Die dreißig tolldreisten Geschichten. Оноре де Бальзак

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Die dreißig tolldreisten Geschichten - Оноре де Бальзак

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die da kamen. Sie saß vor einem Tisch, der mit goldverbrämtem Samt bedeckt und ganz mit Schüsseln und Tellern und tausenderlei kostbaren Gefäßen überfüllt war. Neben Trinkschalen standen zierliche venezianische Gläser und neben hohen geschliffenen Flaschen dickbäuchige Krüge voll alten Zyperweins. Hippokras und andere gewürzte Getränke dufteten aus riesigen Kannen neben ganzen Körben voll Spezereien und leckerer Süßigkeiten; Schüsseln voll grüner Kapern, geräucherte Schinken, gebratene Pfauen luden zu derberen Genüssen ein. Dem Priester wäre zu andrer Stunde das Wasser im Munde zusammengelaufen, doch ihm stand jetzt einzig der Sinn nach Frau Imperia. Sie merkte, dass er nichts sah außer ihr, und obwohl an die ketzerische Devotion der tonsurierten Häupter und ihre Andacht vor dem Altar des Strohsacks gewöhnt, fühlte sie sich dennoch sehr geschmeichelt; denn sie hatte sich wahrhaftig über Nacht in den armen Tourainer verliebt, und auch den ganzen Tag war er ihr nicht aus dem Sinn gekommen.

      Die Fenster waren geschlossen, die ganze Zurichtung und die Buhlerin selbst sahen danach aus, als ob sie mindestens einen Fürsten des Römischen Reiches erwarte. Dem Schlingel von Pfaffen, ganz in Ekstase vor der allerheiligsten Schönheit der Imperia, dämmerte übrigens die Ahnung, dass weder ein Kaiser noch Burggraf, noch Kardinal und Papstkandidat heute Abend gegen ihn aufkommen werde, gegen ihn, das arme Pfäfflein, das nichts in seiner Hosentasche und seinem Hosenlatz beherbergte als den Amor und den Teufel. Er benahm sich auch ganz wie ein großer Herr, warf sich in die Brust und machte eine höfische Verbeugung, die gar nicht linkisch ausfiel; die Dame warf ihm einen flammenden Blick zu, und mit einer einladenden Handbewegung sagte sie:

      »Setzt Euch neben mich, ich möchte wissen, ob Ihr Euch seit gestern verändert habt.«

      »Nicht wenig«, antwortete er.

      »Wieso?« fragte sie.

      »Gestern«, erwiderte der Schlauberger, »gestern habe ich Euch geliebt... heute lieben wir uns; ein armer Schlucker war ich gestern, und reicher als ein König bin ich heute.«

      »Kleiner, Kleiner«, rief sie belustigt, »du hast dich wirklich verändert: aus einem dummen Pfaffen bist du, wie ich sehe, ein geriebener kleiner Teufel geworden.«

      Und beide setzten sich zusammen vor das Kaminfeuer, das gleichsam wie ein Widerschein ihrer innern Glut das Gemach mit wohliger Wärme erfüllte. An Essen und Trinken dachten sie nicht, sie schnäbelten sich mit den Augen und rührten nicht an die Schüsseln. Als es so den beiden gerade am schönsten behagte, entstand plötzlich ein wüster Lärm vor der Tür, wie wenn man sich draußen raufte und zankte.

      »Herrin«, rief die Zofe, die in Eile hereinstürzte, »nun wird gleich eine andere Tonart anheben.«

      »Was?« schrie die Dame zornig und mit dem Ton eines übelgelaunten Tyrannen, den man stört.

      »Der Bischof von Chur will Euch sprechen.«

      »Hol ihn der Teufel!« rief sie, indem sie Philipp einen verliebten Blick zuwarf. »Er hat durch den Spalt Licht gesehen und macht einen wahren Höllenlärm.«

      »Sage ihm, dass ich Fieber habe, und du wirst nicht lügen; denn ich bin wahr und wahrhaftig krank an dem Pfäfflein hier, das mir den Sinn verrückt hat.«

      Aber sie hatte ihre Rede, wobei sie die heiße Hand Philipps inbrünstig drückte, noch nicht zu Ende gebracht, als der dicke Bischof von Chur zorngerötet und pustend hereinpolterte. Seine Läufer folgten ihm, sie trugen eine riesige Lachsforelle, frisch im Rhein gefangen, auf einer Schüssel von eitel Gold, auch Spezereien in kunstreichen Schalen und tausend leckere Bissen nebst zauberkräftigen Essenzen und Likören, wie die Nonnen seiner Abtei sie zu bereiten pflegten.

