Teufel, der eine Jungfrau verführen will, in sechs Wochen nicht fertigbringt, und ließ nicht eher ab, als bis René, der in seinem Herzen trotz allem ein frommes Kind war, sich zu seinen Füßen stürzte und christliche Unterwerfung gelobte.

      Und der genannte Abt, wohl wissend, dass man das Eisen schmieden muss, solange es glüht, und der aus dem jungen Pagen, der dem Herrn Teufel wahrlich mehr als einen Schritt entgegengegangen war, seiner Sünden ungeachtet einen heiligen und tugendhaften Mann machen wollte, befahl ihm zuvörderst, dass er hingehe und zu den Füßen seines Herrn sich seiner Schuld anklage, dann aber, wenn er je mit heiler Haut und ganzen Gliedern aus dieser Beichte hervorginge, sich unverzüglich das Kreuz anhefte, um schnurstracks nach dem Heiligen Lande zu ziehen und gegen die Ungläubigen zu kämpfen, fünfzehn Jahre lang, keinen Tag mehr und keinen weniger.

      »Oh, ehrwürdiger Vater«, sprach der Kleine ganz verwundert, »werden fünfzehn Jahre auch eine hinreichende Sühne sein für soviel Glück der Sünde? Wenn Ihr wüsstet, Vater, Ihr habt aber sicher diese Seligkeit nicht verschmeckt, würdet Ihr tausend Jahre für viel zuwenig halten.«

      »Der liebe Gott wird es nicht so genau nehmen«, sprach der Abt, »geh hin und sündige künftig nicht mehr; unter dieser Voraussetzung spreche ich dich los, ego te absolvo ...«

      Ganz zerknirscht kehrte der arme René nach Schloss La Roche-Corbon zurück, und der erste Mensch, dem er in die Hände lief, war der Seneschall, der im Hof seine Waffen putzte: Eisenhauben, Halsberge, Armschienen und was sonst dazugehörte. Er saß auf der großen Steinbank am Tor, und es tat ihm wohl zu sehen, wie die Sonne in dem gescheuerten Harnisch blinkte; das erinnerte ihn an die lustige Zeit im Heiligen Land, an seine Heldentaten, an die schönen Sarazeninnen et cetera. René warf sich ihm zu Füßen.

      »Was soll das?« fragte erstaunt der gute alte Seneschall.

      »Mein gnädiger Herr«, antwortete Rene, »befehlt zuerst denen da, dass sie sich zurückziehen.«

      Nachdem dies geschehen, begann der Page zum zweitenmal seine Beichte und erzählte, wie er seine Herrin im Schlaf überfallen, in Nachahmung jenes Mannes mit der heiligen Lidoria, also dass sie für sicher ein Kind von ihm empfangen. Auf Befehl seines Beichtvaters sei er hier zu den Füßen seines Herrn, um sich ihm auf Gnade und Ungnade zu überantworten.

      Nach diesen Worten senkte René seine Augen, von denen alles Unglück ausgegangen war, und kniend, mit niederhängenden Armen, mit entblößtem Haupte, furchtlos und ganz ergeben in Gottes Barmherzigkeit, erwartete er sein Schicksal.

      Der Seneschall war noch nicht so weiß, um nicht erbleichen zu können, und sein Gesicht bekam die Farbe einer frisch gekalkten Wand. Eine Zeitlang blieb er starr vor Wut, dann aber sprang er auf, und da zeigte es sich, dass ein Mann, dem längst nicht mehr soviel Lebenskräfte in seinen Adern rinnen, um ein Kind in das Leben zu befördern, noch Kraft genug haben kann, einen Mann in den Tod zu schicken. Der Seneschall ergriff mit seiner haarigen Rechten den Harnisch an seiner Seite und schwang ihn mit hocherhobenem Arm, wie wenn es ein Kinderspielzeug gewesen wäre; noch einen Augenblick, und die schwere eiserne Masse musste niedersausen auf die Stirn des erbleichten René, der stillhielt in seinem Schuldgefühl gegen seinen Herrn, mit vorgebeugtem Kopf den Streich erwartend, durch den er alle Schuld seiner Geliebten für diese und die andre Welt zu bezahlen gedachte.

      Aber seine frische Jugend und Schönheit und die holde Natürlichkeit seines Verbrechens fanden Gnade vor dem Herzen des alten Mannes, so streng er war; er warf seinen Harnisch weit weg nach einem Hunde, dem er drei Rippen einschlug.

      »Verflucht seien deine Erzeuger, du Unglückspage!« rief er aus.

      »Und tausend höllische Krallen mögen durch alle Ewigkeiten hindurch den verdammten Schoß zerfleischen, aus dem du hervorgekrochen bist zu meinem Unglück. Geh zum Teufel, von dem du kommst! Geh hinweg von mir, hinweg von diesem Schloss und von diesem Lande! Verweile dich nicht einen Hahnenschrei länger, als es nötig ist, oder ich will dich an einem langsamen Feuer braten lassen, und du sollst deine verruchte Spitzbübin zwanzigmal verfluchen in einer Stunde.«

      Bei diesen Worten des Seneschalls, der in seinen Flüchen sich zu verjüngen schien, ergriff der Page, ohne ihn ausreden zu lassen, die Flucht, und wahrlich, er tat wohl daran. Von neuem kam die Wut über Bruyn, der nun hinter das Haus nach den Gärten davonraste, alles niederschlagend auf seinem Weg, fluchend wie ein Türke. Einem Knecht, der den Hunden das Futter brachte, zerbrach er die Töpfe, dass die Brühe an ihm herunterrann. Er war so von Sinnen, dass er einen Menschen erwürgt haben würde für nichts als ein krummes Wort. In diesem Zustand bemerkte er die Seneschallin, die nach dem Weg von Marmoustiers ausschaute und bei sich verzweifelte, ob sie ihren Pagen je wiedersehen

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