Die dreißig tolldreisten Geschichten. Оноре де Бальзак
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»Aber«, sagte er immer wieder, »ich wagte nicht, mein weißes Kätzchen zu wecken, ich hätte mich geschämt; denn nur mein Herz war stark von der Liebe.«
»Oh«, sagte sie, »Ihr dürft mich lieben nach Eurer Art, auch wenn ich die Augen offen habe, das macht mir nichts.«
Bei diesen Worten ergriff der arme Seneschall einen kleinen Dolch, der auf dem Tischchen neben dem Bett lag, und drückte ihn seiner Frau in die Hand.
»Mein Herzlieb«, rief er, »töte mich oder lass mich glauben, dass du mich ein klein, klein wenig liebst.«
»Gewiss«, antwortete sie, »und ich will trachten, Euch recht sehr zu lieben.«
Auf diese Weise geschah es, dass so ein unwissendes Ding von Jungfernschaft sich diesen Greis zum Sklaven machte und dass die gute Blancheflor mit der allen Frauen natürlichen Grausamkeit den alten Bruyn kommen und gehen hieß wie einen Mühlesel, alles im Namen jenes geheimen Gärtleins, das so elend brachlag bei ihr: ›Mein guter Bruyn, ich möchte das! Bruyn, hör doch, ich möchte dies! Bruyn, hörst du! Bruyn!‹ Und immer wieder: ›Bruyn!‹
Also, dass Bruyn mehr litt unter der Liebenswürdigkeit seiner Frau, als er von ihrer Bosheit gelitten hätte. Sie verdrehte ihm den Kopf ganz und gar, derart, dass er bei ihrem geringsten Augenzwinkern nicht wusste, wo aus und ein. Wenn sie aber traurig war, war es vollends um ihn geschehen. Was man ihm dann vor seinem Richterstuhl auch vortrug, er hatte zu allem nur die Antwort: »Hängt ihn!«
Ein andrer wäre taumelig geworden wie eine Fliege im Dezember in dieser verrückten Jungfernschaftshetze. Aber Bruyn war von einer eisernen Natur und nicht so leicht umzubringen. Eines Abends, als Blancheflor das ganze Haus zuoberst, zuunterst gekehrt hatte, Menschen und Tiere, und mit ihren unglaublichen Launen sogar den lieben Gott in Harnisch gebracht haben würde, der doch wahrlich, wie könnte er uns sonst ertragen, einen unerschöpflichen Vorrat an Geduld hat:
»Mein guter Bruyn«, sagte sie beim Zubettgehen, »ich leide unter Vorstellungen, die mich verfolgen wie Furien, die mir Herz und Hirn erfüllen, wo sie Böses ausbrüten; und des Nachts im Schlaf, da träume ich von dem Mönch von Carneaux.«
»Mein Herzlieb«, antwortete der Seneschall, »das sind teuflische Versuchungen, deren sich auch die Nonnen in den Klöstern zu erwehren haben. Darum, wenn Euch Euer Seelenheil lieb ist, geht noch morgen in die Beichte zu dem Abt von Marmoustiers, unserm Nachbarn; er wird Euch gut beraten und Euch den rechten Weg weisen.«
»Ich werde gehen«, antwortete sie.
Sie verlor keine Zeit, und der heraufsteigende Tag sah sie bereits auf dem Wege nach dem Kloster der guten Mönche, die ganz in Ekstase gerieten beim Anblick der entzückenden Frau, also dass sie am Abend manche Sünde ihretwegen begingen. Für jetzt aber führten sie die hohe Besucherin mit großer Zuvorkommenheit vor ihren ehrwürdigen Abt.
Blancheflor fand den guten Greis in einem abgesonderten Garten, nahe bei den Felsen, im Schatten des Kreuzgangs. Die Haltung des heiligen Mannes flößte ihr Ehrfurcht ein, obwohl sie wahrlich nicht gewohnt war, sich aus weißen Haaren viel zu machen.
»Gott grüß Euch, verehrte Frau«, sagte er. »Was führt Euch, jung wie Ihr seid, in die Nachbarschaft des Todes?«
»Eure unschätzbare Weisheit«, antwortete sie, indem sie ihn grüßte mit einem tiefen Knicks. »Und wenn Ihr geruhen wollt, ein verirrtes Schaf auf den rechten Weg zu weisen und mein Beichtvater zu sein, würdet Ihr mich über alles glücklich machen.«
Hier ist zu sagen, dass der alte Bruyn sich bereits mit dem Mönch verständigt und die heuchlerische Rolle, die er spielen sollte, mit ihm verabredet hatte.
