Physiologie des Alltagslebens. Оноре де Бальзак

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Physiologie des Alltagslebens - Оноре де Бальзак

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liegt zwischen dem Portier und dem Hauswirt. Er ist so zufrieden mit seiner Wohnung, so sehr an seinen Hof, seine Treppe, an die Portiersloge, an das Haus gewöhnt – und der Portier sowie der Hauswirt wissen das genau –, dass er in seinem bescheidenen Appartement bleiben wird, bis er es les pieds devant »Les pieds devant«, berühmtes Bild für die Lage im Sarge; Refrain eines chansons von Marcel Legay, das auch heute noch immer wieder von rührseligen Bourgeois und Bohemiens gesungen wird, wenn man pointiert den letzten Gang eines braven Mannes umschreiben will. Anm. d. Übers. verlassen wird, wie er selbst zu sagen pflegt; und darum wird ihm die schmeichelhafteste Ehrerbietung entgegengebracht. Er zahlt seine Steuern mit skrupulöser Pünktlichkeit. Kurz, in allen Dingen ist er für die Regierung. Wenn man in den Strassen kämpft, hat er den Mut, sich darüber dem Portier und seinen Nachbarn gegenüber auszusprechen. Er beklagt die Regierung. Aber seine Milde macht Halt vor dem Polizeipräfekten. Die Maßnahmen der Polizei billigt er durchaus nicht. Die Polizei, die nie etwas weiß, als das, worauf sie gestoßen wird, ist in seinen Augen ein missgestaltetes Ungeheuer; er möchte gerne, dass sie aus dem Budget verschwindet. Wenn er zufällig in einen Aufruhr hineingerät, dann präsentiert er seinen Regenschirm, windet sich durch und nennt die jungen Leute »liebenswürdige Jünglinge«, die durch die Missgriffe der Polizei auf Abwege gedrängt werden. Vor und während des Aufruhrs ist er stramm für die Regierung; sobald der politische Prozess aber beginnt, ist er für die Angeklagten.

      In der Malerei hält er zu Vigneron, dem Maler des »Convoi du pauvre«. Die literarische Bewegung lernt er durch das eifrige Studium der Maueranschläge kennen, was ihn keineswegs abhält, Bérangers Chansons zu subskribieren. Um aktuell zu sein, fragt er gelegentlich, auf seinen Stock gestützt, mit dem gewissen schlauen Lächeln:

      »Ah ça! Also dieser George Sand (er spricht das ›Sang‹ aus), von dem man soviel spricht, ist das nun ein Mann oder eine Frau?«

      Es fehlt dem Rentier durchaus nicht an originellen Zügen. Sie täuschen sich, wenn Sie ihn für eine verwischte, wenig ausgeprägte Gestalt halten. Paris ist ein so mächtig geheizter Herd, Paris flammt mit einer so vulkanischen Energie, dass die Reflexe seiner Flammen allem Farbe geben, selbst den Gestalten, die im Hintergrunde stehen.

      Der Rentier wendet ein Zehntel seines Einkommens an seine Miete, nach den Regeln eines unbekannten Code, dessen er sich bei allen nur möglichen Gelegenheiten bedient.

      So hören Sie ihn die folgenden Axiome verkünden: »Man muss grüne Erbsen mit den Reichen und Kirschen mit den Armen essen. Man darf Austern nur in den Monaten mit r essen etc.«

      Er überschreitet niemals die Summe von hundert Ecus für seinen Mietzins. Daher gedeiht die Gattung der Rentiers vielfach in der Gegend von Marais, in den von der großen Gesellschaft aufgegebenen Straßen des Faubourg Saint-Germain. Am häufigsten findet man ihre Exemplare aber in der rue du Roi-Doré, rue Saint-François, rue Saint-Claude, um die Place Royale herum, in der Umgebung des Luxemburg, in gewissen Vororten; die neuen Stadtviertel scheut er.

      Nach dreißigjährigem Vegetieren solcher Art hat in der Regel jeder Vertreter dieser Gattung sich das Schneckenhaus geschaffen, in dem er sein Leben zubringt. Stück um Stück seiner Einrichtung hat er seinem Wesen assimiliert, und er hält viel auf jedes einzelne Ding: so die Uhr in Lyra- oder Sonnenform in einem kleinen, bunt tapezierten Salon mit glänzend gebohnertem Parkett, häusliche Harmonie ausstrahlend. Da gibt es ausgestopfte Zeisige unter Glasstürzen, Kreuze aus schön gefaltetem Papier, weiche Fußschemel, vor allem Fauteuils, einen alten Spieltisch. Das Mobiliar des Speisezimmers ist ein Barometer, rötliche Vorhänge, altersschwache »antike« Stühle. Auf dem Tisch, wenn er gedeckt ist, liegen Servietten in Ringen, auf denen in blauen Glasperlen Monogramme gestickt sind. Die Küche zeichnet sich durch übertriebene Reinlichkeit aus. Dem Dienstbotenzimmer schenkt er wenig Beachtung, aber mit seinem Keller beschäftigt sich der Rentier angelegentlich. Er hat lange gekämpft, um sich einen Holzkeller und einen Weinkeller zu sichern, und wenn man ihn über dieses Detail befragt, sagt er nicht ohne Nachdruck: »Ich habe meinen Holzkeller und meinen Weinkeller; es hat Zeit gekostet, ehe ich meinen Hausherrn soweit gebracht habe, aber schließlich hat er doch nachgeben müssen!«

