Die Kleinbürger. Оноре де Бальзак

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Die Kleinbürger - Оноре де Бальзак

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am nächsten und übernächsten Tag essen sollte, so war es um so besser, je weniger ausgekocht es auf dem Tisch kam; es wurde daher stets, wenn Thuillier es zu tranchieren begann, auf Brigittes Wink wieder abgetragen, die sagte:

      »Ich glaube, es ist etwas zäh; also lass es sein, Thuillier, es wird es doch niemand essen, wir haben ja genug anderes!«

      Neben der Bouillon wurden auch noch vier Schüsseln auf alten Rechauds, von denen die Versilberung abgegangen war, aufgetragen. Der erste Gang dieses Diners, des sogenannten Kandidatur-Diners, bestand aus zwei Enten mit Oliven, einer ziemlich großen Fleischpastete mit Klößchen, Aal à la Tartare und einem Kalbsfricandeau mit Chicorè-Gemüse. Das Hauptstück des zweiten Ganges war eine herrliche Gans mit Maronen gefüllt. Dazu ein Salat, ›de mâche‹ mit Scheiben von roten Rüben garniert, Cremetöpfen, gezuckerten Kohlrüben und einer Schüssel Makkaroni. Dieses Diner eines Portiers, der ein Hochzeitsfest feiert, kostete höchstens zwanzig Franken, und von dem, was übrigblieb, lebte das Haus noch zwei Tage; Brigitte aber sagte: »Ja, bei solchen Einladungen fliegt das Geld nur so weg ... es ist schrecklich!«

      Der Tisch war von zwei abscheulichen vierarmigen Leuchtern aus versilbertem Kupfer erhellt, auf denen billige, sogenannte »Aurorakerzen« brannten. Das Tischzeug war von blendender Weiße, das alte Silber mit Fadenmuster ein väterliches Erbstück, das der alte Thuillier in der Revolutionszeit gekauft und in dem geheimen Restaurant benutzt hatte, das in seiner Dienstwohnung eingerichtet war, aber im Jahre 1816 ebenso wie in allen andern Ministerien, abgeschafft wurde. So passte das Essen zu dem Hause und zu den Thuilliers, die sich über diesen Zuschnitt nicht zu erheben vermochten. Die Minards, Colleville und la Peyrade wechselten einige lächelnde Blicke, die ihre gemeinsamen spöttischen, aber zurückgehaltenen Gedanken verrieten. Ihnen war der vornehmere Luxus bekannt, und die Minards verrieten ihre Hintergedanken deutlich genug, wenn sie die Einladung zu einem solchen Diner annahmen. La Peyrade, der neben Flavia saß, sagte leise zu ihr: »Gestehen Sie, dass es sehr nötig ist, den Leuten Lebensart beizubringen! Aber diese Minards! Was für eine scheußliche Geldgier! Ihr Kind wäre da für immer für Sie verloren; diese Parvenüs haben die Laster der alten Grandseigneurs, aber ohne deren Eleganz. Ihr Sohn mit seinen zwölftausend Franken Rente kann recht gut in jeder Familie eine Frau finden und braucht nicht hierher zu kommen und auf das Einscharren des Geldes zu spekulieren. Was ist das für ein Spaß, auf diesen Leuten zu spielen, wie auf einer Bassgeige oder einer Klarinette!«

      Flavia hörte ihm lächelnd zu und zog auch ihren Fuß nicht zurück, den Theodosius leise mit den seinigen drückte.

      »Damit ich Sie in Kenntnis von dem, was vorgeht, setzen kann,« sagte er, »wollen wir uns mit dem Pedal verständigen; seit heute morgen müssen Sie mich durch und durch kennen, ich bin kein Mann, der kleine Scherze macht ...«

      In bezug auf geistige Überlegenheit war Flavia nicht verwöhnt; der kategorische und freie Ton Theodosius' blendete die Frau, mit der der gewandte Zauberkünstler in einen Kampf getreten war, wo es für sie nur ein Ja oder ein Nein gab. Man musste ihn rückhaltlos anerkennen oder ablehnen; und da sein Verhalten ein wohl berechnetes war, so verfolgte er mit freundlichen Blicken aber scharfer Aufmerksamkeit das Resultat seiner Bezauberung. Als der zweite Gang abgeräumt wurde, sagte Minard, der fürchtete, dass ihm Phellion zuvorkommen könnte, mit würdevoller Miene zu Thuillier:

      »Mein lieber Thuillier, wenn ich Ihre Einladung angenommen habe, so geschah das, um Ihnen eine wichtige Mitteilung zu machen, die für Sie zu ehrenvoll ist, als dass ich nicht alle unsre Tischgenossen zu Zeugen dabei machen möchte.

      Thuillier wurde bleich.

      »Haben Sie etwa das Kreuz für mich bewilligt bekommen? ...« rief er aus, während er einen Blick von Theodosius auffing, dem er beweisen wollte, dass es ihm nicht an Schlauheit fehle.

