Die Kleinbürger. Оноре де Бальзак
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Ein Pianino von Erard, das dem Kamin gegenüber zwischen zwei Fenstern stand, wies auf die Ansprüche hin, die ständig an die Virtuosin gestellt wurden.
»Sollte ich die unglückliche Veranlassung sein, Sie in die Flucht zu jagen?« sagte Theodosius lächelnd und liebenswürdig zu Mutter und Tochter. »Sie haben hier ja einen entzückenden Zufluchtsort,« fuhr er fort, »es fehlt nur noch eine hübsche Schwiegertochter, damit Sie den Rest Ihrer Tage in dieser ›aurea mediocritas‹, nach dem Worte des römischen Dichters, inmitten der Freuden des Familienlebens verbringen können. Ihr bisheriger Lebenswandel verdient eine solche Belohnung, denn, nach allem was man mir gesagt hat, sind Sie, mein verehrter Herr Phellion, zugleich ein guter Bürger und ein Patriarch ...«
»Mein werter Herr,« sagte Phellion verlegen, »ich habe meine Pflicht getan, das ist alles.«
Als Theodosius das Wort »Schwiegertochter« aussprach, sah Frau Barniol, die ihrer Mutter wie ein Wassertropfen dem andern glich, Frau Phellion und Felix an, als wollte sie sagen: ›Sollten wir uns getäuscht haben?‹
Der Wunsch, sich über diese Bemerkung auszusprechen, veranlasste die vier Menschen, sich in den Garten zurückzuziehen, denn es war im März 1840, wenigstens in Paris, schönes Wetter.
»Herr Kommandant,« sagte Theodosius, als er mit dem ehrenwerten Bürger allein war, der sich bei dieser Anrede immer geschmeichelt fühlte, »ich komme, um mit Ihnen über die Wahlen zureden.«
»Ach, richtig, wir haben ja zum Munizipalrat zu wählen«, unterbrach ihn Phellion.
»Und ich störe Ihre Sonntagsruhe wegen einer Kandidatur; aber vielleicht entfernen wir uns damit nicht aus dem Kreise der Familie.«
Es war für Phellion unmöglich, mehr er selber zu sein, als Theodosius in diesem Augenblick Phellion war.
»Sie dürfen kein Wort weiter sagen«, erwiderte Phellion, indem er eine Pause benutzte, die Theodosius gemacht hatte, um die Wirkung seiner Worte abzuwarten; »meine Wahl ist getroffen.«
»Dann haben wir also denselben Gedanken gehabt!« rief Theodosius, »gute Menschen finden sich ebenso, wie geistvolle Menschen ...«
»Ich glaube nicht, dass das diesmal der Fall ist«, entgegnete Phellion. »Unser Bezirk kann für den Munizipalrat den ausgezeichnetsten Mann präsentieren, wie der bedeutendste aller Richter einer war, nämlich der selige Herr Popinot, der verstorbene Rat am Obergericht. Als es sich darum handelte, ihn zu ersetzen, wohnte sein Neffe, sein Nachfolger in seinem wohltätigen Tun, noch nicht in unserm Viertel; inzwischen hat er aber das Haus in der Rue de la Montagne-Sainte-Geneviève, in dem sein Onkel wohnte, gekauft und bezogen; er ist Arzt an der polytechnischen Schule und an einem unsrer Krankenhäuser; er ist eine Zierde unseres Bezirks; und aus diesem Grunde, und um das Andenken des Onkels in der Person des Neffen zu ehren, haben einige Einwohner des Bezirks und ich beschlossen, die Kandidatur des Doktors Horace Bianchon aufzustellen, der, wie Sie wissen, Mitglied der Akademie der, Wissenschaften und einer der jungen Sterne der berühmten Pariser Schule ist ... Ein Mann ist in unsern Augen nicht bloß deshalb bedeutend, weil er berühmt ist, und der selige Rat Popinot war, nach meiner Ansicht, fast ein zweiter heiliger Vincent de Paula.« »Ein Arzt ist aber kein Verwaltungsbeamter,« erwiderte Theodosius, »und außerdem bitte ich um Ihre Stimme für einen Mann, bei dem Ihre wichtigsten Interessen verlangen, eine Vorliebe zum Opfer zu bringen, die übrigens für die öffentlichen Angelegenheiten völlig unwichtig ist.«
»Wie, mein Herr?« rief Phellion aus, erhob sich und nahm eine Haltung an wie Lafeu in dem Stück ›le Glorieux‹, »Sollten Sie mich so niedrig einschätzen, dass Sie glauben, persönliche Interessen könnten jemals einen Einfluss auf meine politische Überzeugung haben? Sobald es sich um öffentliche Angelegenheiten handelt, bin ich Bürger, nichts mehr und nichts weniger.«
Theodosius amüsierte sich heimlich über den Kampf, der sich nun bald zwischen dem Vater und dem Bürger entspinnen würde.
