Die dreißig tolldreisten Geschichten. Оноре де Бальзак
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»Imperia«, rief der Kardinal und warf sich ihr zu Füßen, »meine heilige Imperia, geh doch, du willst mich zum Narren haben.«
»Nein«, sagte sie, »ich mag einen Narren nicht zum Narren haben.« »Was! Ekelhafte Hure! Ich werde dich exkommunizieren ... Morgen ...«
»Fällt Euch sonst nichts ein in Eurem Kardinalsverstand?«
»Imperia, Satansweib, verteufeltes... was sage ich nur... mein süßes Liebchen, meine Kleine, mein Lustgärtlein...«
»Ihr werdet respektwidrig ... Kniet Euch doch nicht hin wie vor dem Allerheiligsten, schämt Euch.«
»Willst du, dass ich dir Absolution gebe in articulo mortis ...? Willst du mein ganzes Vermögen, oder besser noch, willst du einen Splitter des heiligen Kreuzes ...? Willst du?«
»Keine himmlischen und keine irdischen Reichtümer können heute Abend mein Herz bezahlen. Ich wäre die letzte der Sünderinnen, unwürdig, den Leib unsres Heilands, des Herrn Jesus Christus, zu empfangen, wenn ich nicht meine Launen hätte.«
»Ich werde dir das Haus anzünden... Du bist eine Hexe, du hast einen teuflischen Zauber gegen mich gebraucht... Ich lasse dich auf dem Scheiterhaufen verbrennen... Höre mich, mein Schatz, meine süße kleine Maus, ich verspreche dir den schönsten Platz im Himmel... was sagst du dazu? Du willst nicht...? Zum Teufel also... auf den Scheiterhaufen mit der Hexe...«
»Wenn ich Euch aber vorher umbringen lasse, Herr Kardinal?«
Der Kardinal schäumte vor Wut.
»Ihr werdet ja rasend«, sagte sie. »Geht doch endlich. Ihr macht Euch krank, wenn Ihr's nicht schon seid.«
»Du sollst mir den Streich bezahlen, wenn ich Papst werde.«
»Die Tiara wird Euch nicht von dem Gehorsam entbinden, den Ihr mir schuldig seid.«
»Sagt, was muss ich tun, um Euch diesen Abend zu gefallen?« »Euch zum Henker scheren.« Sie hüpfte vor ihm im Zimmer herum wie eine Bachstelze, streckte und dehnte sich wie eine Schlange und ließ den Kardinal fluchen und toben, dem nichts übrigblieb, als endlich das Feld zu räumen.
Als sich die schöne Imperia allein sah – im Kamin brannte ein schönes Feuer, die Tafel war noch wohl versehen, es fehlte nichts als das junge Pfäfflein –, da übermannte sie der Zorn.
»Bei dem Dreigehörn des Teufels«, rief sie aus, indem sie in der Wut ihre goldenen Ketten zerriss, »wenn der Kleine schuld ist an diesem Auftritt mit dem Kardinal und mich der Gefahr einer Vergiftung ausgesetzt hat, ohne dass ich meine Absichten mit ihm erreiche und ganz zu meiner Zufriedenheit, so will ich ihn lebendig schinden sehen vor meinen Augen, ehe ich sterbe.«
»O Gott!« rief sie aus, und diesmal flossen ihr echte Tränen über die Wangen, »was für eine unglückliche Kreatur bin ich; das bisschen Glück, das ich von Zeit zu Zeit erlebe, ist mit einem solchen Hundeleben – und dem Verlust der ewigen Seligkeit obendrein – wahrhaftig zu teuer bezahlt.«
Nachdem sie sich unter Verrenkungen und Konvulsionen wie eine angeschossene Turteltaube so weit ausgetobt hatte, dass sie nicht mehr konnte, sah sie plötzlich das gerötete Gesicht des kleinen Priesters, der sich unterdessen heimlich versteckt gehalten, in ihrem venezianischen Spiegel auftauchen ...
