Die Kleinbürger. Оноре де Бальзак
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Читать онлайн книгу Die Kleinbürger - Оноре де Бальзак страница 18
Cérizet, der noch nicht achtunddreißig Jahr alt war, sah aus wie ein Mann von fünfzig, so sehr gealtert war er infolge alles dessen, was einen Menschen alt macht. Sein Kopf und sein Haar ließen einen gelblichen Schädel sehen, den eine durch ihre Entfärbung rötlich schimmernde Perücke nur mangelhaft bedeckte; sein blasses, welkes, übermäßig rohes Gesicht erschien um so scheußlicher, als er eine zerfressene Nase hatte, die aber noch nicht so völlig zerstört war, dass er die Möglichkeit gehabt hätte, sie durch eine künstliche zu ersetzen: von ihrer Wurzel an der Stirn bis zu den Nasenlöchern hatte diese Nase noch ihre natürliche Gestalt; aber die Krankheit hatte die äußeren Nasenflügel zerfressen und nur zwei Löcher von merkwürdiger Form übriggelassen, die die Aussprache beeinträchtigten und die Worte entstellten. Die ursprünglich schönen Augen waren durch Elend jeder Art und durch um die Ohren geschlagene Nächte geschwächt, an den Rändern gerötet und zeigten tiefe Entstellungen; ihr Blick hätte, wenn ein Ausdruck von Bosheit hineingelegt würde, selbst Richtern oder Verbrechern, kurz, Leuten die vor nichts erschrecken, Angst einflößen können.
Der zahnlose Mund, der noch einige schwarze Stummel aufwies, hatte einen drohenden Ausdruck und ließ hier und da einen schaumigen Speichel sehen, der aber nicht auf die blassen schmalen Lippen trat. Cérizet, ein kleiner, mehr vertrockneter als magerer Mann, suchte für sein hässliches Gesicht durch seine Kleidung zu entschädigen, und wenn diese Kleidung auch keine gute war, so hielt er sie doch in sauberem Stande, was aber ihre Schäbigkeit vielleicht noch deutlicher hervortreten ließ. Alles an ihm erschien zweifelhaft wie sein Alter, seine Sprache, sein Blick. Es war nicht zu erkennen, ob er achtunddreißig oder sechzig Jahr alt war, ob seine blaue, verblasste, aber eng anliegende Hose bald wieder modern sein würde, oder der Mode des Jahres 1835 entsprach. Seine abgetretenen, aber sorgfältig geputzten, dreimal geflickten Stiefel, die einst elegant waren, hatten vielleicht die Teppiche eines Ministers unter sich gehabt. Sein Überrock mit Schnüren, durch Regengüsse verwaschen, dessen Knöpfe ihren Grund durch den Überzug indiskret durchblicken ließen, zeigte in seinem Schnitt noch etwas von seiner früheren Eleganz. Die seidene hohe Krawatte ließ glücklicherweise die Wäsche nicht sehen, war aber hinten von den Zinken der Schnalle zerrissen, und die Seide hatte von der Fettigkeit, die die Perücke absonderte, einen andern Glanz erhalten. Die Weste mochte wohl, als sie neu war, sauber ausgesehen haben, es war aber ein Exemplar der Sorte, die zu vier Franken aus den Beständen der Händler mit fertigen Kleidungsstücken verkauft wird. Alles war sorgfältig abgebürstet, ebenso wie der glänzende verbeulte seidene Hut. Und alles passte zueinander und zu den schwarzen Handschuhen an den Händen dieses subalternen Mephistos, dessen Lebenslauf ein paar Worte gewidmet sein sollen.
Er war ein Künstler auf dem Gebiete des Bösen, der zuerst mit dem Bösen Glück gehabt hatte und der, durch den ersten Erfolg getäuscht, fortfuhr, Niederträchtigkeiten anzuzetteln, ohne die Grenzen des Strafgesetzes zu überschreiten. Nachdem er durch Verrat an seinem Herrn Leiter einer Druckerei geworden war, wurde er als Herausgeber eines liberalen Blattes verurteilt; und in der Provinz war er dann unter der Restauration einer der »schwarzen Männer« der königlichen Regierung und der »unglückliche« Cérizet, ganz wie der unglückliche Chauvet und wie der heldenmütige Mercier. Diesem Rufe verdankte er im Jahre 1830 seine Ernennung zum Unterpräfekten; sechs Monate später wurde er abgesetzt; aber er behauptete, er wäre, ohne dass man ihn gehört hätte, verurteilt worden, und machte solchen Lärm, dass er unter dem Ministerium Casimir Perier Leiter einer vom Ministerium bezahlten antirepublikanischen Zeitung wurde. Er verließ diese Stellung, um sich Geschäften zu widmen, worunter sich auch eine der übelsten Gründungen befand, die zur Untersuchung vor das Zuchtpolizeigericht gezogen wurde, und wobei er die Verurteilung zu schwerer Strafe stolz auf sich nahm, indem er erklärte, sie sei nur ein Racheakt der republikanischen Partei, die es ihm nicht verzeihen könne, dass er ihr so scharfe Schläge in seinem Blatte beigebracht hatte, und die nun eine Wunde mit zehn anderen vergelte. Seine Gefängnisstrafe hatte er in einem Krankenhause verbracht. Die Regierung schämte sich schließlich eines Mannes, der aus dem Findelhause stammte, und dessen wüstes Leben und schmutzige Geschäfte, die er mit einem früheren Bankier, namens Claparon, zusammen machte, ihn schließlich der vollauf verdienten Verachtung preisgegeben hatten. Daher hatte Cérizet, der auf der sozialen Leiter von Stufe zu Stufe bis ans unterste Ende gelangt war, noch einen Rest von Mitleid nötig, um die Stelle eines Sekretärs bei dem Gerichtsvollzieher Dutocq zu erhalten. Aber in der Tiefe seines Elends träumte dieser Mensch von Rache, und da er nichts mehr zu verlieren hatte, so war ihm jedes Mittel dazu recht. Dutocq und er waren durch ihren üblen Lebenswandel miteinander verbunden. In ihrem Stadtviertel war Cérizet für Dutocq, was der Jagdhund für den Jäger ist. Cérizet, mit allen Nöten des Elends vertraut, trieb den Rinnsteinwucher, den man Darlehn auf eine kurze Woche nennt; er hatte damit begonnen, mit Dutocq Halbpart zu machen, und der ehemalige Pariser Gassenjunge, der der Bankier der Straßenhändler geworden war, der Geldleiher der Handwagen, war der nagende Wurm zweier Faubourgs.