      Der Rentier besorgt seinen Holzvorrat im Monat Juli. Immer verwendet er dieselben Leute, um das Holz zu spalten und zu schneiden, dessen Vermessung auf dem Holzplatz er persönlich überwacht. Alles wird bei ihm mit methodischer Genauigkeit ausgeführt und berechnet. Er erwartet mit Entzücken die Wiederkehr derselben Dinge zu denselben Jahreszeiten. Er nimmt sich vor, eine Makrele zu essen, man erörtert des langen und breiten den Preis, der dafür angelegt werden soll, er lässt sich den Fisch bringen und scherzt mit der Marktfrau. Die Melone bewahrt in seiner Küche eine gewisse aristokratische Haltung; er behält sich die Auswahl vor und trägt sie selbst nach Hause. Um die Tafel bekümmert er sich wirklich und ernsthaft; denn das Essen ist ihm die wichtigste Lebensangelegenheit. Er prüft die Milch für den Morgenkaffee, den er aus einem silbernen Becher in Kelchform trinkt.

      Der Rentier steht in allen Jahreszeiten früh zur selben Stunde auf. Er rasiert sich, kleidet sich an und frühstückt. Vom Frühstück bis zum Diner ist er beschäftigt. Bitte, lachen Sie nicht. Nun setzt jene großartige und poetische Existenz ein, von der die Leute, die sich über diese harmlosen Wesen lustig machen, eben keine Ahnung haben. Der Rentier gleicht einem Goldschläger, er versteht es, ein Nichts auszuwalzen, er dehnt und streckt es, er wandelt es in ein Ereignis von gigantischer Ausdehnung. Das Feld seiner Tätigkeit erstreckt sich über ganz Paris; er vergoldet jeden Moment des Tages mit einer bewunderungswürdig unbegründeten Glückseligkeit. Der Rentier lebt mit den Augen, und die unausgesetzte Anstrengung dieses Organs macht die Stumpfsinnigkeit ihres Ausdrucks begreiflich. Die Neugierde des Rentiers macht seine Lebensführung verständlich; er könnte ohne Paris nicht existieren, an allem hat er genussreichen Anteil. Es würde schwer halten, ein schöneres Poem als dies Leben zu erfinden; nur gehört es zu den ein wenig eintönigen, moralisierenden Lehrgedichten.

      Der Rentier geht zu allen Seelenmessen und Trauungen, er läuft zu allen Sensationsprozessen, und wenn er keinen Platz im Auditorium ergattern kann, hat er wenigstens die Menge gesehen, die hinströmt. Er inspiziert persönlich die neue Pflasterung auf der Place Louis XV., er kennt den Platz jeder Statue und jedes Springbrunnens. Er ist ein aufrichtiger Bewunderer aller jener Denkmäler, die man Literaten gesetzt hat, weil das für die Grundstücksspekulation der neuen Bezirke vorteilhaft ist. Dann besucht er die Erfinder, die Annoncen auf der vierten Seite der Zeitungen erscheinen lassen. Er lässt sich die Vervollkommnungen und neuen Errungenschaften demonstrieren, die sie ausgedacht haben, beglückwünscht sie zu ihrem Erfolge und verlässt sie, stolz auf sein Land, mit dem Versprechen, ihnen Abnehmer, Käufer zu verschaffen. Am Tage nach einem großen Brande geht er das Gebäude besichtigen, das nicht mehr dasteht.

      Seine festlichsten Tage sind die, wo er einer Sitzung in der Kammer beiwohnt. Die Tribünen sind leer; er glaubt zu früh gekommen zu sein; die Leute werden schon noch kommen. Aber er vergisst bald das abwesende Publikum, er ist ganz im Banne der unbekannten Redner, deren zweistündige oratorische Leistung die Zeitungen dann mit zwei Zeilen abtun werden. Am Abend – in Gesellschaft anderer Rentiers – preist er Monsieur Guérin (de l'Eure) oder den Kommissar des Königs, der ihm geantwortet hat. Diese großen Unbekannten haben ihn an den General Foy erinnert, diesen Heiligen des Liberalismus, den man so schmählich hingeopfert hat. Durch mehrere Jahre wird er nun von Monsieur Guérin (de l'Eure) sprechen und sich darüber wundern, der einzige zu sein, der es tut. Ab und zu fragt er:

      »Was macht Monsieur Guérin (de l'Eure)?«

      »Der Arzt?«

      »Nein, der große Redner.«

      »Ich kenne ihn nicht.«

      »So so? Immerhin, ich würde ihm mein Vertrauen schenken, und ich staune, dass der König (›le roâ‹) ihn noch nicht zum Minister ernannt hat.«

      Wenn es ein Feuerwerk gibt, dann nimmt der Rentier um neun Uhr ein Dejeuner dinatoire,

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