»Ah!« rief sie, »du bist der vollkommenste Pfaffe, das hübscheste kleine Pfäfflein, so pfiffig pfäfflich und so pfäfflich pfiffig, wie es gewiss keinen zweiten gibt in der verpfefferten und verpfäffelten Stadt Konstanz ... Aber komm, mein herziger Ritter, mein geliebter Sohn, mein Kleiner, mein Dicker, mein Baum der Glückseligkeit, mein wonniger Gärtner, komm, dass ich deine Augen trinke, ich möchte dich fressen, ich möchte dich umbringen vor Liebe; o mein Blumenbekränzter, mein Frühlingsgott! Mein süßer Glockenschwengel! Mein Gott in alle Ewigkeit, komm! Du bist nur ein armes Pfäfflein, ich will einen König aus dir machen, einen Kaiser, einen Papst, nein, ich will dich glücklicher machen als alle zusammen. Was willst du noch? vernichte alles hier mit Feuer und Schwert, wenn es dir beliebt, ich bin dein Eigentum. Ich will dir's zeigen, du sollst Kardinal sein, und wenn ich all mein Herzblut hergeben müsste, um dein Barett damit zu färben.«
Und mit zitternder Hand, so überglücklich war sie, füllte sie mit griechischem Wein einen goldenen Becher, den der dicke Bischof von Chur hergebracht hatte, und reichte ihn dem Freund; auf ihren Knien reichte sie ihm den Trank, sie, deren Pantoffel die Fürsten der Erde küssten, mit mehr Devotion küssten als den Pantoffel des Papstes.
Er aber betrachtete sie stumm mit gierigem Blick, dass sie erzitterte vor wollüstiger Genugtuung: »Du hast recht, Kleiner, was sollen da Worte ... und nun zum Abendschmaus!«
Die lässliche Sünde
Wie der ehrenwerte Ritter Bruyn zu seiner Frau kam
Der edle Herr Bruyn, derselbe, der das Schloss La Roche-Corbon-les-Vouvray an der Loire ausgebaut hat, war in seiner Jugend ein wilder Gesell und Tunichtgut. Er ging noch halb in den Knabenschuhen, da war schon keine Jungfer mehr vor ihm sicher, und überall machte er einen Spektakel, als wenn er das Haus zum Fenster hinauswerfen wolle. Als er dann, noch ganz jung, seinen Vater, den Baron von La Roche-Corbon, zu begraben hatte, wurde er vollends ein richtiger kleiner Teufelsbraten. Er war nun sein eigener Herr und konnte erst recht das Haus mitsamt allen Truhen und Kisten und was alles sich darin versteckt hatte, zum Fenster hinauswerfen.
Wirklich lebte er in Saus und Braus alle Tage, vertat sein Geld mit Saufen, Spielen und Huren und kümmerte sich den Teufel um Gesetz und Sitte, dass er sich bald aus der Gesellschaft der ehrsamen Menschen exkommuniziert sah und nur noch die Wucherer, Halszuzieher, Beutelschneider und andere Schnapphähne zu seinem Umgang hatte. Aber selbst die Herren Hypothekenjäger und Geldverleiher wurden stachelig wie eine Kastanienschale, als er kein anderes Pfand mehr einzusetzen wusste als die genannte Herrschaft La Roche-Corbon, in Anbetracht nämlich, dass dieses Besitztum, als ein königliches Lehen, keinerlei Sicherheit und Bürgschaft zu bieten vermochte. Da war Bruyn im besten Zug, ein gefürchteter Saufbold und Raufbold zu werden, der wegen nichts mit den Leuten Händel anfing und kein größeres Vergnügen kannte, als Rippen einzustoßen und Schulterblätter und Schlüsselbeine entzweizuschlagen.
Dieses Treiben sah der Abt von Marmoustiers, sein Nachbar, ein Mann, der nicht gern ein Blatt vor den Mund nahm. Das sei ja alles sehr schön, sagte er zu dem Ritter, und wenn er so fortfahre, werde er sicher noch ein Ausbund aller ritterlichen Tugenden werden; aber noch fehle seinem schädelspalterischen Tun die Krone, nämlich: dass er zur Ehre Gottes hinziehe in das Heilige Land und sein Schwert an den Knochen der sarazenischen Mohammedaner und mohammedanischen Sarazenen, die jetzt das Heilige Land vollscheißen, schartig mache und dann zurückkehre, mit Reichtum und Ablässen überhäuft, entweder zurück in seine geliebte Touraine, den Garten Frankreichs, oder ins himmlische Paradies, den Garten Gottes, von wo alle christlichen Barone herkommen.
Diese weisheitsvollen Worte des Prälaten leuchteten dem Ritter ein, und ausgerüstet vom Kloster und gesegnet vom Abt, ging er zu Schiff und fuhr übers Meer, zur nicht geringen Freude seiner Nachbarn. Er belagerte nun zahlreiche Städte in Asien und in Afrika, hieb auf die Ungläubigen ein, ohne Pardon zu geben, machte ein wahres Gemetzel unter Sarazenen, Griechen, Engländern und andern, ohne viel danach zu fragen, ob es Freunde wären oder Feinde, denn er war als echter Mann wenig neugierig und befragte die Leute nach solchen Lappalien erst, nachdem er sie umgebracht hatte.