»Meine Tochter«, antwortete der Abt, »wenn ich nicht die Kälte von hundert Wintern auf diesem kahlen Schädel aufgehäuft hätte, dürfte ich Eure Sünden nicht anhören; so aber mögt Ihr sagen, was Euch bedrückt, ohne Gefahr für mich und noch weniger für Euch.« Da fing die Seneschallin an, all den kleinen Krimskrams ihres Sündenvorrats vor dem Abt auszupacken, die Hauptsache aber ersparte sie für das Postskriptum.
»Heiliger Vater«, sagte sie da, »ich muss Euch bekennen, dass ich Tag und Nacht von dem Wunsch verfolgt werde, ein Kind zu bekommen. Ist das eine arge Sünde?«
»Nein«, antwortete der Mönch.
»Aber«, entgegnete sie, »meinem Gemahl ist es von Natur aus untersagt, für meine Bedrängnis eine offene Hand zu haben, wie die Bettler zu sagen pflegen.«
»Wenn es so ist«, entgegnete der Priester, »bleibt Euch nichts übrig, als Euch jeden Gedanken dieser Art aus dem Kopf zu schlagen.«
»Ich habe aber die Dame von Jallanges sagen hören, dass es keine Sünde sei, wenn man weder Vorteil noch Vergnügen davon habe.«
»Vergnügen ist immer dabei«, sprach der Abt; »und rechnet Ihr es nicht für einen Vorteil, ein Kind zu bekommen? Also lasst Euch gesagt sein, dass es immer eine Todsünde ist vor Gott und ein Verbrechen vor den Menschen, ein Kind zu bekommen durch Beihilfe und Mitwirkung eines Mannes, mit dem man nicht kirchlich getraut ist... Frauen, die die heiligen Gesetze der Ehe verletzen, werden in der andern Welt entsetzlich dafür gestraft, sie werden dort fürchterlichen Ungeheuern übergeben, die sie mit ihren scharfen Krallen in glühende Öfen werfen, damit sie des sündhaften Feuers gedenken, das sie auf Erden in ihrem Herzen genährt haben.« Blancheflor kratzte sich hinter den Ohren. Aber nachdem sie ein wenig nachgedacht, sagte sie zu dem Priester:
»Und die Heilige Jungfrau Maria, wie hat die es denn angefangen?«
»Oho!« rief der Abt, »das ist ein Mysterium.« »Was ist das, ein Mysterium?«
»Eine Sache, die man nicht erklären kann und die man ohne Untersuchung glauben muss.«
»Und könnte mir nicht auch ein Mysterium widerfahren?«
»Ein solches«, antwortete der Abt, »hat sich nur einmal ereignet, da hat es sich um den Sohn Gottes gehandelt.«
»Hört mich, heiliger Vater, glaubt Ihr, dass Gott meinen Tod will? Oder dass, klaren Geistes wie ich bin, mein Blut mir das Gehirn verbrenne? Und wahrlich, ich fürchte es sehr. Denn seht, wenn manchmal alles in Aufruhr in mir ist, dann verliere ich derart den Kopf, dass ich nach nichts mehr in der Welt frage und dass ich über Mauern wegspringen und schamlos querfeldein laufen möchte, um mir den ersten besten Mann zu nehmen, ja alles hintansetzen könnte, um nur das Ding zu sehen, das bei dem Karmelitermönch also glühte und sprühte. Wenn ich in diesem Zustand bin, gibt es für mich weder Gott noch Teufel, noch Gemahl; ich zittere und bebe, ich bin in ewiger Unruhe, ich meine es nicht mehr aushalten zu können in meiner Haut und möchte alles in Trümmer schlagen, Geschirre, Geräte, den Geflügelhof, die ganze Wirtschaft, mit einem Worte, alles, und ich kann gar nicht sagen, wie mir ist. Ich wage auch nicht, Euch alle meine Missetaten zu gestehen, ich kann nicht davon reden, ohne dass mir, möge mich Gott verdammen, das Wasser im Mund zusammenläuft und mich's also juckt, um toll und verrückt zu werden. Wollt Ihr, dass der Wahnsinn mich peitsche und meine Tugend töte? Kann mich Gott verdammen, nachdem er das Feuer in meinen Eingeweiden entzündet hat?«
Da war es nun an dem Priester, sich hinter dem Ohr zu kratzen, ganz ratlos gegenüber diesen Lamentationen und dieser erstaunlichen Philosophie, Wissenschaft und Beredsamkeit einer armen Jungfernschaft.
»Meine arme Tochter«, sprach er, »Gott hat uns von den Tieren unterschieden und hat uns ewige