»Nun,« sagte Cérizet, als Dutocq seine Tür öffnete, »da Theodosius zurück ist, können wir zu ihm gehen.«
Und der Armenadvokat ließ die beiden Männer vorangehen.
Die Drei durchschritten ein kleines Zimmer mit glänzend gebohnten Fliesen, auf die die untergehende Sonne ihren rötlichen Schein warf, wenn sie zwischen den Perkalvorhängen hindurchschien, und das einen einfachen runden Nussbaumtisch und ein Nussbaumbüfett enthielt, auf dem eine Lampe stand. Von da gelangten sie in einen kleinen Salon mit roten Vorhängen und Mahagonimöbeln, die mit rotem Utrechter Plüsch bezogen waren; an der den Fenstern gegenüberliegenden Wand befand sich eine Bibliothek mit juristischen Büchern. Auf dem Kamin stand eine gewöhnliche Garnitur: eine Uhr mit vier Säulen aus Mahagoni und Leuchter unter Glas. Das Arbeitszimmer, in dem sich die drei Freunde vor ein Steinkohlenfeuer setzten, war das übliche Arbeitszimmer eines jungen Advokaten; es enthielt einen Schreibtisch, einen Armsessel, schmale grünseidene Vorhänge an den Fenstern, einen grünen Teppich, einen Aktenbock und ein Ruhebett, über dem ein elfenbeinerner Christus auf Sammetgrund hing. Das Schlafzimmer, die Küche und der übrige Teil der Wohnung gingen nach dem Hofe hinaus.
»Nun,« sagte Cérizet, »wie stehts? Kommen wir vorwärts?«
»Aber gewiss«, antwortete Theodosius.
»Gestehen Sie zu,« rief Dutocq, »dass ich da eine ausgezeichnete Idee gehabt habe? Indem ich mir ein Mittel ausgedacht habe, um diesen Schwachkopf von Thuillier hineinzulegen ...«
»Ja, aber ich bin auch nicht zurückgeblieben«, rief Cérizet; »ich werde Ihnen heute die Fäden in die Hand geben, wie wir der alten Jungfer beikommen und sie dann wie einen Kreisel gehen lassen können ... Wir dürfen uns nicht darüber täuschen! Fräulein Thuillier bedeutet hierbei für uns alles: haben wir sie auf unsrer Seite, dann ist die Sache gewonnen ... Reden wir nicht lange, aber deutlich, wie es sich für kluge Männer gehört. Mein früherer Sozius Claparon ist, wie Sie wissen, ein Dummkopf, und er wird sein ganzes Leben das, was er immer gewesen ist, bleiben: ein Strohmann. Augenblicklich dient er als Strohmann einem Pariser Notar, der sich mit Unternehmern zusammengetan hat, und die, der Notar wie die Maurermeister, pleite sind. Und Claparon sitzt in der Patsche; er hat noch niemals Bankerott gemacht, aber alles muss mal einen Anfang haben; augenblicklich hält er sich bei mir, in meinem Loch in der Rue des Poules, versteckt, wo ihn kein Mensch finden kann. Mein Claparon ist wütend, er hat keinen Heller; nun befindet sich unter den fünf oder sechs Häusern, die verkauft werden sollen, ein wahres Prachtstück von Haus, ganz aus echtem Stein gebaut, in der Gegend der Madeleinekirche – eine Fassade wie die Schale einer Netzmelone, mit entzückenden Skulpturen – das aber, da es noch nicht ganz fertig ist, für höchstens hunderttausend Franken weggehen wird; bei einer Anzahlung von fünfundzwanzigtausend Franken kann man in zwei Jahren hiervon eine Rente von etwa zehntausend Franken haben. Wer dieses Grundstück