Trumpism. Regula Stämpfli

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Trumpism - Regula Stämpfli

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Im Netz wird weiter gesponnen …

      Tel Aviv, Zürich, München, Koroni 2018

       I.Der Mann für böse Überraschungen

      Wie Barack Obamas Witz Trumps Ego verletzte und den Weg ins Weiße Haus beförderte. Von der paradoxen Wirkung des 45. Präsidenten und den Blindspiralen in den westlichen Demokratien. Eine Geschichte mit unberechenbarem Ausgang.

      »Show me someone without an ego, and I’ll show you a loser.« — How To Get Rich. Donald J. Trump @realDonaldTrump 19.7.2012

      Am 1. Mai 2011 trat ein gut gelaunter, gut aussehender und eleganter Barack Obama anlässlich der Gala des Pressekorps des Weißen Hauses vor das Publikum. Am Tisch von FOX News saß unter anderem der Immobilienmillionär und Star der NBC-Reality-TV-Show »The Apprentice«, Donald Trump. Wochenlang hatte er eine Schmutzkampagne gegen Barack Obama geführt. Wo war die Geburtsurkunde des ersten schwarzen Präsidenten? Weshalb präsentierte er nicht einfach das offizielle Dokument? Wurde hier das amerikanische Volk belogen, betrogen, indem ihm ein Nicht-Amerikaner vorgesetzt wurde? Die Presse, angetrieben vom rechten Hetzsender FOX News, drehte die Empörungsspirale eifrig weiter. Es schien, als gäbe es für die Demokratie nichts Wichtigeres als das Drama um die Geburtsurkunde des 44. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika.

      Und dann war es so weit: In sympathischer Art und Weise machte sich Barack Obama, der »König der Spötter« (»Tagesspiegel«, 1.5.2011), über seine politischen Gegner, insbesondere über Donald Trump lustig. Auf dem Screen im Saal erschien – zur Musik von »Real American« – eine Kopie von Barack Obamas Geburtsurkunde aus den staatlichen Archiven Hawaiis. Das Publikum klatschte. »Tonight«, meinte der umwerfende Barack Obama charmant lächelnd, »bin ich bereit, noch einen Schritt weiterzugehen. Heute Abend gebe ich – zum ersten Mal – das offizielle Originalvideo meiner Geburt preis.« (großes Gelächter) »Ich warne Sie: Seit mehr als 50 Jahren hat niemand diese Bilder gesehen – selbst ich nicht. But ah, let’s take a look.«

      Auf den Bildschirmen erschien ein Ausschnitt aus dem Disney-Film »König der Löwen« – der Clip, der Baby Simba mit bewegender Musik im »Reich der Tiere« begrüßt. Das Gelächter im Saal wandelte sich zum tosenden Applaus. Die Groteske war offensichtlich. Die politische Satire geglückt wie keine andere – selbst Jahre danach ist die Szene auf YouTube umwerfend lustig. Sehr schön auch die Zwischenschnitte auf Donald Trump. »An die Adresse des FOX-Table gerichtet, möchte ich festhalten«, so Obama, »dass dies ein Joke war. Nochmals: Es war ein Witz. Es war nicht das Originalvideo meiner Geburt. Es war wirklich nur ein Cartoon – rufen Sie Disney an, falls Sie mir nicht glauben, die haben die lange Version.« Erneut riesiges Gelächter und großer Applaus. An die Adresse von Trump gewandt, meinte Obama weiter, dass man sich nun vielleicht den wirklich wichtigen Fragen der Welt zuwenden könnte, wie zum Beispiel: »Did we fake the moon landing?« Den Knüller aber behielt sich Obama bis zum Schluss vor: Mit der Einleitung »He would certainly bring some change to the White House« (Er würde einige Veränderungen ins Weiße Haus bringen) zeigte der Gala-Screen ein überdimensionales Foto des Weißen Hauses, aufgemotzt im Stil eines Trump’schen Casinos, mit einem obligaten Jacuzzi voller Bikini-Girls, alles »pretty much« in Gold gehalten. Das Gelächter war ausgelassen – die Revanche von Barack Obama gegen die rechten Hetzmedien, angeführt von Donald Trump, war eine Punktlandung: intelligent, ironisch, anständig, etwas schmerzhaft, aber nicht so, dass der Gedemütigte alle Achtung vor sich selbst verlieren musste. Es war umwerfend komisch.

      Fünf Jahre später blieb den Gästen des Pressekorps des Weißen Hauses in Washington das Lachen im Hals stecken.