      »Das werden Sie eines schönen Tages auch bekommen«, erwiderte der Bürgermeister; »aber es handelt sich hier um etwas Bedeutenderes. Das Kreuz verdankt man der guten Meinung eines Ministers, während hier die Rede von einer andern Sache ist, von einer Wahl unter Zustimmung aller Ihrer Mitbürger. Mit einem Worte: eine ziemlich große Zahl von Wählern Ihres Bezirks haben ihr Auge auf Sie geworfen und wollen Sie mit ihrem Vertrauen beehren, indem sie Ihnen das Amt übertragen, den Bezirk im Munizipalrat von Paris zu vertreten, der, wie jedermann weiß, der Generalrat des Seinedepartements ist ...«

      »Bravo!« rief Dutocq.

      Jetzt erhob sich Phellion.

      »Der Herr Bürgermeister ist mir zuvorgekommen,« sagte er bewegt, »aber es ist so schmeichelhaft für unsern Freund, der Gegenstand eifrigen Bemühens aller guten Bürger zugleich zu sein und die öffentliche Meinung der ganzen Hauptstadt auf seiner Seite zu haben, dass ich mich nicht beklagen kann, erst in zweiter Reihe zu Wort zu kommen, und im übrigen gebührt ja auch die Initiative der leitenden Stelle! ...« (Dabei verbeugte er sich respektvoll vor Minard.) »Ja, Herr Thuillier, mehrere Wähler desjenigen Teils des Bezirks, in dem sich auch meine bescheidenen Penaten befinden, haben die Absicht, Ihnen ein Mandat zu übertragen, aber bei Ihnen liegt der besondere Fall vor, dass auf Sie ein berühmter Mann hingewiesen hat ... (Sensation), ein Mann, in dem wir das Andenken an einen der edelsten Bewohner des Bezirks ehren wollten, der ihm zwanzig Jahre lang mit väterlicher Treue gedient hat; ich will hier von dem seligen Herrn Popinot sprechen, bei seinen Lebzeiten Rat am obersten Gerichtshof und unser Vertreter im Munizipalrat. Sein Neffe, der Doktor Bianchon, hat es, mit Rücksicht auf seine ihn ganz in Anspruch nehmende Tätigkeit, abgelehnt, die Pflichten, mit denen er belastet werden sollte, auf sich zu nehmen; aber indem er uns für die Ehre, die wir ihm erweisen wollten, dankte, hat er gleichzeitig, bemerken Sie das wohl, uns auf den Kandidaten des Herrn Bürgermeisters hingewiesen, als den nach seiner Meinung Fähigsten und mit Rücksicht auf seine frühere Tätigkeit Geeignetsten, das Amt eines Ädilen zu übernehmen! ...«

      Und Phellion setzte sich wieder unter lärmendem Beifall.

      »Auf deinen alten Freund kannst du rechnen, Thuillier«, sagte Colleville.

      In diesem Augenblick wurden die Gäste durch das Schauspiel, das ihnen die alte Brigitte und Frau Thuillier boten, in Rührung versetzt. Brigitte, die bleich geworden war, als ob sie in Ohnmacht fallen wollte, rollten langsam, eine nach der andern, Tränen über die Backen, Tränen tiefster Glückseligkeit, und Frau Thuillier saß wie entgeistert da, mit starren Augen. Plötzlich sprang das alte Mädchen auf, stürzte in die Küche und schrie Josephine zu:

      »Komm in den Keller! .. Wir brauchen den Wein hinter dem Holz!«

      »Meine lieben Freunde,« sagte Thuillier gerührt, »das ist der schönste Tag meines Lebens, schöner noch, als es der Tag meiner Wahl sein wird, wenn ich einwilligen darf, dem Ruf meiner Mitbürger Folge zu leisten (Aber gewiss, gewiss!), denn ich fühle mich durch dreißig Jahre amtlichen Dienstes recht verbraucht, und Sie werden begreifen, dass ein Ehrenmann seine Kräfte und Fähigkeiten erst nachprüfen muss, bevor er das Amt eines Ädilen auf sich nimmt ...«

      »Ich habe nichts anderes von Ihnen erwartet, Herr Thuillier«, rief Phellion aus. »Verzeihung, es ist das erstemal in meinem Leben, dass ich unterbreche, und noch dazu einen früheren Vorgesetzten; aber es gibt gewisse Umstände ...«

      »Nehmen Sie an, nehmen Sie an!« schrie Zélie; »zum Donnerwetter, wir brauchen solche Leute wie Sie zum Regieren!«

      »Fügen Sie sich, mein lieber Chef!« sagte Dutocq, »und es lebe der künftige Munizipalrat! ... Aber wir haben nichts zu trinken ...«

      »Also abgemacht,« begann Minard wieder, »Sie sind unser Kandidat?«

      »Sie haben eine zu hohe Meinung von mir«, erwiderte Thuillier.

      »Unsinn!« rief Colleville; »ein Mann, der

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