Klienten kennenlernen – Diagnosen dynamisch utilisieren. Krzysztof Klajs
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Klienten kennenlernen – Diagnosen dynamisch utilisieren - Krzysztof Klajs страница 11
Ein weiteres Beispiel für Trancelogik ist die folgende Aussage von Frau C.:
»Ich heirate bald. Das war wirklich mein Wunsch. Mein Verlobter war früher schon verheiratet. Zweimal. Für ihn ist das die dritte Ehe, aber für mich die erste. Ich bin dann die dritte Ehefrau für meinen Mann. Seinen Nachnamen werde ich aber nicht annehmen, ich will ja nicht die dritte Frau C. sein. Ich bin die dritte Frau, aber ich bin gleichzeitig auch nicht die dritte Frau.«
Das Erschaffen, das Ausblenden und das Verzerren von Ereignissen sind mit zwei weiteren Trancephänomenen verbunden: mit der positiven Halluzination und mit der negativen Halluzination.
Ereignisse können aufgebauscht oder reduziert bzw. verkleinert werden.
Das Beispiel einer Klientin, die Ereignisse aufbauscht, ist in einem der Dialoge zwischen Milton Erickson und einem bei ihm studierenden Arzt festgehalten (Parsons-Fein 2013):
Eine 44-jährige Frau litt an manischer Depression und war zwei Mal an Krebs erkrankt. Sie war Mutter dreier Töchter und klagte darüber, dass sie Angst vor allem hätte. Sie lebte von Sozialhilfe und hatte Angst, diese Stütze zu verlieren. Sie hatte Angst, das Haus zu verlassen, allein zu bleiben, die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen, sie fürchtete sich vor Krankheiten und vor Arztbesuchen. Die Liste aller aufgeführten Ängste war sehr lang. Aus diesem Grund bestand sie darauf, dass ihr jüngstes Kind sie ständig begleitete (die beiden älteren Töchter waren bereits ausgezogen). Sogar zur Therapie wurde sie von ihrer Tochter begleitet. Erickson erstellte eine Strategie für die Therapie, bei der er zuerst die generelle Angst der Klientin vor dem Alleinsein infrage stellte. Er zeigte ihr, dass es Tätigkeiten gab, die sie völlig allein ausführte, bei denen niemand sie begleitete. Daraufhin suchte er Ausnahmen, sodass er letzten Endes Verwunderung bei der Klientin auslöste, die sich in deren Frage äußerte: »Warum nur übertreibe ich dermaßen?«
Das innere Verarbeiten von Ereignissen verläuft entweder linear, wobei die Wirkung klar aus der Ursache hervorgeht, oder mosaikartig, wobei alle Elemente in gegenseitiger Abhängigkeit miteinander verbunden sind. Bewegt nur ein Schmetterling seinen Flügel auf der einen Seite des Erdballs, so hat das Einfluss darauf, was auf der anderen Seite geschieht.
2.5Diagnosekategorien zum sozialen Funktionieren
Es gibt mehrere diagnostische Kategorien die sich auf das soziale Funktionieren des Klienten beziehen. Hierbei können folgende Fragen berücksichtigt werden:
•Stellt sich der Klient über oder unter andere Personen?
•Sucht er eher Gemeinsamkeiten mit oder Unterschiede zu anderen Menschen?
•Akzeptiert der Klient gesellschaftliche Normen in seinem Verhalten oder zweifelt er sie an?
•Ist der Klient gesellschaftlich aktiv, oder zieht er sich eher zurück?
•Beschuldigt er mehr sich selbst oder seine Umgebung?
Selbstbeschuldigungen, die auf einem hartnäckigen Schuldgefühl beruhen, zeigen sich auf typische Weise in folgender Aussage einer Klientin:
»Nach einem Gespräch mit meiner Mutter fühle ich mich immer schuldig. Ich fühle mich schuldig, wenn ich mit ihr spreche, und wenn ich nicht mit ihr spreche, fühle ich mich erst recht schuldig, und zwar deshalb, weil ich nicht mit ihr spreche.«
Es gibt Menschen, die in Beziehungen zu anderen Energie aufsaugen, was häufig bei depressiven Personen und auch bei Narzissten der Fall ist. Und es gibt Menschen, die Energie ausstoßen, etwa aggressive oder manische Personen oder solche in aufgeladener Stimmung.
