Die dreißig tolldreisten Geschichten. Оноре де Бальзак

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Die dreißig tolldreisten Geschichten - Оноре де Бальзак

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in Haut und Gehirn, in Lunge, Leber und Nieren, in allen noch so geheimen und verschämten Schlupfwinkeln des Leibes und Lebens. Durch alle Gefäße sickerte und tröpfelte das feine Gift wie eine Flamme, die alles durchdringt und die überall hervorzüngelt, hervorschlägt, hervorbricht, in den Haaren knistert, in den Fingerspitzen prickelt, dass es einem unter der Haut kribbelt und krabbelt wie mit tausend feinen Nadeln. So sehr umloderte sie die Flamme jungfräulicher Liebe, so sehr ging ihr Wesen unter in einem Wunsch ohne Namen, dass sie zu ersticken drohte, dass ihr die Sinne schwindelten, dass ihr guter alter Ehegemahl ihr zu Luft wurde und dass sie nur noch den jungen Walter sah, der strotzte von jugendlicher Kraft wie das Kinn eines Abtes.

      Als man endlich in den berühmten Wallfahrtsort einzog, da weckten die Zurufe der Menschen von allen Seiten der Ehemann aus seinem Dusel, und er hielt mit großem Pomp seinen Einzug in die stattliche Kirche von Notre-Dame. Blancheflor begab sich unverzüglich nach der Kapelle, wo von alters her die Frauen den lieben Gott und die Heilige Jungfrau um Fruchtbarkeit anzuflehen pflegten. Die Sitte wollte, dass sie allein hineinging, der Seneschall und sein Gefolge wie das neugierige Volk blieben vor dem Gitter.

      Als nun der Priester erschien, der zuerst die sogenannte Kindermesse hielt und dann die Gelübde entgegennahm, fragte ihn die gute Dame in der Beichte, ob es viel solcher Frauen gäbe wie sie, worauf der Priester erwiderte, dass er sich nicht zu beklagen habe und dass seine Kirche von diesem Notstand die größten Einkünfte bezöge.

      »Und geschieht es oft«, fragte Blancheflor weiter, »dass junge Frauen einen so alten Mann mitbringen, wie der Herr Seneschall ist?«

      »Selten«, antwortete der Priester.

      »Und haben solche je Nachkommenschaft erhalten?«

      »Nie hat es daran gefehlt«, erwiderte der Priester lächelnd.

      »Und bei den andern, die jüngere Männer hatten?«

      »Auch bei ihnen fehlte es nur hie und da.«

      »Oh!« rief die Dame freudig aus, »so ist also größere Sicherheit bei einem Mann wie der Herr Seneschall?«

      »Gewiss«, antwortete das Pfäfflein.

      »Warum?« fragte sie.

      »Hohe Herrin«, sprach der Priester ernst, »vor diesem Alter liegt die Sache allein in der Hand Gottes; später hat außerdem immer noch ein Mann seine Hand im Spiele.«

      So sagt man doch wahrlich mit Recht, dass in jener Zeit die Kleriker allein im Besitz aller Wissenschaft waren.

      Blancheflor aber tat ihr Gelübde, das sehr beträchtlich war, denn ihre Ausrüstung hatte wohl an die zweitausend Goldgulden gekostet.

      »Ihr seid ja auffallend vergnügt«, sagte der Seneschall, als sie auf dem Heimweg ihren Zelter zu den verwegensten Sprüngen und Kapriolen reizte.

      »Mit gutem Grund«, antwortete sie. »Ich brauche nicht mehr zu zweifeln, dass ich ein Kind haben werde, da nur erforderlich ist, wie mir der Priester erklärt hat, dass noch ein anderer Mann daran mitarbeite. Ich habe den Walter dazu ausersehen ...«

      Im ersten Zorn wollte der Seneschall hingehen und den Pfaffen erwürgen; aber er bedachte, dass ein solches Verbrechen ihn viel Geld kosten könne, und er beschloss bei sich, seine Rache mit Hilfe des Erzbischofs billiger zu erlangen. Zu dem Junker von Montsoreau aber sagte er, er möchte unverzüglich losreiten und ihm einen Sack voll Schatten bringen, wozu Walter, der die Launen seines Herrn kannte, sich ohne Weigerung anschickte, noch ehe die Türme und Spitzdächer von La Roche-Corbon sichtbar wurden. Seine Stelle gab der Seneschall einem Sohne des Herrn von Jallanges, der sein Vasall war und dessen Sohn René hieß. Der Seneschall machte aus dem jungen René, der just in sein vierzehntes Jahr ging, einstweilen seinen Pagen, bis er alt genug wäre, um Stallmeister zu werden und das Kommando über das gräfliche Kriegsvolk zu übernehmen, das er vorderhand einem alten Haudegen übertrug, der in Palästina und andern Orten der Genosse seiner Heldentaten gewesen war. Auf diese Weise glaubte der gute Greis, aller Gefahr einer Behörnung vorgebeugt zu haben und die Jungfernschaft seiner Frau auch künftighin in Zucht und Zügel oder, wie man auch sagt, unter dem Daumen halten zu können. Aber das war ein Ding, das sich jetzt ganz rebellisch gebärdete und scharrte und ausschlug wie ein gefesseltes Maultier.

