Physiologie des Alltagslebens. Оноре де Бальзак

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Physiologie des Alltagslebens - Оноре де Бальзак

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nie was Lächerliches. Am Ende ist vielleicht sein großer Fehler, keinen Fehler zu haben.

      Wüssten Sie mir ein beneidenswerteres Leben als das dieses wackeren Mitbürgers? Jeder neue Tag bringt ihm sein Brot und neue Anregungen. Demütig und anspruchslos wie das Gras auf der Wiese, ist er für den Staat so unentbehrlich, wie das Grün für die Landschaft. Was ihn besonders interessant macht, ist seine völlige Selbstverleugnung. Er bekämpft niemanden. Er bewundert die Künstler, die Minister, die Aristokratie, das Königtum, das Militär, die Energie der Republikaner, den moralischen Mut der Gelehrten, die Ruhmestaten der Nation, die vom »Constitutionnel« erfundenen musikalischen Spinnen, die Dementis des »Journal des Débats« und die Geistesstärke der Ministeriellen. Er lässt alle Größen ohne jede Einschränkung gelten, »fürs Vaterland« ist er stolz auf sie. Er bewundert, um zu bewundern.

      Wollen Sie das tiefste Geheimnis dieser merkwürdigen Existenz erfahren? Der Rentier ist unwissend wie ein Stockfisch. Er kennt die Gedichte von Piron. Seine Frau rühmt die Romane von Paul de Kock und braucht zwei Monate, um vier kleine Oktav-Bände durchzulesen; wenn sie beim letzten ist, hat sie die Ereignisse des ersten immer schon vergessen. Sie erholt sich von den Anstrengungen der Lektüre durch die Erziehung ihrer Kanarienvögel und die Unterhaltung mit ihrer Katze. Ja, sie besitzt eine Katze und was sie besonders kennzeichnet, ist die unbegrenzte Liebe für Tiere. Wenn der Rentier krank wird, dann ist er der Gegenstand des größten Interesses aller. Seine Freunde, seine Frau und einige ergebene Freundinnen reden ihm ins Gewissen. Gewöhnlich versöhnt er sich dann mit der Kirche und stirbt als guter Christ, er, der bis dahin stets seinen Hass gegen die Pfaffen bekundet hat, den er Seiner liberalen Majestät dem seligen »Constitutionnel I.« verdankte. Wenn dieser Mann sechs Fuß unter der Erde liegt, hat er es genau so weit gebracht, wie die zweiundzwanzigtausend berühmten Männer der »Biographie universelle«, unter denen ungefähr fünfhundert vielleicht populär sind. Da er leichten Fußes über die Erde ging, ist ihm gewiss auch die Erde leicht. Die Wissenschaft kennt keine besondere Viehseuche, von welcher der Rentier ergriffen würde; der Tod verfährt mit ihm, wie der Landmann mit Klee: er mäht ihn ganz einfach ab.

      Wir haben nicht ohne Mühe von dem geduldigen und gewissenhaften Mikrographen, der den großartigen »Traité de Rienologie« vorbereitet, die Beschreibung der Varietäten des Rentiers herausbekommen. Aber er hat endlich doch begriffen, wie notwendig sie für diese Monographie sind ... Der Autor der »Rienologie« verzeichnet die zwölf folgenden Varietäten.

      I. Der Junggeselle

      Diese schöne Varietät erfreut zunächst durch die Farbenkontraste der Kleidung, die stets alle bunten Möglichkeiten aufweist, die Augen. Unter seiner Weste baumeln noch die großen Breloques hervor, die in der Zeit des Empire Mode waren: goldgefasste amerikanische Körner, Mosaiklandschaften, Würfel aus Lapis lazuli. Er wagt sich ins Zentrum von Paris vor. Dieser Rentier steht gerne Spalier beim Palais Royal und hat die üble Angewohnheit, die Sesselvermieterin zu grüssen. Er speist im Restaurant letzter Güte, wohnt vier Treppen hoch, meist in einem weitläufigen Haus, wo der Portier im Halbstock seine Loge hat, Er leistet sich eine Aufwärterin. Einzelne Individuen tragen kleine Ohrringe; einige haben eine Vorliebe für Schönheitspflästerchen und tragen dann kornblumenblaue Anzüge. Sie sind gewöhnlich brünett und haben phantastische Haarbüschel an den Ohren und Händen, eine tiefe Tenorstimme, die ihr größter Stolz ist. Wenn sie keine Schönheitspflästerchen tragen, dann färben sie ihre Haare mit Vorliebe schwarz. Der von Henry Monnier, einem unserer scharfsinnigsten Naturforscher, entdeckte »Prud'homme«, den er uns mit unendlichem Behagen in entzückenden Zeichnungen vorführt, gehört zu dieser Varietät. Diese Rentiers sprechen einen ganz eigenartigen Dialekt. Frägt man sie: »Wie geht es Ihnen?« so antworten sie: »– – –ffste Hochachtung.« Wenn Sie ihm auseinandersetzen, dass diese »– – –ffste Hochachtung« in Wirklichkeit nur eine Redensart ist wie das »stets zu Ihrer Verfügung«, so erwidern sie Ihnen mit einer fast schalkhaften Miene: »Seit dreißig Jahren habe ich nun zu gar vielen Leuten »– – –ffste Hochachtung gesagt, und bisher hat noch niemand daran etwas auszusetzen gefunden; und im übrigen ändert man in meinem Alter wohl kaum mehr seine Gewohnheiten«. Dieser Rentier ist keiner wirklichen Neigung fähig; er hat keine Religion, er begeistert sich für keine Partei. Einen Teil des Tages verbringt er in Lesekabinetten, an regnerischen Abenden ist er im Café, wo er von einem Winkel aus dem Kommen und Gehen der Stammgäste zusieht.