      Donald Trump setzte sich am 8. November 2016 als Kandidat der Republikaner gegen die vorgesehene Nachfolgerin von Barack Obama, Hillary Clinton, in den Präsidentschaftswahlen durch. Nach einer dramatischen Wahlnacht hatte es Donald Trump allen demoskopischen Prognosen zum Trotz geschafft, die notwendigen 270 der insgesamt 538 Wahlleute für sich zu gewinnen. Ausschlaggebend für den Erfolg waren die Siege im normalerweise klassisch demokratisch wählenden Staat Ohio und dem immer wieder Match-entscheidenden Florida. In den USA wird der Präsident indirekt vom Volk gewählt, es votieren in den einzelnen Bundesstaaten Wahlleute, deren Anzahl sich nach der Bevölkerungsgröße des jeweiligen Staates richtet. Hillary Clinton hatte zwar bei der US-Präsidentschaftswahl mehr Stimmen bekommen als Trump, nach absoluten Zahlen hätte also Clinton mit hauchdünnem Vorsprung gewonnen, doch das Mehrheitswahlsystem der Amerikaner funktioniert eben anders. Die Wahl von Donald Trump wurde von sämtlichen Medienschaffenden mit großer Überraschung quittiert. Tenor der meisten Kommentare war: Die USA haben ihren ersten »populistischen Präsidenten« (»Spiegel Online«, 9.11.2016). Dass dies nicht so einfach ist, wie es auf den ersten Blick erscheint, zeigen die 22 Monate TRUMPISMUS danach. Das Bibelwort »Es wird nicht ein Stein auf dem anderen bleiben« wäre die korrektere Interpretation gewesen. Denn die Wahl von Donald Trump veränderte nicht nur die Art und Weise, wie im Weißen Haus regiert wird, sondern die Wahrnehmung von Politik, Macht, Verfassung, Rechtsstaat, Presse und letztlich auch der Demokratie. Die Wahl von Donald Trump hat zahlreiche Schriften, Monografien, Essays, ja sogar eine Dokumentation bei Netflix über den Immobilienmogul ausgelöst. Politisch sprießen fast täglich neue demokratische Bewegungen gegen den 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten aus dem Boden. Fast über Nacht entstand in den sozialen Netzwerken das »Pussyhat«-Projekt einer globalen Frauenbewegung, die mit selbst gestrickten rosa Mützen am 21. Januar 2017, dem ersten Tag nach der Amtseinführung von Donald Trump, für Frauen- und Menschenrechte in Washington D.C. protestierte. Seitdem hören die gleichstellungspolitischen Kämpfe nicht mehr auf. Die Wahl von Donald Trump war aber nicht nur ein Weckruf für die Bürgerrechts- und Frauenbewegungen, sondern auch für die Regierungen aller westlichen Demokratien und die auf autoritärer Parteienherrschaft basierende Volksrepublik China. Seitdem ist auch das globale Freihandelssystem aus den Fugen geraten, bebt das internationale Finanzsystem immer wieder. Die Angst ist groß, dass der Kombination Trump’scher Unberechenbarkeit, Zölle, Handel, digitaler Revolutionen und Kreditsysteme ein globales politisches Erdbeben folgen könnte. Eine Erschütterung, die die Welt finanz- und industriepolitisch so kurz nach dem weltweiten Crash im Jahr 2008 weiter an den Abgrund drängen könnte. Als wäre dies nicht genug, hat der Twitterpräsident Trump zusätzlich die Presselandschaft auf den Kopf gestellt: Er inkarniert damit den ersten Archetyp des Herrschers im digitalen Zeitalter, wobei ihm schon sein Vorgänger Barack Obama eine Steilvorlage geboten hatte: Die Medien haben dem Präsidenten zu dienen und ihn nicht zu kontrollieren. Das Verhältnis von Barack Obama zur Presse war ein symbiotisches, das von Donald Trump ein antagonistisches. Strukturell sind aber beide Arten der Kommunikation vorwiegend Exekutivinformationen und nicht – wie der Demokratie angemessen – weitgefächerte politische Diskurse, die gesamte Öffentlichkeit betreffend. Hier möchten wir zunächst mal ansetzen: Denn abgesehen von den populistischen Aspekten rund um die Art und Weise, wie Donald Trump die Vereinigten Staaten, ja die Welt dominiert (regiert wäre ein unpräziser Begriff), und unabhängig von seiner Persona, ist es diese Verschiebung von öffentlicher Kommunikation hin zu reiner Exekutivinformation, die an Journalisten, Wissenschaftlern, Kulturschaffenden, Politikern vorbeizugehen scheint. Die Wahl von Donald Trump war, entgegen üblicher Interpretationen, kein Unfall, kein Sonderfall, kein Missgeschick, kein Skandal, kein Glücksfall (wie dies einige betonen), sondern ein Normalfall in den existierenden, von Medien, Fokussierung auf die Exekutive und Umfragen getriebenen westlichen Demokratien. In den 1970er-Jahren entwickelte Elisabeth Noelle-Neumann die Theorie der Schweigespirale. Diese besagte, dass es eine Unmenge an Informationen gäbe, die aber immer nur Ähnliches vermitteln würden. Andere Versionen der Meinungen hätten gegenüber der Mehrheit kaum Chancen, dies selbst dann, wenn die Bürger wissen, dass sie manipuliert werden. Ich habe in Analogie dazu für die digitale Gegenwart die Theorie der Blindspirale entwickelt. Es gibt eine Unmenge von Bildern, doch deren Botschaften vermitteln immer ähnliche Informationen. Vielfältige Bilder, Codes, Programme, alternative

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