      Welchergestalt eine Todsünde zu einer lässlichen Sünde wird

      Es war am nächsten Sonntag nach der Ankunft Renés auf dem Schlosse, dass Blancheflor ohne ihren Gemahl zur Jagd auszog und in dem Wald bei Carneaux einen Mönch bemerkte, der eine junge Bauerndirne ungebührlich zu misshandeln schien. Sie gab ihrem Zelter beide Sporen und rief ihren Leuten zu, den Mönch zu verhindern, dass er das Mädchen töte. Aber angelangt bei den beiden, riss sie plötzlich ihr Pferd herum, und der Anblick dessen, was sie bei dem genannten Mönch gesehen hatte, machte sie stumm und nachdenklich für die ganze Dauer der Jagd. Diesmal ging ihr ein helles und ganzes Licht auf und warf seinen erleuchtenden Schein auf tausend Dinge, die sie bisher nicht begriffen hatte, auf heilige und profane Bilder, Historien und Gedichte der Troubadours, das Gebaren der Vögel und andrer Tiere des Waldes. Mit einem Schlag begriff sie das Geheimnis der Liebe, das in allen Sprachen geschrieben ist, sogar in der der Karpfen. Wie wäre es auch möglich gewesen, ihr allein diese Wissenschaft auf immer zu verheimlichen!

      Blancheflor ging diesen Abend früher als gewöhnlich zu Bett.

      »Bruyn«, sagte sie zu dem Manne an ihrer Seite, »Ihr habt mich schnöd hintergangen. Ihr müsst Euch aber endlich bequemen, mit mir zu tun, wie der Mönch von Carneaux mit der Dirne.«

      Der gute Seneschall brauchte nicht nach dem Vorgang zu fragen, er ahnte ihn und fühlte sein Unglück über sich hereinbrechen.

      »Mein süßes Herz«, antwortete er sanft, indem er seiner Bettgenossin einen schmachtenden Blick zuwarf, der leider schielte, »als ich Euch zur Frau nahm, da hatte ich mehr Liebe als Kraft zur Liebe und zählte auf Euer Mitleid und Euren christlich keuschen Sinn. Das Unglück meines Lebens ist, dass ich nur noch stark bin im Herzen. Ich werde aus Kummer bald sterben, und über kurz oder lang werdet Ihr frei sein ... Seht, ich flehe Euch an, ich, Euer Herr und Meister, der Euch befehlen könnte und der nichts andres sein will als Euer ergebenster Knecht und Diener: Habt Mitleid mit meinen weißen Haaren! Häuft nicht Schande auf mein greises Haupt! Bedenkt auch ein wenig, dass schon mancher Edelmann seine Frau erwürgt hat um dieser Sache willen.«

      »Ihr wollt mich töten?« rief sie.

      »Nein«, antwortete der alte Mann, »ich liebe dich allzusehr, mein Herz. Siehe, du bist die Blume meines Alters, die einzige Lust meiner Seele, du bist mein vielgeliebtes Kind. Mein Auge wird hell bei deinem Anblick; von dir kann ich alles hinnehmen, selbst ein Schmerz, den du mir zufügst, macht mich glücklich. Du sollst deinen Willen haben in allem, wenn du dem alten Bruyn nicht allzusehr grollen willst dafür, dass er dich zu einer großen Dame, dass er dich reich und geehrt gemacht hat. Geh, du wirst eine hübsche Witwe sein! Ich aber werde gern sterben, denn ich werde denken, dass es dein Glück ist.«

      Und er fand in seinen vertrockneten Augen eine letzte Träne, die ihm heiß über die lederfarbene Wange rann und niederfiel auf die Hand seiner Frau. Blancheflor aber fühlte sich tief erschüttert von dieser großen Liebe des alten Mannes, der in die Grube steigen wollte, um ihrem Glück nicht im Wege zu stehen.

      »Na, na«, sagte sie, »weint nur nicht, ich werde schon warten können.«

      Der Seneschall küsste ihr die Hand und überhäufte sie mit tausend Zärtlichkeiten nach seiner Art.

      »Wenn

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