»Verpflichten Sie sich nicht sich selbst gegenüber, ich beschwöre Sie,« sagte la Peyrade, »denn es handelt sich um das Glück Ihres teuren Felix.«
»Was wollen Sie damit sagen? ...« fragte Phellion und blieb mitten im Zimmer stehen, indem er seine Hand von rechts nach links in seine Weste schob, wobei er eine Geste des berühmten Odilon Barrot nachmachte.
»Ich komme ja wegen unsres gemeinsamen Freundes, des würdigen und ausgezeichneten Herrn Thuillier, dessen bestimmender Einfluss auf das Schicksal der schönen Celeste Colleville Ihnen genügend bekannt sein dürfte; und wenn, wie ich annehme, Ihr Sohn, ein junger Mann, auf den jede Familie stolz sein kann, und dessen Verdienste unbestreitbar sind, eine Heirat mit Celeste anstrebt, eine in jeder Beziehung passende Partie, so könnten Sie nichts besseres tun, als sich Thuilliers ewige Dankbarkeit damit zu verdienen, dass Sie Ihren würdigen Freund Ihren Mitbürgern in Vorschlag bringen ... Was mich anlangt, so glaubte ich, obwohl ich erst kurze Zeit in dem Bezirk wohne, dank dem Einfluss, den mir einige den Armen erwiesene Wohltaten verschafft haben, von mir aus diesen Schritt tun zu dürfen; aber wenn man der Sache der Armen dient, so fällt das nur wenig bei den Höchstbesteuerten ins Gewicht, und außerdem würde ein solches Hervortreten nur wenig zu meiner bescheidenen Lebensführung passen. Ich habe mich dem Dienste der Niedrigen gewidmet, verehrter Herr; ebenso wie der selige Rat Popinot, dieser erhabene Mann; wie Sie sagten, und wenn ich nicht einen in gewissem Sinne frommen Beruf hätte, mit dem sich die Verpflichtungen des Ehelebens schlecht vereinigen lassen, so würde ich wünschen und mich in zweiter Linie berufen fühlen, in den Dienst des Höchsten, der Kirche zu treten ... Ich mache nicht von mir reden, wie die falschen Philanthropen; ich schreibe nicht, ich handele, denn ich bin ein Mann, der sich ganz einfach der christlichen Nächstenliebe gewidmet hat. Ich habe den ehrgeizigen Wunsch unsres Freundes Thuillier zu ahnen geglaubt, und ich wollte zu dem Glück zweier Wesen, die füreinander geschaffen sind, mit beitragen, indem ich Ihnen zeige, womit Sie sich einen Zugang zu dem etwas kühlen Herzen Thuilliers verschaffen können.«
Durch diese wundervoll vorgetragene Tirade geriet Phellion in Verwirrung; er war verführt und ergriffen, aber er blieb Phellion, ging geradeswegs auf den Advokaten zu und reichte ihm die Hand, deren Druck la Peyrade erwiderte.
Es war ein Händedruck, wie er im August des Jahres 1830 zwischen der Bürgerschaft und den kommenden Männern gewechselt wurde.
»Mein werter Herr,« sagte der Kommandant bewegt, »ich habe Sie falsch beurteilt. Was Sie mir anzuvertrauen die Güte hatten, das bleibt hier begraben! ...« Dabei zeigte er auf sein Herz. »Sie sind einer der Männer, von denen es wenige gibt, die Einen aber mit den Übelständen, die übrigens von unsern sozialen Verhältnissen bedingt sind, aussöhnen können. Das Gute ist so selten, dass es unsrer schwachen Natur entspricht, wenn wir dem Anschein nicht trauen. Sie haben in mir einen Freund gewonnen, wenn Sie mir gestatten wollen, mir diese ehrenvolle Bezeichnung Ihnen gegenüber beizulegen ... Aber Sie sollen auch mich kennenlernen, mein Herr: ich würde meine Selbstachtung einbüßen, wenn ich Thuillier als Kandidat vorschlüge. Nein, mein Sohn darf sein Glück nicht einer schlechten Handlung seines Vaters zu verdanken haben ... Ich werde von meinem Kandidaten nicht abgehen, weil es das Interesse meines Sohnes verlangt ... So fasse ich die sittlichen Pflichten auf, mein Herr!«
La Peyrade zog sein Taschentuch heraus, rieb sich die Augen und brachte eine Träne hervor; dann reichte er Phellion die Hand, wandte seinen Kopf ab und sagte:
»Das ist eine erhabene Stellung, die Sie, verehrter Herr, in diesem Kampfe zwischen dem privaten