      »Schockschwerenot!« keuchte und schnaubte der Bischof, »ich kann es abwarten, bis mich der Teufel holt, mein süßer Schatz; wenn du mich aber etwa vor der Zeit zum Teufel schicken wolltest ...«

      »Euer Wanst wird eines Tages eine gute Degenscheide geben«, antwortete sie. Ihr Blick, kurz zuvor noch so sanft und lieb, wurde drohend wie ein gezückter Dolch.

      »Und der Chorknabe da, kommt der schon für die Seelenmesse?« fragte der Bischof geringschätzig, indem er sein breites, rotes Gesicht dem zierlichen Philipp zuwandte.

      »Gnädiger Herr«, erwiderte dieser, »die schöne Frau hat mich für ihre Beichte rufen lassen.«

      »Oho! bist du so unwissend im kanonischen Gesetz? Die Frauen zur Beichte hören, zu solcher Stunde der Nacht und an einem Orte, der den Bischöfen vorbehalten ist. Auf, bleib bei deinem Leisten, Schuster, bleib bei deinen Nönnlein, Mönch; unter Strafe der Exkommunikation verbiete ich dir, hierher zurückzukommen.«

      »Nein, bleibt!« schrie in flammender Empörung die schöne Imperia, die aber im Zorn noch schöner war als in der Liebe, schon deswegen, weil hier beides zusammen war, Liebe und Zorn. »Bleibt, mein Freund, Ihr seid hier zu Hause.«

      Da erkannte er, dass er geliebt sei.

      »Steht es nicht in Eurem Brevier und vor allem in den Evangelien, dass wir alle gleich sind vor Gott im Tal Josaphat?« fragte sie den Bischof.

      »Das ist eine Erfindung des Teufels«, schrie der fette Koloss, »er hat die Bibel gefälscht; aber geschrieben steht es«, setzte er ruhig hinzu, indem er nach der gedeckten Tafel schielte.

      »Und also seid ihr beide auch gleich vor mir, die ich hier auf Erden eure Göttin bin«, erwiderte die Imperia. »Wenn es Euch aber nicht gefällt«, wandte sie sich an den Bischof, »so werde ich Euch eines Tages zwischen Kopf und Schultern mit aller Zärtlichkeit strangulieren lassen, das schwöre ich Euch bei der Allmacht meiner Tonsur, die mindestens soviel wert ist wie die des Papstes.«

      Da es aber schade gewesen wäre, wenn man die Forelle hätte kalt werden lassen, und da ihr auch die goldene Schüssel, die Konfektschalen und die Essenzen in die Augen stachen, lenkte sie geschickt ein:

      »Setzt Euch«, sagte sie, »esset und trinket.«

      Ihrem Liebling gab das durchtriebene Weibsbild, das diese geistreiche Komödie nicht zum ersten Male aufführte, durch einen Wink zu verstehen, dass er nur keine Angst haben solle vor dem fetten Deutschen, der gar bald über dem Bacchus den Amor gründlich vergessen werde.

      Die Zofe war dem dicken Bischof behilflich, sich am Tisch bequem zurechtzurücken, Philipp aber fand vor Wut kein Wort. Er sah bereits sein ganzes Glück in Rauch aufgehen und wünschte dem Schmerbauch von Prälaten mehr Teufel auf den Hals, als es Mönche in Rom gibt.

      Sie waren schon weit in der Mahlzeit vorgerückt, und der junge Priester hatte noch keinen Bissen berührt; ihn hungerte allein nach der Herrin des Hauses, er schmiegte sich eng an sie und brachte kein Wort über die Lippen. Um so beredter war er in jener Sprache, die die Damen verstehen auch ohne Kommata, ohne Punkte und ohne Ausrufungszeichen, ohne Akzente, ohne große und kleine Buchstaben, ohne Tropen und Metaphern, ohne Glossen und Randbemerkungen und Illustrationen. Der dicke Bischof, ein großes Leckermaul und sehr besorgt um das geistliche Gewand von geweihter Haut, in das ihn seine verstorbene Mutter eingenäht hatte, ließ sich von der zarten Hand der Herrin ein Glas nach dem andern vollschenken, mit Zyperwein, mit Hippokras, mit Lacrimae Christi und was es sonst geben mochte.

      Als er aber zum ersten Male vernehmlich rülpste, hörte man plötzlich auf der Straße den lauten Tumult einer Kavalkade. Die Menge der Pferde, die lauten ›Hoho‹, ›Hollaho‹ und ›Brr! Brr!‹ der Stallknechte zeigten an, dass mindestens ein Fürst im Begriff stand, den Tempel der Liebe zu stürmen.

      So war's; die Saaltür wurde aufgerissen, und der Kardinal von Ragusa, dem die Hausknechte

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