Die dreißig tolldreisten Geschichten. Оноре де Бальзак

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Die dreißig tolldreisten Geschichten - Оноре де Бальзак

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um ihr Leben zu retten und ihre Tage zu verlängern wie die eines Raben, wenn es möglich wäre. Darauf aber erwiderte der Seneschall, dass die Bekehrung der Heidin zur heiligen christlichen Religion ja noch eine viel lustigere Zeremonie sei und dass er sich anheischig mache, der Stadt Tours ein wahrhaft königliches Fest zu geben; er selber wolle als Taufpate zu Gevatter stehen, und seine Mitgevatterin solle eine Jungfrau sein, um Gott eine besondere Freude zu machen, weil er doch selber ein alter Hagestolz oder Stolzhaken sei.

      Denn so nennt man bei uns zu Lande die Männer, die nicht verheiratet sind oder doch dafür gelten, um sie von den Ehemännern und Witwern zu unterscheiden; aber die Weiblein würden sie auch ohne Gattungsbenennung unter den Ehekrüppeln leicht herausfinden.

      Das schöne Mohrenkind schwankte nicht lange zwischen den Flammen des Scheiterhaufens und dem Wasser der Taufe. Diese Wahl war für sie keine Qual, sie wollte tausendmal lieber eine lebendige Christin als eine verbrannte Heidin sein. Aber statt einen Augenblick am Leibe gebraten zu werden, fiel ihr nun das Los, dass eine Flamme durch lange, lange Jahre sie langsam verzehrte, denn um ihrer Bekehrung sicher zu sein, steckte man sie in das Nonnenkloster nahe bei Chardonneret, wo sie eine Heilige werden sollte. Die genannte Zeremonie, ihrer Bekehrung aber vollzog sich im Palaste des Erzbischofs, und es wurde bei der Gelegenheit zur Ehre unsres Herrn und Heilands mehrere Tage bankettiert und getanzt, woran sich alle schönen Damen und hohen Herren des ganzen Tourainer Landes beteiligten, eines Landes, wo man mehr tanzt und turniert, bankettiert und Feste feiert und lustige Saufgelage hält als in der ganzen übrigen Welt zusammen.

      Der gute Seneschall hatte zur Mitgevatterin die Tochter des Herrn von Azay-le-Ridel oder Azay-le-Brusle ausgewählt, der zur Eroberung des Heiligen Landes ausgezogen und bei der Belagerung von Acre in die Hände eines Sarazenen gefallen war, welcher, da der fränkische Ritter danach aussah, ein königliches Lösegeld für ihn forderte.

      Um die Summe zusammenzubringen, hatte die Dame von Azay den Wechslern und Halszuziehern ihr ganzes Lehen verpfändet und wartete nun, arm wie eine Kirchenmaus, in einer elenden Stadtwohnung auf die Ankunft ihres Herrn und Gemahls. Obwohl sie keinen Stuhl besaß, um sich darauf zu setzen, war sie stolz wie die Königin von Saba und tapfer wie eine Bulldogge, die das Eigentum ihres Herrn verteidigt. Der Seneschall, der ihre Bedrängnis kannte, erwählte ihre Tochter für die genannte Taufhandlung, um der Mutter eine Unterstützung zukommen zu lassen, die sie nicht ausschlagen durfte. Er besaß eine schwere goldene Kette, den Ehrenpreis für die Eroberung von Zypern, und er beschloss, sie seiner schönen Mitgevatterin um den Hals zu hängen. Er hängte aber an die Kette noch alle seine Landgüter und ersparten Schätze, seine Reitpferde, seine weißen Haare, mit einem Worte alles, sobald er die schöne Blancheflor von Azay zwischen den Damen von Tours eine Gavotte hatte tanzen sehen. Trotz der Ägyptianerin, die in ihrem Leben für das letztemal tanzte und in Volten und Sprüngen, Biegungen und Beugungen, in Beinspreizen und Zehenwirbeln sich selber übertraf, trug doch Blancheflor nach dem Urteil aller den Preis über sie davon, denn sie tanzte mit wahrhaft jungfräulicher Anmut.

      Der alte Bruyn stand bezaubert bei dem Anblick des tanzenden Jungfräuleins, dessen Fersen Angst zu haben schienen vor der Berührung mit dem Fußboden und das so unschuldig tollte mit seinen siebzehn Jahren und Sprünge machte wie eine junge Zikade am Sankt-Johannis-Morgen. Ein heftiger Wunsch entbrannte da in dem Greis, eine apoplektische Begierde, eine solche, die stark ist aus Schwachheit und die ihn durchglühte von der Fußsohle bis zum Nacken hinauf; denn sein Haupt sah so winterlich verwüstet aus, dass die Liebe davor haltmachte. Zum erstenmal fiel es dem Seneschall ein, dass seinem Schloss die Hausfrau fehlte, und die schartige Burg kam ihm auf einmal so traurig und öde vor wie nie in seinem Leben.