      Auf ihren bedächtigen nächtlichen Spaziergängen bei schönem Wetter können wir ihnen nicht weiter folgen. Die fructus belli raffen jeden Winter eine gewisse Anzahl von ihnen hinweg. Verwechseln Sie aber diese Sorte nicht mit dem Stutzer: dameret. der Junggeselle will ledig bleiben, der Stutzer will heiraten.

      II. Der Geizkragen chapolardé.

      Diese Varietät liefert den »gogo« unter den Rentiers. Er ist jähzornig, aber leicht zu besänftigen. Auf seinen mageren Gesichtszügen spielen gelbe und grünliche Töne. Er ist der einzige, der ehrgeizige, aber meist unklare Pläne hegt, die seinen Frieden stören und ihn verbittern. Dieser Rentier versagt sich alles. Er ist nüchtern, sein Gewand ist abgetragen; um in seine Wohnung zu kommen, klettert er noch höher als der früher charakterisierte Typus, er trotzt den Härten der Mansarde. Sein Frühstück ist Milch und Weißbrot und zu Mittag speist er bei Mizeray für zwölf Sous oder bei Flicoteaux für zwanzig Sous. Er würde für fünf Sous Schuhwerk abnützen, um zu einem Orte zu gelangen, wo er drei Sous sparen zu können glaubt. Der Elende trägt einen verschossenen, an den Nähten fadenscheinig gewordenen Gehrock, seine Westen erglänzen. Die Farbe seines Haares erinnert an den Chinchilla, aber er trägt es glatt gekämmt. Seine Gestalt ist dürr, er hat Augen wie eine Elster, eingefallene Backen und einen ebensolchen Bauch. Dieser einfältige Sparkünstler, der sich einen Sou um den andern abknapst, um damit sein Kapital und damit sein angebliches Wohlleben zu erhöhen, würde sich wohl hüten, einem ehrenhaften Mann tausend Franken Darlehen zu geben, die er für irgendein betrügerisches Unternehmen stets bereit hätte. Er lässt sich von allem, was einen Schein von Nützlichkeit hat, anlocken und es wird dem Spekulanten – seinem Erbfeinde – nicht schwer, ihn hereinzulegen. Aktionär-Jäger erkennen ihn an seinem Vogelkopf, der auf einem schlotterigen Körper sitzt. Von allen Rentiers ist er es, der beim Gehen am eifrigsten mit sich selber spricht.

      III. Der Verheiratete

      Dieser Rentier teilt seine Rente weise in monatliche Raten. Er bemüht sich, von dieser Summe soviel wie möglich zu ersparen und sein Weibchen hilft ihm redlich dabei. Der Ehestand macht sich bei ihm durch das Schneeweiß seiner Wäsche kenntlich, durch seine nankingfarbigen Westen, seine plissierten Jabots und seidenen Handschuhe, die ein volles Jahr aushalten müssen. Er ist nicht sehr gesprächig, hört lieber zu und antwortet auf eine Frage lieber durch das stumme Anbieten einer Prise. Wegen seiner außerordentlichen Sanftmütigkeit bemerkenswert, macht er, der Rentier, als Ehemann sich durch gelegentliche häusliche Verrichtungen nützlich. Er macht die Besorgungen für den Haushalt, führt den Hund seiner Frau aus, bringt Leckerbissen nach Hause; wenn ein Wagen vorbei will, bleibt er fünf Minuten vorher wartend stehen und sagt zu jedem Arbeiter »Mein Freund«! Dieser Anthropomorphe entrüstet sich und ruft die Leute zusammen, wenn ein Fuhrmann seine Pferde misshandelt. Er fragt, warum soviel auf einen Wagen geladen werden muss, und spricht von einem Tierschutzgesetz, das erlassen werden müsste, nach dem Muster Englands, dieser Wiege der konstitutionellen Regierung. Wenn der Fuhrmann gegen die Einsprache der Zuschauer rebelliert, dann besinnt der Verheiratete sich seiner Pflichten als Familienvater und verduftet. Er zeigt fast alle Charakterzüge des Rentiers schlechtweg. Sein Laster ist, hinter dem Rücken seiner Frau Lieferungswerke zu abonnieren. Einige von ihnen gehen ins Atheneum, andere schließen sich obskuren Vereinen an, wo gesungen wird, diesen natürlichen Töchtern des Caveau, die »goguettes« genannt werden.

      IV. Der Wortkarge

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