Hält man sich in der Gesellschaft von Menschen auf, die Energie aufsaugen, zieht das Müdigkeit, Erschöpfung oder eine gedrückte Stimmung nach sich. In der Umgangssprache werden diese Menschen auch als »Energievampire« bezeichnet. Ist man dagegen mit Personen zusammen, die Energie ausstoßen, kann dies Unruhe, Anspannung, Gereiztheit oder Wut hervorrufen. Beide dieser unterschiedlichen Reaktionen sind für den Empfänger unangenehm. Aus diesem Grund kommt es bei Menschen, die Energie aufsaugen oder ausstoßen, auf lange Sicht oft zu einer Einschränkung der sozialen Kontakte und letzten Endes zu gesellschaftlicher Isolation.
Weitere Informationen zu den Diagnosekategorien zum sozialen Funktionieren kann der Therapeut aus Beziehungen des Klienten gewinnen, oder indem er beobachtet, was sich während der Familientherapie zwischen den Mitgliedern der Familie abspielt.
Die Diagnose in dieser Kategorie stützt sich in bedeutendem Umfang auch darauf, wie der Therapeut den Klienten wahrnimmt, ihn spürt, wie er den Kontakt zu ihm erlebt, wie sich das während der weiteren Sitzungen verändert und welche Emotionen, Assoziationen und Fantasien beim Therapeuten auftauchen. Oft fühlt sich der Therapeut nach dem Treffen mit einem Klienten, der Energie aufsaugt, so erschöpft und ausgelaugt wie nach einer ganzen Arbeitswoche, obwohl es seine erste Sitzung an diesem Tag war. Typischerweise versucht der Therapeut daraufhin, während der nächsten Therapiesitzung noch mehr Kräfte aufzubringen. Dadurch entwickelt sich oft ein Verhältnis zwischen Therapeut und Klient, in dem die Rollen des Gebenden und des Nehmenden immer klarer zugeteilt werden. Je mehr Energie von der einen Seite aufgenommen wird, desto mehr Energie gibt die andere Seite ab. Eine solche Kategorie ist ein wichtiges Signal für den Therapeuten. Das »Aufsaugen von Energie«, das sich metaphorisch auf das Saugen an der Mutterbrust bezieht, kann symbolisch auf einen emotionalen Hunger des Klienten hinweisen, einen Hunger nach Aufmerksamkeit und sozialen Kontakten. Das wiederum kann als Signal für Bedürfnisse gedeutet werden, die in der Vergangenheit nicht befriedigt wurden, die der Klient jedoch weiterhin verspürt. Behandelt der Therapeut Personen, bei denen diese Eigenschaft dominiert, wird er sich in der Therapie höchstwahrscheinlich auf den Trancebereich Regression – Progression beziehen.
2.6Die Position in der Herkunftsfamilie
Diese Kategorie bezieht sich auf die Folgen des langjährigen Funktionierens in der Herkunftsfamilie. Die Konsequenzen daraus, welche Position jemand früher in seiner Familie innehatte, bleiben über Jahre hinweg wirksam. Diese Erfahrungen bilden einen wichtigen Teil der inneren Landkarte, nach der sich Menschen später im Erwachsenenleben richten. Sie sind auch Teil eines individuellen oder familiären Drehbuches, welches das weitere Leben bestimmt. Viele Bereiche sind von diesen Erfahrungen betroffen. Ein Kind beispielsweise, das jahrelang die Position eines Einzelkindes innehatte, bekam zwar dadurch die Chance, mit sich selbst in gutem Kontakt zu stehen, hat dafür aber weniger Erfahrungen in Beziehungen zu Gleichaltrigen und verbringt viel Zeit allein. Ein Kind, das mit Geschwistern aufwächst, lernt im häuslichen Umfeld auf ganz natürliche Weise soziales Verhalten gegenüber Gleichaltrigen. Gibt es in der Familie dagegen nur ein Kind, erfordert es gewisse Bemühungen, dem Kind diese Erfahrungen zu ermöglichen. Ein Einzelkind hat im Alltag mehr Möglichkeiten, sich mit sich selbst zu beschäftigen, ist aber in vielen Familien auch einem immensen Druck seitens der Eltern ausgesetzt, die sich stark auf das Kind konzentrieren. Das wird im folgenden kurzen Gedicht deutlich, verfasst von einem als Einzelkind aufgewachsenen Jungen, der starkem Druck seitens seiner gebildeten und gesellschaftlich hervorragend funktionierenden Eltern ausgesetzt war.
»Unter mir ein Arm,
über mir eine Brust.
Ach welche Qual
und was für ein Frust,
unter mir der Arm
und über mir die Brust.«