      Was war auch ein Haus ohne Hausfrau? Man möchte sagen: ein Klöppel ohne seine Glocke. Kurz, er kannte auf einmal keinen andern Wunsch als den, sich eine Frau zu nehmen. Und das so schnell wie möglich. Er hatte keine Zeit zu verlieren. Denn der ihm dort irgendwo in einer dunklen Ecke winkte, hielt wohl einen Bogen in der Hand, aber dieser Bogen war eine Sense. Der gute Bruyn verscheuchte indessen so unliebsame Visionen während all der rauschenden Festlichkeiten und verscheuchte auch den Gedanken an seine wohlgezählten sechzig Jahre, die ihm das Haupt verwüstet hatten. Er fand seine Augen hell und klar; denn darin stand das Bild der jungen Mitgevatterin, die nach den Anweisungen ihrer Frau Mutter ihm mit Blicken und Gebärden nicht wenig den Hof machte und in ihrer Unschuld glaubte, dass das bei einem so alten Mitgevatter weiter nichts zu bedeuten habe. Sie war im Gegensatz zu den andern Dirnen des Landes, die aufgeweckt sind wie ein Frühlingsmorgen, noch ganz und gar Kind und erlaubte ihm zuerst, ihr die Hand zu küssen, und dann noch einiges andre, als zum Exempel den Hals ein wenig tief unten ...

      Aber das erst eine Woche darauf, nachdem der Erzbischof sie zusammengesprochen hatte; wobei die gute Stadt Tours die schönste Hochzeit und jedenfalls die schönste Neuvermählte sah seit langen Jahren.

      Die genannte Blancheflor war frisch und anmutreich wie nicht leicht eine und so jungfräulich rein, als man es nur sein kann, nicht nur unschuldig, sondern auch unwissend, ein Menschenkind, das sich nicht genug verwundern konnte, was andere Leute im Bett für ungereimtes Spiel trieben, kurz, ein junges Ding, das an das Märchen vom Storch und vom Kinderbrunnen glaubte wie ans Evangelium. Sie war wie eine frisch erblühte Blume, leuchtend im Glanz ihrer Schönheit, wie ein Engel, dem nur die Flügel fehlten, um sich unerkannt unter die himmlischen Scharen zu mischen.

      Als sie das arme Haus ihrer gerührten Mutter verließ, um als Braut in die Kathedrale einzuziehen, strömte das Landvolk scharenweise herzu, um die schöne Neuvermählte und auch die schönen Teppiche zu sehen, die man vor ihr her auf dem ganzen Weg über das Pflaster gebreitet hatte, und alle waren einig, dass niemals ein schönerer Fuß den Boden von Touraine berührt, niemals leuchtendere Augen in den Himmel geblickt und niemals die Stadt festlicher mit Blumen und Kränzen geschmückt war. Die Dirnen der Stadt, die von St-Martin und die aus der Vorstadt Chasteauneuf, wurden blass vor Neid beim Anblick ihrer aschblonden Flechten, mit denen sich die Blancheflor, denn nicht anders war es möglich, einen Grafen eingefangen hatte, und ganz und gar krank wurden sie beim Anblick des golddurchwirkten Brautkleides, der funkelnden Edelsteine aus dem fernen Morgenlande, der blitzenden Diamanten und der schweren goldenen Ketten, womit das Bräutchen nach Kinderart spielte und die sie für immer an den Seneschall banden.

      Der alte Kriegsmann an ihrer Seite schien wie verjüngt, er schwitzte sozusagen sein Glück aus allen Poren. Obgleich sein Rücken ungefähr so gerade war wie ein Heidensäbel, stolzierte er doch voll Selbstbewusstsein an der Seite seiner Braut und drückte die Knie durch wie ein Landsknecht bei der Parade, wenn es um den Preis geht. Er hielt sich das Zwerchfell zu beiden Seiten wie einer, der ersticken will an seinem Behagen; und als nun die Glocken läuteten von den Türmen und die ganze Stadt sich hinzudrängte, um den hochzeitlichen Zug zu sehen, wovon später die Greise den Enkeln erzählten, da wünschten die genannten Dirnen, dass es Mohrinnen regnen und Seneschalle hageln und dass doch jeden Tag eine Ägyptianerin getauft werden möchte; aber wie jene die erste, so blieb sie auch die letzte im Lande Touraine, das von Bohemia oder Ägyptia weit abliegt.

      Nach den Trauungsfeierlichkeiten erhielt die Dame von Azay eine beträchtliche Summe, die es ihr ermöglichte, nach der Stadt Acre im Morgenland ihrem Gemahl entgegenzuziehen; aber nicht nur Geld gab ihr der Seneschall, auch mit Kriegsvolk und was man sonst zu einer solchen Reise braucht, rüstete er sie aus. Am Tage der Hochzeit, nachdem sie ihre Tochter dem Grafen übergeben und sie ermahnt hatte, ihm eine fromme Hausfrau zu werden, reiste die gute Mutter beruhigt ab, und erst viel später kam sie mit dem Ritter von Azay zurück; er war aussätzig, sie aber pflegte und heilte ihn trotz aller Gefahr der Ansteckung, was allgemein bewundert wurde.

      Drei Tage hatte das Hochzeitsgelage gedauert zur großen Befriedigung des Volkes, dann führte der gute Ritter sein Bräutchen mit großem Pomp und Gepränge auf sein Schloss La Roche-Corbon, und nach der Sitte der Neuvermählten hielten sie zusammen in feierlicher Zeremonie ein Schaubeilager auf dem neuen Ehebett, über das der Abt von Marmoustiers das Weihwasser sprengte, das Rauchfass schwang und den Segen sprach. Nach der Feierlichkeit aber, als sich nun der alte Bruyn in dem herrschaftlichen

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